Die Haydn Quartett Serien im Vergleich

  • Keine Angst, das ist kein Ranking, sondern ein Vorschlag für einen interessanten Weg Haydn Quartette zu hören.


    Haydn komponierte die meisten seiner Quartette in Sechsergruppen, die man (wenn man möchte) in einen oder zwei Abende durchhören kann. Typischerweise handelt es sich um etwas mehr als zwei Stunden Hörvergnügen. Ich persönlich genieße gerne ein Haydn Quartett Opus im Ganzen, weil es für mich sehr aufschlußreich ist die Werke untereinander zu vergleichen. Auch bin ich der Überzeugung, dass Haydn seine Quartett Serien sowohl als individuelle Werke, als auch als ein Ganzes gesehen hat. Ein Indiz dafür ist die Tatsache, dass Haydn die Reihenfolge der Quartette innerhalb der Serien in seinem Entwurfskatalog festhielt beziehungsweise festlegte (entspricht nicht immer der publizierten Reihenfolge).


    Vor einiger Zeit hatte ich mit einen Freund eine Diskussion darüber ob op 64 oder op 71/74 die besseren Quartette waren. Mein Freund bevorzugte op 64, während ich op 71/74 favorisierte. Wir entschieden uns beide Opera gleichzeitig gegeneinander zu hören. Natürlich hörten wir nicht alle 12 Quartette an einem Abend, sondern teilten sie auf 3 Abende auf zu jeweils 4 Quartette. Wir nahmen jeweils 2 Quartette von jedem opus und spielten sie alternierend ab, um einen direkten Vergleich zu haben. Wir sind damals nach der Reihenfolge der Opera gegangen, Nr. 1 gegen Nr. 1, Nr. 2 gegen Nr. 2 und so weiter. Es war faszinierend die Quartette unmittelbar nebeneinander zu hören und uns wurde wieder einmal bewusst wie vielfältig Haydns Quartett Oeuvre eigentlich ist. Seitdem habe ich einige Opera gegeneinander “antreten” lassen und der daraus resultierende Hörgenuss war jedesmal sensationell.


    Ein paar Ratschläge wären hier vielleicht noch hilfreich:

    1. nehmt zwei etwa gleichwertige Opera. Op 9 gegen op 76 “antreten” zu lassen bringt nicht viel Erkenntnis und könnte schon am ersten Abend frustrierend wirken. Besser man hört op 9 mit op 17
    2. Die Reihenfolge der Quartette, also welches Quartett man gegen welches hört, ist in meiner Meinung auch ganz wichtig. Hier gibt es einige Vorgehensweisen:
    • Reihenfolge gegen Reihenfolge. Hier unbedingt die Reihenfolge aus Haydns Entwurfskatalog befolgen. So kann man am besten den Verlauf beider Opera verfolgen.
    • Gleiche Tonarten. Ist natürlich nicht immer möglich, aber Haydn verwendete einige Tonarten in fast allen seiner Quartett Serien, wie zum Beispiel C-Dur, D-Dur, G-Dur und Es-Dur. Die übergebliebenen, nicht so oft verwendeten Tonarten wie F-Dur, E-Dur und A-Dur kann man dann gegeneinander abspielen. Zudem haben alle Haydn Quartett Sechserpacks, ausser op 20, ein Werk in Moll das man gut mit dem Moll Werk der anderen Serie paaren kann. Zwei Opera mit deckungsgleichen Tonarten sind übrigens op 33 und op 64
    • Ordnen nach ähnlichen Werken. Das funktioniert natürlich nicht bei allen Opera, aber es gibt einige Quartett Serien die sich sehr nahe sind und dessen Werke sich sehr ähneln. Op 9 und op 17 sind ein gutes Beispiel dafür: In jedem Opus gibt es das obligatorische Moll Werk, darüber hinaus ein Werk dass mit einem Variationssatz beginnt, ein “Kehraus” Quartett mit einen schnellen Kopfsatz in 6/8 Takt, ein Werk mit einem “Rezitativ plus Arie” langsamen Satz und ein Quartett mit einem Siziliano langsamen Satz.
    • Zufällige Paarung. Manchmal bringt auch der Zufall neue Erkenntnisse.

