ROSSINI, Gioacchino: OTELLO

  • Gioacchino ROSSINI
    OTELLO


    Dramma in tre atti


    Libretto: Marchese Francesco Berio di Salsa


    Uraufführung: 4. Dezember 1816, Teatro del Fondo, Neapel


    Ort und Zeit der Handlung: Venedig, Ende des 15.Jhdts.


    Personen der Handlung:


    Otello, ein Afrikaner im Dienste Venedigs (Tenor)
    Desdemona, heimliche Ehefrau von Otello (Sopran)
    Elmiro, Desdemonas Vater (Bariton)
    Rodrigo, Desdemonas abgewiesener Verehrer (Tenor)
    Jago, heimlicher Feind von Otello (Tenor)
    Emilia, Desdemonas Vertraute (Mezzosopran)
    Doge von Venedig (Tenor)
    Lucio, Otellos Vertrauter (Tenor)
    Gondoliere (Tenor)


    Verlauf der Handlung


    1. AKT:


    Otello, Feldherr im Dienste des Dogen, kehrt siegreich aus dem Krieg gegen die Türken nach Venedig zurück und wird vom Volk jubelnd empfangen. Er überreicht dem Dogen sein Schwert, da es nach der Rückeroberung Zyperns für ihn nichts mehr zu tun gebe, sowie Waffen und Banner der Besiegten. Auf die Frage des Dogen, welche Belohnung er sich nun erbitte, antwortet Otello, er wünsche sich nur sein Vertrauen, dass er, der "Sohn Afrikas", nun von Venedig, das er mehr liebe als sein Vaterland, als Sohn akzeptiert werde. Der Doge gibt ihm sein Schwert zurück und krönt ihn mit dem Lorbeer des Siegers, was Jago und Rodrigo mit wachsendem Grimm beobachten.
    Rodrigo, der Sohn des Dogen, fürchtet, dass er nun seine Liebe zu Desdemona endgültig begraben muss, weiß er doch, dass ihr Herz Otello gehört.
    Dieser bedankt sich inzwischen für die Gunstbezeigungen, die ihm, dem Fremdling, der an Aussehen und Sitten so verschieden sei, doch gar nicht zustünden. Helden würden überall geboren und überall respektiert, entgegnet ihm der Doge. Otello ist zwar stolz auf diese Wertschätzung, wünscht sich jedoch insgeheim, dass diese Ehrungen von der Liebe gekrönt werden. Unter dem Jubel des Volkes endet diese erste Szene.
    Rodrigo spricht bei Elmiro, Desdemonas Vater, vor und will in erster Linie wissen, wie es um seine Chancen bei dem Mädchen bestellt sei, ob sie während seiner Abwesenheit an ihn gedacht habe. Desdemona weine und seufze viel, den wahren Grund ihres Kummers habe sie ihm aber nicht enthüllt, erwidert Elmiro. Dann vertröstet er Rodrigo auf später, denn die Fanfaren riefen ihn zur Siegesfeier.
    Rodrigo hält das aber für eine Ausflucht und argwöhnt, dass der Senator, geblendet vom "falschen Ruhm des unverschämten Afrikaners", nun vielleicht doch seine Zustimmung zu einer Verbindung Desdemonas und Otellos geben werde. Doch sein Freund Jago beruhigt ihn: Er solle ihm nur vertrauen, denn selbst wenn Otello tatsächlich die Kühnheit besäße um das Mädchen zu werben, so kenne er, Jago, eine Waffe, um diese Anmaßung zu parieren. Diese Waffe ist ein Brief Desdemonas (von dem später noch die Rede sein wird), den er in seinen Besitz gebracht hat und mit dessen Hilfe er eine Intrige spinnen will, in der sich alle Beteiligten tödlich verstricken werden. Allerdings hält er mit Details noch an sich - Rodrigo solle sich nur ganz auf ihre Freundschaft verlassen, denn das gemeinsame Ziel binde sie mit jedem Tag inniger aneinander.
