Arnold Schönberg
Erwartung
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Monodram in einem Akt (4 Szenen)
Libretto von Marie Pappenheim
in deutscher Sprache
Uraufführung am 06. Juni 1924 in Prag
Die Handlung spielt am Rande und im Dunkel eines Waldes
Zeit: Gegenwart, in der Nacht
Aufführungsdauer: 30 Minuten
Die Personen:
Eine Frau (Sopran)
Orchester
1. Szene – Am Rande eines Waldes
Eine Frau kommt entlang des Weges. Sie begibt sich, trotz ihrer Furcht, in das Innere des dunklen Waldes.
In ihrem Monolog erfahren wir, dass sie auf der Suche nach einem Mann ist, dem sie Liebesgefühle entgegenbringt. Die immer wieder wechselnden Andeutungen auf Vergangenes und Gegenwärtiges scheinen auf ein existenzielles Problem hinzuweisen…
2. Szene – Tiefstes Dunkel. Breiter Weg
Die Frau hastet tiefer durch das Gestrüpp in den dunklen Wald hinein. Ihre Angst verstärkt sich in der Dunkelheit durch die Geräusche im Wald.
Sie erinnert sich traurig und enttäuscht an ihren Liebhaber, den sie heute sehnsüchtig erwartete, der aber nicht kam…
3. Szene – Die Frau kommt aus dem Dunkel in eine vom Mond beleuchtete Stelle
Beim Betrachten des Spiels der Schatten im Mondeslicht gleitet die Frau wieder in zärtliche Erinnerung an ihren Geliebten. Sie glaubt, seine Stimme zu hören, ihn zu fühlen; sie spricht mit ihm…
4. Szene – Breite Straße am Waldesrand. Ein Weg führt zu einem Haus
Mit zerrissenem Gewand, verwirrten Haaren und blutigen Rissen an Gesicht und Händen kommt die Frau erschöpf an einen Weg, erblickt das Haus. Dort scheint die Frau zu wohnen, der sich ihr Liebhaber in letzter Zeit zugewendet hat. Sich auf eine Bank niederlassend fasst sie in eine Blutlache, stößt an eine Leiche, es ist ihr Liebhaber. Sie ist entsetzt, rüttelt an ihm, fleht ihn an, wieder aufzuwachen, sie liebe ihn so.
Sie erinnert sich an die zärtlichen und erotischen Momente mit ihm. Sie wolle ihn nicht mehr loslassen, „in deine Augen sehen…Alles Licht kam ja aus deinen Augen…mir schwindelte, wenn ich dich ansah, nun küss ich mich an dir zu Tode“.
Sie wirft ihrem Geliebten vor, in den letzten Monaten wenig Zeit für sie gehabt zu haben; vor kurzem habe er im Halbschlaf einen fremden Namen genannt; er liebe diese fremde Frau, sei ein elender Lügner. Während sie selbst auf ihn wartete, sei er mit der anderen Frau zusammen gewesen, habe sie wohl zärtlich und gierig umarmt.
Zusammenbrechend stellt sie fest, dass sie niemanden jemals so geliebt hat wie ihn; ihr Leben sei nur mit ihm und durch ihn vorstellbar, „denn meine Grenze war der Ort, an dem du warst…und alle Farben der Welt brachen aus deinen Augen“.
Sie sagt ihm, dass ihre Lippen brennen und ihm entgegenleuchten und in Entzücken schreit sie auf:
“Oh, bist du da…Ich suchte“…
Der Vorhang fällt.
Anmerkung: Die obige Inhaltsangabe gibt hauptsächlich das Realgeschehen wieder; der eigentliche Inhalt zeigt sich in den innerlich gleichzeitig vorhandenen, aber nach außen stetig abwechselnd wirkenden intensiven und selbstverzehrenden Seelenzuständen der Frau, ihren Erinnerungen, ihren Ängsten, ihren Phantasien, ihrem Zorn, ihrem Verlangen, ihrer Zärtlichkeit, ihrer Hoffnungslosigkeit, ihrer Hoffnung, ihrem Leiden, ihrer Ohnmacht. So flüchtet sie in die Aufhebung der Grenzen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft…
Ob sie selbst die Mörderin ihres Geliebten war oder nicht, lässt Schönberg offen; für mich war sie es…
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