    3. Unbedingt das auf mehrere Abende aufteilen. Quartette sind halt sehr dichte Musik. Zu viel auf einmal ist hier auch nicht gut


    4. Wenn möglich, lasst die beiden Opera vom gleichen Quartett spielen, oder zumindest HIP gegen HIP beziehungsweise moderne Instrumente gegen moderne Instrumente. Es macht den Vergleich zwischen den Werken einfacher.


    Wie gesagt, das ist nur ein Vorschlag wie man Haydns Quartette hören kann. Man muss sie natürlich nicht in Gruppen hören. Aber ich finde die Vergleiche interessant und aufschlussreich.


    LG aus Wien.:hello:

  • Wie gesagt, das ist nur ein Vorschlag wie man Haydns Quartette hören kann. Man muss sie natürlich nicht in Gruppen hören. Aber ich finde die Vergleiche interessant und aufschlussreich.

    Ich höre die Quartette auch meistens in der Gruppierung, wie sie durch Haydns Opus vorgegeben wurde. Innerhalb eines Opus wechsle ich schon mal die Reihenfolge. Allerdings höre ich fast nie Musik gegeneinander. Am Ende interessiert es mich auch nicht, welche Musik "besser" ist. Ich versuche "verstehend" zu folgen. Und da mache ich bei Haydn immer wieder viele Entdeckungen und am Ende diejenige, wie fantasievoll und experimentell seine Musik ist (und war) .


    Es gibt da für mich keine schwachen Werke!


    In letzter Zeit höre ich mich in die frühen Werke Opp 9 und 17 ein und komme auch hier zu demselben Schluss. Früher habe ich diesen Teil fälschlicherweise vernachlässigt. Heute kommt mir das Ganze wie ein Musiklabor vor, wirklich spannende Werke.


    Die erste Begeisterung für die Haydn Quartette kam mit der Einspielung des Auryn-Quartettes, die ich auch heute noch für eine der besten halte. Mittlerweile wechsle ich schon mal häufiger. Wie Alfred schon richtig sagt, sind die Quartette in Mode und es gibt sehr schöne, jüngere Einspielungen vom englischen Doric Quartet und hippe Einspielungen vom London Haydn Quartet und vom Chiaroscuro Quartet. Allerdings wechsle ich nicht an einem Abend zwischen diesen Interpretationen, wahrscheinlich aber nur, weil ich nicht auf die Idee komme ;)

  • Am Ende interessiert es mich auch nicht, welche Musik "besser" ist.

    Obwohl das “Vergleichshören” so seinen Anfang genommen hat, geht es mir auch nicht wirklich darum welche Werke “besser” sind (obwohl Präferenzen werden alle haben), sondern wie sie sich unterscheiden. Beispielsweise ist bei op 64 und op 71/74 ein wesentlicher Unterschied, dass die spätere Serie für Aufführungen im Konzertsaal komponiert wurde, während op 64 eher für den privaten Gebrauch geschrieben wurde. Interessant ist, wie sich das in der Musik niederschlägt. Darum ist so ein “Vergleichshören” aufschlussreich. Ich mag beide Opera sehr gerne, wie eigentlich alle Haydn Quartette, wobei ich op 71/74 gegenüber op 64 etwas bevorzuge. Vielleicht hätte ich das Wort “gegen” oder “gegeneinander” weniger verwenden sollen und eher “Vergleich”. Schließlich ist das ja kein Tournier, wo der “Verlierer” dann weg ist. Aber die Vergleiche sind trotzdem interessant, auch wenn man die eine oder andere Präferenz hat.


    LG aus Wien.:hello:

  • Vielleicht sollte ich auch ergänzen, dass der “Gewinner” von so einem “Wetthören” nicht immer das selbe Opus ist. Beispielsweise habe ich oft op 50 und op 54/55 im Vergleich gehört und meistens sagten mir die eher konservativen aber sehr gelehrten Preussischen Quartette eher zu als die extrovertierten und experimentellen Werke aus op 54/55. Das ist aber nicht immer so. Oft genug machten die Quartette op 54/55 nach so einem Vergleichshören den besseren Eindruck. Haydns Quartette sind so vielseitig, dass sich so ein Vergleich immer wieder lohnt. Gerade bei op 50 und op 54/55 ist so eine Gegenüberstellung faszinierend, wenn man bedenkt, dass die beiden Opera fast zeitgleich komponiert wurden.