    In Elmiros Palast versucht Emilia, die Vertraute Desdemonas, ihre Herrin aufzurichten: Ihr Liebster sei als umjubelter Kriegsheld zurückgekehrt, wozu also immer noch diese Leidensmiene? Aber Desdemona sieht sich als Opfer eines "cruel destino" (grausamen Schicksals), denn je höher Otellos Ruhm steige, desto unerbitterlicher werde ihres Vaters Hass auf ihn und seine Zustimmung zu ihrer Verbindung daher immer utopischer.
    Außerdem fürchtet sie, Otello zweifle bereits an ihrer Treue. Elmiro ertappte sie nämlich dabei, als sie einen Brief an ihren Liebsten schrieb, dem sie eine Haarlocke beifügte. Der Vater dachte, er sei an ihren Verehrer Rodrigo gerichtet, und sie bestätigte dies und adressierte das Blatt an Otellos Rivalen. (Es ist genau der Brief, den Jago, wie auch immer, in seinen Besitz gebracht hat!) Seit dieser Zeit wartet Desdemona vergeblich auf Botschaften von ihrem Liebsten, und sie fürchtet, dass er von dieser vermeintlichen Liebesgabe an Rodrigo erfahren habe und nun an ihrer Treue zweifle. Doch Emilia beruhigt sie, sie sähe nur Gespenster. Als sich Jago nähert, entfernen sich die beiden rasch.
    Verächtlich blickt Jago den Frauen nach. Einst hat er selbst um Desdemona geworben, aber nicht aus Liebe, sondern weil er sich davon einen Vorteil für seine Karriere versprochen hat, doch sie hat ihn wegen eines "feigen Afrikaners" verschmäht. Dafür soll sie nun büßen "Lo giuro!" - und zwar mit Hilfe des entwendeten Liebesbeweises.
    Rodrigo scheint am Ziel seiner Wünsche, denn Elmiro bietet ihm die Hand seiner Tochter an. Wenn sie erst einmal "per sangue e per amor" verbunden seien, könnten sie gemeinsam den verhassten Otello stürzen. Jago solle daher schleunigst die Hochzeit vorbereiten. Die beiden Freunde gehen triumphierend ab und Elmiro fasst noch einmal seine Rachegelüste zusammen: Er will nicht länger einem "barbarischen Fremden" dienen und gehorchen.
    Als Desdemona wenig später in banger Vorahnung ihren Vater begrüßt, stellt er ihr ein frohes Ereignis, einen großen "Preis" in Aussicht, der den Kummer in ihren Augen tilgen und sie glücklich machen werde. Während sie sich von Emilia ihr Festkleid anlegen lässt, schwankt sie zwischen Angst und Hoffnung. Doch ihre Vertraute sieht noch immer alles durch die rosarote Brille: Otellos Ruhm habe den Vater sicher milder gestimmt und er würde nun die Zustimmung zu ihrer Verbindung geben.
    In einem festlich geschmückten Saal erwarten Elmiro, Rodrigo, Jago und ihre Gefolgsleute die Frauen. Zu Desdemonas Entsetzen fordert der Vater sie auf, Rodrigo ewige Teue zu schwören, er sei der Einzige, der sie glücklich machen könne. Ihre panische Reaktion erregt den Zorn Elmiros, der ihr im Falle einer Weigerung harte Strafen androht, während Rodrigo sie verzweifelt anfleht, ihm ihr Herz zu schenken.
    Da platzt Otello herein, erblickt Desdemona an der Seite seines Rivalen und zieht natürlich sofort die falschen Schlüsse. Ein heftiger Tumult entsteht, in dem alle aufeinander eindringen. Otello reklamiert Desdemona für sich, sie habe ihm ewige Liebe und Treue geschworen. Desdemona bestätigt dies und wird darauf von ihrem Vater verflucht, während Rodrigo und Otello sich gegenseitig blutige Vergeltung versprechen.


