VERDI, Giuseppe: NABUCCO

  • Giuseppe VERDI
    NABUCCO


    Dramma lirico in quattro parti


    Libretto: Temistocle Solera


    Uraufführung: 9. März 1842, Teatro alla Scala , Milano


    Ort und Zeit der Handlung: Jerusalem und Babylon, 6.Jhdt. v. Chr. (597 v.Chr. erfolgte die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II )


    Personen der Handlung:


    Nabucco, König von Babylon (Bariton)
    Ismael, Neffe des Sedecia, Königs von Jerusalem (Tenor)
    Zaccaria, Hohepriester der Juden (Bass)
    Abigail, Sklavin, die für die erstgeborene Tochter Nabuccos gehalten
    wird (Sopran)
    Fenena, Nabuccos Tocher (Mezzosopran)
    Oberpriester des Baal (Bass)
    Abdallo, alter Offizier im Dienste Nabuccos (Tenor)
    Anna, Schwester des Zaccaria (Sopran)


    HANDLUNG


    1. TEIL: Jerusalem


    So sprach der Herr: "Siehe, ich übergebe diese Stadt dem babylonischen König; er wird sie mit Feuer verbrenne." (Jeremia 32)


    Im Inneren des Tempels von Jerusalem beklagen Juden, Leviten und jüdische Jungfrauen die entsetzlichen Greueltaten der assyrischen Eroberer. Die Mädchen flehen Jehova an, die Feinde zu vernichten und von Davids Thron zu vertreiben.
    Der Hohepriester Zaccaria führt Fenena herein, Nabuccos Tochter, die man gefangen genommen hat. Diese kostbare Geisel, so zeigt sich der Priester zuversichtlich, wird dem jüdischen Volk den Frieden bringen. Er übergibt sie Ismael, er solle die "Erste unter den Assyrerinnen" gut bewachen, bis der mächtige Gott Abrahams den heidnischen Baal besiegt hat. Als die beiden allein sind, zeigt sich, dass sie einander weder unbekannt noch gleichgültig sind: Als judäischer Botschafter in Babylon eingekerkert, hat ihm Fenana zur Flucht verholfen und sich damit den Hass ihrer Schwester Abigail zugezogen, die Ismael "mit wilder Liebe verfolgte". Nun will er ihr den Weg in die Freiheit öffnen, seine heilige Pflicht für sie ebenso verletzen wie sie es einst für ihn getan hat. Eben will er sie durch eine geheime Pforte hinauslassen, als Abigail mit einem Trupp babylonischer Krieger, die sich als Juden verkleidet und mit dieser List des Tempels bemächtigt haben, hereintritt. Rasend vor Eifersucht erblickt sie das Liebespaar und wütet, dass "Di mia vendetta il fulmine" (der Blitzstrahl ihrer Rache) sie vernichten werde. Doch dann erinnert sie Ismael daran, dass sie einst bereit war, nicht nur ihr Herz, sondern ein Königreich mit ihm zu teilen, und wenn er nun ihre Liebe erwidere, könne er sein Volk retten. Aber stolz bekennt er, dass er ihr wohl sein Leben, aber niemals sein Herz schenken könne.
    Verzweifelt strömt das jüdische Volk in den Tempel, die assyrischen Soldaten sind ihnen bereits auf den Fersen. "Viva Nabucco!" triumphiert da Abigail, und Ismael klärt den entsetzten Zaccaria auf, dass sie es gewesen ist, der den "Gottlosen" Zugang zum Tempel verschafft hat.
    Nabucco sprengt mit seinem Pferd über die Schwelle. Zaccaria setzt Fenena seinen Dolch an den Hals und droht sie zu töten, sollte das Haus Gottes geschändet werden. Vergeblich fleht Fenena den Vater an, Mitleid mit dem jüdischen Volk zu haben und Gnade walten zu lassen, dieser pocht auf das Recht des Eroberers, dem sich niemand widersetzen könne. Als Zaccaria ernst zu machen droht, springt Ismael dazwischen und entreißt ihm das Mädchen, das in die Arme des Vaters flüchtet. In wilder Freude befiehlt Nabucco, den Tempel zu zerstören und einen Teil der Bevölkerung zu massakrieren. (Der kampffähige Rest wird nach Babylon deportiert.) Abigail will "questo popolo maledetto" von der Erde getilgt sehen und hofft, dass der Hass die unselige Liebe in ihrem Herzen auslöschen werde. Ismael jedoch wird von Zaccaria und den Juden verflucht und als Verräter aus seinem Volk ausgestoßen.