    LG aus Wien.:hello:

  • Beispielsweise habe ich oft op 50 und op 54/55 im Vergleich gehört und meistens sagten mir die eher konservativen aber sehr gelehrten Preussischen Quartette eher zu als die extrovertierten und experimentellen Werke aus op 54/55. Das ist aber nicht immer so.

    Das sollte man bei all dem Geranke nicht vergessen. Vieles hängt einfach auch von der eigenen Stimmung ab. Selbstverständlich gibt es überlegene Werke, aber die Frage, was einem nun besser gefällt unter den Werken, die einem irgendwie gefallen, ist meistens nicht unabhängig davon, wann man aufgestanden ist und wie der Vortag verlaufen ist :) ... und ob man schon Kaffee getrunken hat :D


    Momentan höre ich, wenn Haydn, die frühen Quartette, ich habe Lust, Neues kennenzulernen. Manchmal setzt man aber auf Bewährtes. Daraus, allgemein etwas über die Musik abzuleiten, ist nicht risikolos. :hello:

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  • Sehe ich genauso, wobei ein Ranking schon auch Spaß macht, wenn man den ganzen nicht zu viel Bedeutung schenkt. Auch bin ich hier im Forum zahlreiche Rankings begegnet und habe auch bei einigen mitgemacht. Nur zum Spaß…

    Das Quartett Opus “Wetthören” ist in Prinzip nicht viel anders.

  • Ich habe über die Feiertage mir das Vergnügen gegönnt op 20 und op 76 im Vergleich zu hören. Ich schreibe hier bewusst “im Vergleich” und nicht “gegen” weil es bei beiden Opera keinen “Gewinner” geben kann. Sie sind beide unverzichtbare Teile der Quartett Literatur. Ich habe das “Projekt” auf drei Abende aufgeteilt, je vier Werke an einem Abend. Für die Paarung nahm ich die Reihenfolge aus Haydns Entwurfkatalog. Bei op 76 entspricht sie der publizierten Reihenfolge, jedoch bei op 20 lautet sie wie folgt: F-Moll (5), A-Dur (6), C-Dur (2), G-Moll (3), D-Dur (4) und Es-Dur (1). Ich persönlich finde es wichtig Haydns Reihenfolge zu verwenden, weil ich der Ansicht bin, dass Haydn seine Quartett-Opera sehr wohl plante (zugegeben, für Zweit-Publikationen änderte er schon die Reihenfolge von den Quartetten um die Wiedererkennung zu erschweren, aber ich glaube, dass die Reihenfolgen aus dem Entwurfskatalog dem entsprechen was Haydn wollte). Die Aufnahmen die ich hörte waren die vom Quartuor Mosaiques für op 20 und vom London Haydn Quartett für op 76. Ich hätte bei op 76 auch die Aufnahme vom Quartuor Mosaiques gehabt, mag sie aber weniger, da sie meiner Meinung nach etwas zu schnell in einigen langsamen Sätzen unterwegs sind (Nr. 1,5 & 6). Im Klang sind beide in etwa gleich, das Quartuor Mosaiques vielleicht etwas schärfer, während das London Haydn Quartett etwas erdiger klingt. Man muss natürlich auch im Auge behalten, dass gute 25 Jahre op 20 von op 76 trennen. Op 20 ist aus Haydns Sturm und Drang Zeit, während die op 76 Werke aus seiner letzter Schaffensperiode sind.


    1. Abend:


    Op 20/5 im Vergleich mit op 76/1: Die erstgereihten Quartette ihrer Opera haben eine besondere Bedeutung, weil sie einerseits ihre Werkreihen eröffnen und andererseits den ersten Eindruck des Opus geben. Der erste Satz von F-Moll Quartett signalisiert schon, dass op 20 eine sehr ernste Serie sein wird, während der von G-Dur Quartett voller positiver Energie und Lebensfreude ist. Die beiden langsamen Sätze (im F-Moll Quartett an dritter Stelle) könnten auch nicht unterschiedlicher sein. Das Adagio aus op 76/1 ist ein sehr ernster und gewichtiger Satz geprägt von einem hymnenartigen Thema und immer wiederkehrenden Dialogen zwischen Cello und erster Violine. Der langsame Satz von op 20/5 ist hingegen ein leichtes Siziliano mit dekorativen Einlagen von der ersten Geige, gedacht um einen Kontrast zu den anderen drei melancholischen Sätzen zu bilden. Auch die beiden Menuette sind ganz verschieden. Das von 76/1 ist fast eine Parodie eines Scherzos. während das von 20/5 ein sehr dramatischer und gewichtiger Satz ist, der als frühe Aufwertung des Menuetts zu sehen ist. Die Finali der beiden Quartette haben jedoch Gemeinsamkeiten. Sie sind beide sehr gelehrte und kontrapunktische Stücke (beim F-Moll Quartett eine Fuge) und sie sind beide in Moll (beim G-Dur Quartett überraschenderweise so). Das G-Moll Finale ist jedoch um einiges länger als das F-Moll und auch etwas dramatischer.


