Johannes Simon (Giovanni
Simone) Mayr (1763-1845):
ARIANNE IN NASSO (Ariadne in
Naxos)
Einteilige
Kantate
Libretto von Federico Giovanni Schmidt
Originalsprache Italienisch.
Uraufführung am 19. Februar 1815 in Neapel, Teatro San Carlo, mit Isabella Colbran als Ariadne.
Personen:
Arianne / Ariadne (Sopran)
Bacco / Bacchus (Tenor)
Zur Mythologie.
Der (griechische) Gott Dionysos oder Bakchos (römisch Bacchus) galt als Eroberer Asiens der (bei Euripides) nach Theben heimkehrt, nachdem er Lydien für sich gewonnen hat. Mit ihm verband sich die Vorstellung einer friedlichen Invasion und Zivilisierung des Ostens. Der Gott hat mit seinem Gefolge sogar in einem Triumphzug Indien überwunden (das Ende der damals bekannten Welt); Thyrsos nutzte anstelle des Speeres die Fest- statt der Kriegsmusik und brachte den Wein in den Subkontinent.
Des Dionysos Begegnung mit der kretischen Prinzessin Ariadne ist oftmals literarisch verarbeitet worden, so beispielsweise von Ovid. Wir wissen aus entsprechenden literarischen Schriften, dass die Prinzessin und Tochter von König Minos dem Athener Helden Theseus geholfen hatte, das Ungetüm namens Minotaurus zu töten. Auch ist Ariadne berühmt bis heute, dass sie vorsorglich einen Faden (der daraufhin Ariadne-Faden genannt wurde) benutzt hatte, um aus dem Labyrinth, in dem sich der Minotaurus aufhielt, herauszukommen.
Sie war mit Theseus nach Naxos geflohen, wo er sie zurückgelassen hatte. Naxos war auch die Lieblingsinsel von Dionysos – der sie dort traf, sich in sie verliebte und sie schließlich heiratete. Als Hochzeitsgeschenk erhielt sie eine Krone aus Juwelen, die nach ihrem Tod als Sternbild an den Himmel geheftet wurde.
Einziger
Teil.
Die zweiteilige Ouvertüre (Sinfonia) beginnt mit
einem Premier coup d’archet (einem raketenartigen Lauf der
Streicher). Diese Ouvertüre hat Mayr auch als Vorspiel zu seiner
Oper Le due Duchesse von 1814 verwendet.
Zwei alternierende Männerchöre bringen den Hörern die schreckliche Geschichte von der gerade schlafenden Ariadne nahe. Sodann erfahren wir, dass Matrosen ihr Schiff zur Abreise von der Insel Naxos fertig machen, das sodann auch in See sticht. Der Komponist versteht es durch das instrumentale Spiel in den Violinen, die Bewegungen der Ruderer zu beschreiben. Dabei bewegt sich das Schiff natürlich immer weiter vom Strand der Insel Naxos fort auf der Ariadne in bösen Träumen gefangen ist. Sie ist dabei, nach eigenen Worten, von Leid, Schmerz und Rachegelüsten durchdrungen. Was bisher in Rezitativen ausgedrückt wurde, kommt nun in einer Arie zu Gehör, die menschliche Gefühle in Raserei ausdrückt. Das Ende der Arie im dreifachen Piano lässt die vom Schmerz ohnmächtig gewordene Ariadne erfahrbar werden.
Ein Marsch in E-Dur beginnt leise und steigert sich immer mehr, dabei auch Moll-Kreise streifend, zeigt einen Stimmungswechsel an: Ein Schiff wird klein, aber wachsend, am Horizont sichtbar und ein heiterer Chorgesang wird hörbar.
An Bord jenes Schiffes ist Bacchus, der Gott des Weines, aber auch ein Sohn des Götter-Vaters Zeus. Die Zuhörer erfahren, dass er, von der Eroberung des östlichen Welt kommend, die Insel Naxos ansteuert. Er gibt sich als ein Kaiser der Lust und der guten Laune aus, will also nicht als waffenstarrender Kriegsgott gesehen werden: Musik, und das wundert nun nicht, ist für ihn ein wichtiger Bestandteil seines Daseins und das bringt er in einer vom Chor unterstützen Arie zum Ausdruck.
Als der Wein liebende Bacchus noch überlegt, warum ihn das Schicksal gerade an die Insel Naxos verschlagen hat, hat sein umherstreifendes Gefolge die schlafende Aridane entdeckt. Kundschafter bringen diese Nachricht zu Bacchus, der sich ihnen anschließt und als er ihrer ansichtig wird, sofort zu ihr entflammt.
Ariadne, erwachend, will ihr Leben durch Suizid beenden. Da ihre Suche nach einem Dolch oder Schwert unerfüllt bleibt, will sie sich in die Meereswogen stürzen. Mayr „malt“ das mit auffahrenden Läufen im Instrumentarium, während Triolen in den Streichern an die heimliche Abreise von Theseus erinnern könnten. Im letzten Moment kann Bacchus den Suizid Ariadnes verhindern; ein Duett in der „Liebestonart“ A-Dur ist für Bacchus das Signal, sich erkennen zu geben und um die Gunst von Ariadne zu werben. Die wähnt sich träumend, schöpft aber aus den Träumen, die ja keine sind, Hoffnung für das weitere Leben. Nicht genug damit, erweitert sich das Duett in einem raschen Zwei-Viertel-Teil mit virtuosen Terz- und Sextenpassagen, das eine erwachende Liebe Ariadnes zu Bacchus musikalisch deuten könnte.
Als die kretische Prinzessin klarer denken kann, will es ihr plötzlich unmöglich erscheinen, dass sich tatsächlich ein Gott für sie, eine Sterbliche, interessieren könnte. Doch Bacchus beschwichtigt sie nicht nur, sondern ruft auch sein Gefolge zusammen, damit sie Ariadne Auskunft geben, und weil dann eine Freudenfest angesagt ist.
Der Chor, Männer und Frauen aus Bacchus’ Gefolge stimmen einen fröhlichen Gesang an, in dem Ariadne gelobt wird. Daran schließt sich eine Aria con coro an, in der sie ihr neues Glück besingt. Indem Mayr dem Instrumentarium eine solistische Harfe hinzufügt, erhält das Ganze eine quasi religiöse Aura: Himmel und Erde verbinden sich lobend zur Liebe zwischen Bacchus und Ariadne – und mit einem kurzen, aber sehr fröhlichen Kehraus beendet Mayr diese Kantate.
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