    2. AKT


    Rodrigo versucht Desdemona umzustimmen und von seiner ehrlichen Liebe zu überzeugen , er würde alles tun, um sie glücklich zu machen. Dann solle er den Vater mit ihr versöhnen und beweisen, dass er Großmut besitze. Als Rodrigo ihre Liebe zu Otello anspricht, gesteht (oder behauptet?) sie, mit ihm verheiratet zu sein. Sie habe seine Liebe verraten, und nun werde er den Verräter bestrafen - mit dieser Drohung stürzt Rodrigo davon.
    Desdemona ist verzweifelt. Otello lässt sich nicht blicken, hat sie also offensichtlich verlassen, und nun droht ihm auch noch Gefahr durch den eifersüchtigen Rivalen. Entgegen Emilias Warnung, der Vater könnte dahinter kommen, beschließt sie ihn zu suchen, um das Schlimmste zu verhindern. Emilia möchte ihr heimlich folgen, will vorher aber noch Freunde als Verstärkung holen.
    Otello sitzt in seinem Garten, das Herz zerrissen von Zweifeln. Da kommt Jago und mimt den scheinbar besorgten Freund. Er ergeht sich so lange in vagen Andeutungen über Desdemonas Untreue, bis ihn Otello zwingt, die "Wahrheit" zu sagen. Nun händigt er ihm den Brief mit der Locke aus, den Desdemona an ihren Liebsten geschrieben, aber, um den Vater zu täuschen, an Rodrigo adressiert hat. In rasender Eifersucht liest Otello den vermeintlichen Beweis von Desdemonas Treuebruch, während Jago frohlockt, weil sein teuflischer Plan so schön aufgeht. Otello schwört Rache - Desdemona und Rodrigo sollen sterben, danach würde er sich selbst töten.
    Kaum ist Jago weg, nicht ohne vorher dem "Freund" versichert zu haben, für dessen Ehre kämpfen zu wollen, erscheint Rodrigo. Er komme entweder als Feind oder als Freund, ganz wie es Otello wünsche. Dieser sieht aber nur einen neuerlichen Betrug in der versöhnlichen Geste seines Rivalen und provoziert mit seiner Antwort ("Io ti disprezzo!" - ich verachte dich) den endgültigen Bruch. Diese Beleidigung muss gesühnt werden, und mit dem Ruf "All'armi" ziehen die Männer ihre Degen. Da stürzt Desdemona herein und trennt die Kämpfenden. Vergeblich versucht sie Otello von ihrer Unschuld zu überzeugen, blind vor Eifersucht will er nichts hören. Während die beiden Männer den Garten verlassen, um ihr unterbrochenes Duell an einem anderen Ort fortzusetzen, sinkt Desdemona ohnmächtig zu Boden.
    Emilia findet die noch immer Besinnungslose und versucht verzweifelt sie ins Leben zurückzuholen. Endlich schlägt Desdemona die Augen auf, erinnert sich nach kurzer Verwirrung an das Vorgefallene und fleht zu Gott: Wenn er sie schon von ihrem Liebsten trennt, möge er wenigstens sein Leben retten und statt dessen sie töten. Kurz darauf bringen ihre Mädchen die Nachricht, dass Otello lebe und außer Gefahr sei.
    Elmiro tritt hinzu und bezichtigt Desdemona, die Familienehre geschändet zu haben. Vergeblich bittet sie um Vergebung und Barmherzigkeit - ein Kind, das seine Eltern nicht ehre, verdiene kein Mitleid.