    Op 20/6 im Vergleich mit op 76/2: Auch hier zwei sehr kontrastierende Stücke, jedoch ist das Werk aus op 20 diesmal das heitere und unbeschwerte Werk, während das aus op 76 eher düstere Töne anschlägt. Das A-Dur Werk eröffnet mit einem plaudernden Satz in 6/8 Takt der selbst in der Durchführung noch heiter wirkt. Der Kopfsatz vom D-Moll Quartett ist der berühmte Satz der dem Quartett seinen Namen “Quintenquartett” gegeben hat. Die Musik hier ist kompromisslos und düster und hellt auch gegen Ende nicht zu Dur auf, wie wir es bei späten Haydn eigentlich gewohnt sind. Wenn es bei diesen beiden Quartetten Ähnlichkeiten gibt, dann in den langsamen Sätzen. Beide sind umkomplizierte und serenadenhafte Sätze. Während der vom D-Moll Quartett eher gedacht ist einen Kontrast zu dem sehr dichten und anspruchsvollen Kopfsatz zu bieten, fügt sich der vom A-Dur Quartett in die Stimmungslage des gesamten Werks ein. Die beiden Menuette bieten wieder den selben Kontrast wie die Kopfsätze: heitere Unbeschwertheit im A-Dur versus düstere Kompromisslosigkeit im D-Moll. Die Finali der zwei Quartette weisen jeweils eine kleine Überraschung auf. Das von A-Dur ist eine Fuge, unerwartet in diesem Quartett, wo man eher mit einem Kehraus gerechnet hätte. Obwohl die Fuge natürlich ein gelehrtes Stück ist, ändert sich der Tonfall des Quartetts nicht und Haydn schließt es genauso heiter ab wie er begonnen hat. Das Finale des D-Moll Quartetts beginnt zwar in Moll, ist aber nicht so kompromisslos wie der Kopfsatz und das Menuett. Eine leicht ungarische Note sorgt für eine entspanntere Atmosphere und das Quartett endet schließlich in D-Dur.


    2. Abend:


    Op 20/2 im Vergleich mit op 76/3: Hier sind beide Quartette in C-Dur und beide sind meiner Meinung nach die prächtigsten Quartette ihrer jeweiligen Werkgruppen. Die Kopfsätze der Quartette strahlen eine beinahe royale Atmosphere aus, die aber auf verschiedene Weise erreicht wird. Op 20/2 hat dieses strahlende Thema, das zuerst im Cello ertönt und dann im Laufe des Satzes immer wieder auf neue Art verarbeitet wird. Zusätzlich gibt es auch einige Themen wo Instrumente paarweise gegeneinander spielen, was auch zu einer gewissen noblen Atmosphere beiträgt. Im “Kaiserquartett” (op 76/3) wird die gehobene Stimmung primär durch punktierte Rhythmen und einer Schreibweise die fast schon orchestral wirkt erreicht. Beide Werke haben aber auch ihre dramatischen Momente. In op 20/2 ist es der erstaunliche langsame Satz der den dramatischen Mittelpunkt des Quartetts darstellt, während in op 76/3 das C-Moll Finale fast wie eine musikalische Schlacht daherkommt. Beide Menuette haben etwas volkstümliches an sich: Op 20/2 mit einem Bordun Bass, op 76/3 ist ein unkomplizierter Ländler. Beide Trios sind in Moll und geben den jeweiligen Menuetten eine nachdenkliche Note. Das Finale von op 20/2 ist eine Fuge auf vier(!) Themen und bietet einen prachtvollen Abschluss zu diesem Quartett. Op 76/3 ist in seiner Weise auch ein politisches Statement, in dem Haydn seine kurz zuvor komponierte Kaiserhymne als langsamen Satz vier mal variiert. Die Melodie selber bleibt unangetastet, lediglich die Begleitung und die Lage werden geändert.