    2. TEIL: Der Gottlose


    Sieh da! Der Sturmwind des Herren erhebt sich,
    er wird auf das Haupt des Gottlosen niederfahren! (Jeremia 30)


    Gemächer des Königspalastes zu Babylon. Abigail hat dem schlafenden König ein Schriftstück entwendet, aus dem hervorgeht, dass sie keineswegs königlicher Abstammung, sondern das Kind von Sklaven ist. Während sie das Volk immer noch für die legitime Erstgeborene hält, muss sie die Schmach erdulden, dass Nabucco, der noch immer mit der Niederwerfung Judäas beschaftigt ist, nicht sie, sondern Fenena als Regentin für die Zeit seiner Abwesenheit eingesetzt hat. Abigail schwört blutige Rache für das ihr zugefügte Unrecht, Rache an Fenena, am vermeintlichen Vater, am ganzen Königreich, selbst wenn der Preis dafür ihr eigenes Leben ist. Nur kurz besinnt sie sich und sehnt sich nach der Zeit zurück, als ihr Herz noch nicht vom Hass vergiftet, sondern voll Liebe und Mitgefühl war.
    Der Priester des Baal führt Klage über Fenena, die den Juden uneingeschränkte Bewegungsfreiheit gewähre. Deshalb hätten die Priester das Gerücht ausgestreut, der König sei gefallen, und sie, Abigail, sei die neue Königin, nach der das Volk verlange. Natürlich ist sie nur zu gerne bereit, die "blutigen Stufen des goldenen Thrones" zu erklimmen, von dem aus sie ihre Rache vollziehen könne.
    In einem anderen Saal des Königspalastes lässt sich Zaccaria die heiligen Gesetzestafeln bringen und deutet geheimnisvoll an, er werde "eine Ungläubige aus der Finsternis führen". Gemeint ist Fenena, zu der er sich nun begibt. Ismael hat auf Geheiß Zaccarias die Leviten rufen lassen, die bei seinem Anblick entsetzt zurückweichen, denn mit einem Verfemten dürfe es keinen Kontakt geben. Während der junge Mann sie "per amor del Dio" anfleht, ihn nicht länger zu verfluchen, treten Zaccaria, seine Schwester Anna und Fenena hinzu. Der Hohepriester verkündet, der Bann gegen Ismael sei aufgehoben, denn er habe keine Feindin, sondern eine Jüdin gerettet. Noch bevor die verwirrten Leviten den Sinn dieser Botschaft begreifen, stürzt Abdallo, ein alter Offizier des Königs, herein, um Fenena zu warnen: König Nabucco sei tot, das Volk wolle Abigail als neue Herrscherin sehen! Da wird diese auch schon von den Priestern des Baal hereingeführt und fordert die Schwester auf, die Insignien der Macht abzulegen, was diese mit "Pria moriro!" (Eher werde ich sterben!) quittiert.
    Mitten in diesen Tumult platzt der totgeglaubte Nabucco. Er greift nach der Krone und erklärt sich zum ungläubigen Entsetzen von Babyloniern und Juden zum einzig wahren Gott, die anderen Götter existierten nicht mehr: Jehova habe er besiegt, Baal, der das Volk zum Verräter an ihm, dem König, gemacht habe, werde er zu Boden werfen. "V'e il sol Num, il vostro Re!" (Es gibt nur einen einzigen Gott, euren König!) Dann fordert er die Proskynese. Als sich Zaccaria widersetzt, befiehlt Nabucco, ihn gemeinsam mit den anderen Juden zu töten. Dazu gehöre sie auch, bekennt Fenena: "Sono Ebrea!" Nabucco glaubt es nicht und zwingt sie auf die Knie, damit sie ihm göttliche Verehrung erweise. "Non sono piu Re, sono Dio!" Bei diesen Wort trifft ihn ein Blitzstrahl, schleudert die Krone von seinem Kopf und verwirrt seinen Geist. Während Nabucco von einem Himmel fantasiert, der rot von Blut ist, und ohnmächtig zu Boden stürzt, greift Abigail nach der Krone.