    AKT 3


    Verzweifelt sitzt Desdemona in ihrem Schlafgemach. Sie hat jede Hoffnung aufgegeben, Otello wiederzusehen. Als das wehmütige Lied eines Gondoliere durchs Fenster hereindringt, der seine Freude über die Heimkehr zu seiner Familie besingt, bricht sie in Tränen aus. Sie erinnert sich an die afrikanische Sklavin und Freundin Isaura, die an gebrochenem Herzen starb, nachdem ihr Liebster sie verlassen hatte, und sieht ihr Leben ähnlich verlaufen.
    Desdemona entlässt Emilia "mit dem letzten Kuss einer Freundin" und schließt in ihr Nachtgebet die Bitte ein, Otello möge kommen und sie trösten oder zumindest ihre Urne mit seinen Tränen netzen. Dann schläft sie ein.
    Durch eine Geheimtüre betritt Otello den Raum, Jago habe seine Schritte hierher gelenkt und werde ihn nun von seinem Rivalen Rodrigo befreien. Er betrachtet die schlafende Desdemona und ist hin und hergerissen zwischen seiner Eifersucht, seinem Verlangen nach Rache und seiner Liebe zu ihr, die durch ihre Schönheit neu angefacht wird. Ihr Anblick rührt ihn und lässt die Hand mit dem bereits erhobenen Dolch zögern. Doch als sich mit Blitz und Donner ein heftiges Gewitter entlädt, sieht er darin eine Aufforderung des Himmels, seine Rache zu vollenden. Da erwacht Desdemona, erkennt Otello, aber auch, dass er nicht als liebevoller Ehemann gekommen ist. Sie beteuert noch einmal, ihm immer treu gewesen zu sein, ihre einzige Schuld bestünde darin, ihn zu lieben, er möge sie töten, wenn er ihr nicht glaubt. Das habe er vor, kontert Otello, aber auch ihr Liebster würde eben den Tod erleiden, und zwar durch Jagos Hand. (*) Vergeblich vesucht Desdemona ihn zu überzeugen, dass er einem "vile traditor", einem feigen Verräter, sein Vertrauen geschenkt habe, Otello ist für vernünftige Argumente längst nicht mehr zugänglich und steigert sich immer mehr in seine Raserei hinein, während draußen das Gewitter immer heftiger tobt. Schließlich ersticht er seine Frau und verhüllt ihre Leiche mit den Bettvorhängen.
    Sein Vertrauter Lucio überbringt die Nachricht, dass nicht Rodrigo, sondern Jago im Duell unterlegen sei und seine Intrigenspiel gestanden habe. Alles werde sich nun um Guten wenden.
    Der Doge, Elmiro, Rodrigo und Gefolgsleute treten ein. Der Doge überbringt Otello den Generalpardon des Senats, Elmiro will ihn nun als Vater in die Arme schließen und Rodrigo beteuert, die schließlich entlarvte Perfidie Jagos habe den Zorn in seiner brust in Zuneigung verwandelt, er gebe ihm nun seine Liebste zurück. Als ihm Elmiro "la man di mia figlia" verspricht, zieht Otello den Bettvorhang zurück. Während alle entsetzt vor der Leiche Desdemonas zurückprallen, ersticht sich Otello mit den Worten, dass er sich nun mit ihr vereinigen werde.


    Zweiter Schluss (Happyend-Version) ab (*):


    Nun spielt Otello seinen Trumpf aus: Jago habe ihm ihre Untreue enthüllt und bewiesen. Aber Desdemona deckt Jagos Intrige und vor allem sein Motiv auf: Sie habe ihn als Bewerber zurückgewiesen, und aus Rache hat er nun Otellos Eifersucht geweckt. Sie hätte immer nur ihn, ihren Gatten, geliebt, und wenn er weiterhin an ihrer Treue zweifelt, möge er sie töten. Otello lässt sich nur zu gerne überzeugen und den Dolch fallen. Kurz regen sich noch die alten Zweifel, doch dann siegt endgültig die Liebe.
    Der Doge tritt ein. Otello, dem plötzlich wieder das Duell einfällt, erkundigt sich nach Rodrigo und erfährt, dass er noch lebt. Jago habe hingegen seine fiesen Machenschaften gestanden, der Himmel und die Liebe verdammen ihn zum Tode. Nun ist Otello endgültig von Desdemonas Unschuld überzeugt.
    Elmiro überbringt den Generalpardon des Senats und signalisiert gleichzeitig seine Bereitschaft, Otello als Schwiegersohn zu akzeptieren, Rodrigo erklärt seinen Gesinnungswandel (siehe Version 1) und unter allgemeiner Lobpreisung der Liebe fällt der Vorhang.