    Op 20/3 im Vergleich mit op 76/4: Hier handelt es sich um zwei von Haydns erstaunlichsten Quartetten, die jedoch ausser die Vorzeichen (G-Moll und B-Dur) kaum etwas gemeinsam haben. Das G-Moll Quartett beginnt mit einen turbulentem und schroffen Kopfsatz der auf ein unsymmetrischen Thema basiert, das von selbst nach B-Dur moduliert (Haydn war am Anfang gerade einmal 3 bis 4 Sekunden in G-Moll). Dieses Thema ist so instabil, dass es in der Reprise fast einen Gewaltakt vom Cello braucht, um die Musik in G-Moll zu halten. Der ganze Kopfsatz wirkt daher wie ein turbulenter und instabiler Raum, der erst im anschließenden Menuett zur Ruhe gebracht wird. Der Kopfsatz von op 76/4 beginnt mit dem berühmten Sonnenaufgangsthema, das von der ersten Violine über einen gehaltenen Akkord der anderen Instrumente ertönt. Nach einem nochmaligen Statements des Themas ertönt ein Motiv in der Bratsche das immer wieder im Laufe des Satzes vorkommen wird. Die Stimmung hier ist ruhig und entspannt (fast zeitlos) so wie ein früher Morgen auf dem Land. Schnellere Passagen sorgen für den nötigen Kontrast in diesem sehr stabilen und ausgeglichenen Satz. Die langsamen Sätze der Quartette stellen vielleicht die einzige Gemeinsamkeit dar. Sie sind hymnenartige Sätze im 3/4 Takt. Während der Es-Dur Satz des B-Dur Quartetts die ruhige Stimmung weiterführt, bietet der G-Dur Satz aus dem G-Moll Quartett einen nötigen Ruhepol zu den turbulenten G-Moll Sätzen des restlichen Quartetts. Das jubelnde Menuett von op 76/4 ist wieder im starken Kontrast zu dem melancholischen Menuett aus op 20/3. Das Finale des G-Moll Werks bringt die Stimmung des Kopfsatzes wieder, während das Finale des B-Dur Quartetts ein heiteres Rondo ist, das gegen Ende beschleunigt wird, bevor es virtuos abschließt.


    3. Abend:


    Op 20/4 im Vergleich mit op 76/5: Wieder zwei Quartette in der gleichen Tonart, diesmal D-Dur. Zwar gibt es hier auch einige Unterschiede, wie zu Beispiel die Länge der Werke. Op 20/4 ist ein sehr langes und ausgedehntes Werk, während op 76/5 ein sehr konzentriertes Quartett ist in dem es, ausser im Menuett, keine einzige Wiederholung gibt. Aber interessant sind hier die Gemeinsamkeiten der beiden Quartette. Beide beginnen mit einem entspannten Satz, in op 20/4 ein Allegro di molto in 3/4 Takt und in op 76/5 ein Allegretto in 6/8 Takt, das zum Schluss zu ein Allegro beschleunigt wird. Beide haben sehr rhythmisch geprägte Themen, pochende Vierteln im op 20 Werk, während das Quartett aus op 76 ein Siziliano Rhythmus aufweist. Der zentrale Satz bei beiden Werken ist der zweite. Op 20/4 hat einen profunden Variationssatz in D-Moll, wahrscheinlich der größte seiner Zeit. Ich persönlich kenne keine Variationen aus den 1770er die auch nur in die Nähe dieses Satzes kommen würden. Die drei Variationen sind gar nicht so sehr auf Dekoration aus, sondern eher auf die Verschiebung des Themas zu den anderen Instrumenten. Zweite Geige und Viola führen die erste Variation an, das Cello die zweite und die erste Violine die dritte. Eine ausführliche Coda, die wie eine Durchführung wirkt, schließt den Satz ab, der keine einzige Variation in Dur aufweist. Zum berühmten Largo aus dem Quartett op 76/5 muss ich nicht wirklich viel schreiben. Es ist einer der schönsten Sätze in der gesamten Quartett Literatur und erstaunt mich immer wieder wenn ich es höre. Die Tonart ist auffällig, Fis-Dur anstatt dem gewohnten G-Dur oder A-Dur. Das gibt den ganzen Satz einen hellen und fast überirdischen Klang. Der Satz ist in Sonatenform, wobei das zweite Thema ein Kontrapunkt zum ersten ist, das hier vom Cello und dann der Viola gespielt wird. Beide Menuette spielen mit Verschiebungen vom 3/4 Takt zu 2/4 Takt und beide geben den Cello ein Solo im Trio. Und beide Finali schließen ihre jeweiligen Quartette mit ungarischer Note ab.