    3. TEIL: Die Prophezeiung


    Die wilden Tiere der Wüste werden in Babylon ihre Heimstatt haben gemeinsam mit den Uhus, und die Sperbereulen werden dort hausen.
    (Jeremia 51)


    Abigail sitzt auf dem Thron, umgeben von den Mächtigen ihres Reiches und nimmt deren Huldigungen entgegen. Sie sei auf Erden so mächtig wie Baal und der Schrecken ihrer Feinde. Die Priester fordern die endgültige Vernichtung der Juden, vor allem aber der Verräterin Fenena.
    Da torkelt der total verwahrloste Nabucco herein und will seinen Thron besteigen. Abigail schickt alle hinaus. Der König erkennt sie nicht, was Abigail geschickt ausnützt. Sie bezeichnet sich als "Hüterin seines Thrones", beschwichtigt das Misstrauen, das in hellen Momenten immer wieder bei ihm durchblitzt, und bringt ihn listig dazu, das Todesurteil für die Juden mit seinem königlichen Siegel zu bestätigen.
    Allmählich klärt sich Nabuccos Verstand und er fragt nach Fenena. Schnell übergibt Abigail das Todesurteil einem Boten und erklärt höhnisch, dass auch die "Infame, die sich einem falschen Gott ergab", sterben werde. Nun will der König die falsche Tochter als Sklavin entlarven, doch der schriftliche Beweis, den er immer bei sich getragen hat, ist verschwunden. Triumphierend zerreißt Abigail das Pergament vor seinen Augen, und während Nabucco sein bedauernswertes Schicksal beklagt, weidet sie sich an der Vorstellung: "Könige und Völker werden zu Füßen einer gemeinen Sklavin niedersinken!"
    Unter den Klängen der Posaunen wird das Todesurteil für die Juden verkündet. Vergeblich ruft Nabucco nach seinen Wachen, er erkennt, dass er selbst ein Gefangener ist. Noch einmal appelliert er an Abigails Mitgefühl: Er will auf Reich und Krone verzichten, wenn dafür das Todesurteil gegen Fenena aufgehoben wird, doch sie bleibt unerbittlich in ihrem Hass.
    An den Ufern des Euphrat stöhnen die gefangenen Juden bei der Zwangsarbeit und träumen von der fernen Heimat. "Va, pensiero, sull' ali dorate" - auf goldenen Flügeln sollen ihre Gedanken heim fliegen und die Ufer des Jordan grüßen. Da kommt Zaccaria und tadelt sie wegen ihrer Verzagtheit. Er prophezeit ihnen die baldige Erlösung aus unwürdiger Sklaverei, das stolze Babylon werde in Schutt und Asche versinken. Seine feurigen Worte rütteln die Juden aus ihrer Lethargie auf und sie erwarten nun voller Zuversicht den Tag, an dem die Ketten der Gefangenschaft zerbrechen werden.


    4. TEIL: Das gestürzte Götzenbild


    Baal ist verwirrt: Seine Götzenbilder sind in Stücke zerfallen (Jeremias
    48)


    Nabucco erwacht aus schweren Träumen, die ihm die blutige Unterwerfung Zions gezeigt haben. Von draußen dringen Stimmen herein, die Fenenas Namen rufen. Entsetzt sieht er wie sie inmitten der Juden zur Hinrichtung geführt wird. Aber seine Gemach ist von außen verschlossen. Er ruft den Gott der Juden an, verspricht, die zerstörten Tempel wieder aufrichten zu lassen und seinen falschen Göttern abzuschwören. Das Gebet verleiht ihm die Kraft, die Türe aufzusprengen. Nabucco ruft seine Getreuen zu den Waffen, um Fenena zu retten und den Thron zurückzuerobern. Abdallo und die Krieger erkennen, dass ihr König endlich wieder zu Verstand gekommen ist, und folgen ihm willig in den Kampf.
    Im Säulenhof des Tempels werden die letzten Vorbereitungen zu den Hinrichtungen getroffen. Gefasst erwartet Fenena den Tod, sie sehnt sich danach, bald die ewigen Freuden des Himmels zu erblicken. Da dringt ein "Vivat Nabucco!" an ihr Ohr, der König und seine Getreuen stürmen den Tempel und kippen das Götzenbild des Baal von seinem Sockel. Nabucco preist Jehova, der den gottlosen Tyrannen in den Wahnsinn getrieben, dem reuevollen König aber Frieden geschenkt habe. Das Volk Israels aber möge heimkehren, ein neuer Tempel werde an Stelle des zerstörten entstehen.
    Da schleppt sich die sterbende Abigail herein und bekennt ihre schwere Schuld. Mit letzter Kraft bittet sie Fenena um Verzeihung, der König möge die Verbindung der beiden Liebenden billigen. Dann betet sie zu Jehova, der "die Betrübten erhebt", und empfiehlt sich seiner Gnade, bevor sie tot zu Boden sinkt. Zaccaria aber proklamiert Nabucco zum "König der Könige" im Dienste Jehovas.


    Severina