    Op 20/1 im Vergleich mit op 76/6: Die letzten Quartette ihrer Serien sind beide in Es-Dur. Keiner der beiden hat das Drama seiner Vorgänger, sondern beide sind eher introvertierte und reflektierende Werke. Op 20/1 beginnt mit einem sehr entspannten Satz, der die Musik auf alle Instrumente aufteilt. Der demokratischer Diskurs aller Instrumente war einer der Errungenschaften von op 20 und hier wird das mit Leichtigkeit und Eleganz praktiziert. Der Kopfsatz von op 76/6 ist der berühmte (berüchtigter?) Variationssatz über nichts. Es ist nicht wirklich ein Thema das hier variiert wird, sondern eher eine Progression. Erst in der Codetta hört man etwas was man eine Melodie nennen könnte. Vielen Leuten stösst dieser Satz vor dem Kopf, ich jedoch finde diesen Satz ein gewagtes und geniales Experiment. Die Atmosphere hier ist entspannt und konfliktlos und endet mit einen Fugato in Allegro Tempo (Das Grundtempo war ein Allegretto). Mich erinnert der Satz etwas an einer barocken Ouvertüre, was in der zweiten Variation mit Trillern und punktierten Rhythmen noch hervorgehoben wird. Die langsamen Sätze der beiden Quartette gehören wiederum zu den Höhepunkten der gesamten Quartett Literatur. Das Affetuoso von op 20/1 (hier an dritter Stelle) ist eine Progression die dadurch entsteht dass alle Instrumente ihre eigene Melodie (oder Linie) die ganze Zeit durchspielen. Das wird hin und wieder von einem Solo der Ersten Violine unterbrochen. Ansonsten spielen zu jedem Zeitpunkt alle vier Instrumente gleichzeitig. Das Resultat ist ein Satz der zeitlos und überirdisch wirkt, fast so eine Art himmlischer Hymnus. Die Fantasia von op 76/6 in H-Dur ist ein außergewöhnlicher Satz der anfänglich nicht einmal mit Vorzeichen versehen ist, weil Haydn in der ersten Hälfte des Satzes in alle möglichen Tonarten moduliert. Erst in der zweiten Hälfte des Satzes setzt Haydn die Vorzeichen. Hier erklingt auch eine wunderschöne Fuge, die das gefundene H-Dur zelebriert und dann den Satz mit einer abschließenden Coda zu Ende bringt. Auch dieser Satz hat eine Art überirdische Schönheit an sich und wurde von Hans Keller als “Luft von einem anderen Planeten” beschrieben (in Verbindung mit Arnold Schönberg und Atonalität). Die Menuette und Finali der beiden Quartette sind jedoch wieder verschieden. In op 20/1 sind beide eher leichtere Sätze, das Finale eine Art von Kehraus. Das Menuett von op 76/6 hingegen ist ein vollblütiges Scherzo. Statt eines Trios schreibt Haydn hier ein Alternativo das man leicht als “Die Kunst der Tonleiter” bezeichnen könnte. Auch das Finale ist ein gewichtiger Satz, der fast ausschließlich mit Themen die auf Tonleitern basieren auskommt.


    Fazit:


    Wie schon oben gesagt, sind beide Opera unverzichtbar und sollten ein Teil jeder Haydn Sammlung sein, so fern man Haydns Quartette schätzt. Und obwohl ich persönlich op 76 etwas mehr mag als op 20 (jedoch nicht immer;)), sind beide Opera für mich gleichwertig. Der Vergleich zeigt aufs Erste den großen Kontrast zwischen zwei Werkgruppen die 25 Jahre auseinander liegen. Aber es gibt auch einige Übereinstimmungen und es ist faszinierend wie Haydn den gleichen Effekt mit verschiedenen Mitteln erreicht (C-Dur Quartette). Der Vergleich zeigt auch wie vielschichtig Haydns Quartette eigentlich sind und wie wichtig es ist diese Musik bewusst zu hören.


    LG aus Wien.:hello: