Zu diesem Operettenführer erhielt ich von dem (leider nur) Kurzzeittamino Fantasio die folgenden Fragen und Ergänzungen, zu denen ich am besten die hier wesentlichen Teile des sich daraus ergebenden Dialoges - mit Dank für seine Genehmigung - wiedergebe, da sie meinen Text ergänzen und vertiefen. Zitate sind fett gesetzt, meine Antworten kursiv:
Ø Die Handlung spielt in Paris, unter der Brücke Pont St. Michel
Bei Offenbach heißt es lapidar: „Un pont … Paris au fond.“ (in: a) 2’me Edition, ca. 1860; b) OeK – nach: Livret de Censur, 1855)
Es ist eine Weile her, seit ich das recherchiert habe. Bei allen konkreten Angaben folgte ich weitestgehend den Angaben der französischen Fachzeitschrift "Opérette" und dem von Boosey&Hawkes ins Netz gestellten Zensurlibretto. Ich kann aber nicht mehr ausschließen, dass die Wahl des Pont St. Michel nicht dem Libretto entstammt, sondern einem kommentierenden Text oder sogar meiner Aufnahme.
Ø Personen
In der Bearbeitung Hanells (Berlin 1970) wird als Stimmlage von Patachon wie Giraffier „Tenor“ genannt. Aus Offenbachs Klavierauszug der 2. Auflage wie seinem zensierten Libretto geht nichts hervor.
Deswegen habe ich auch auf eine Spezifizierung des Stimmfaches verzichtet. Offenbach schrieb dieses Stück wohl für Singschauspieler, deren Fach ich nicht recherchieren konnte. In "meiner" (englischsprachigen mit französischen Gesangsnummern) Aufnahme handelt es sich um einen Tenor und einen sehr hellen Bariton, aber ich weiß nicht, wie verbindlich das gedacht ist.
Ø Orchester
Ich habe folgende Besetzungen gefunden: Wikipedia: „2 Flöten, 1 Oboe, 2 Klarinetten, 1 Fagott, 2 Hörner, 2 Kornette, 1 Posaune, Streicher. (Die später in Wien gespielte Fassung sieht 2 Oboen, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Posaunen vor.)“ – leider ohne Quellenangabe. Hanell führt auf: „3 Flöten (auch Piccolo, die 3. Flöte ist durch eine 2. Klarinette ersetzbar), Klarinette, Bassklarinette; Streicher; Cembalo oder Klavier. Bühnenmusik: Posaune.“
Robert Hanell und Textbearbeiter Martin Vogler haben übrigens die Handlung ins Wien des 19. Jahrhunderts verlegt, auf „die Elisabeth-Brücke“. Spieldauer bei ihnen: 30 Minuten.
Das hätte ich natürlich gerne mit Quellenangabe eingefügt. Ich hatte nämlich mangels KV oder gar Partitur keine Information dazu.
Ø „nutzte Offenbach eine Lücke in der strikten Reglementierung der Pariser Theaterszene Was bedeutet „Lücke“ genau?
Es gab damals noch kein Theater mit einer Lizenz für so wenig Personal. Die Lizenzen spezifizierten genau das aber sehr präzise.
Ø Bei der Generalprobe fiel die musikalische Posse durch, und Offenbach musste sein ganzes Gewicht als Theaterdirektor geltend machen um sich gegen Plouvier durchzusetzen, der Offenbachs Werk streichen lassen wollte.
Gibt es dazu Quellenangaben?
Vermutlich. Ich beziehe mich auf die bereits genannte Zeitschrif "OPÉRETTE"
Ø dass eine Hauptfigur zum Namenspatron der dickeren Hälfte des späteren Filmkomikerduos Pat und Patachon avancierte.
Lässt sich das belegen?
Vermutlich nicht mehr von mir. Ich habe mich früher mal sehr für die Stummfilmkomödie interessiert und las das damals. Scheint mir aber auch logisch zu sein, dass sich ein dänisches Duo nicht von ungefähr einen solchen französischen Namen zulegt.
Ø Durch die beengten Verhältnisse und die Auflagen der Zensur war Offenbach gezwungen, in Besetzung und Instrumentierung mit geringsten Mitteln zu arbeiten.
Auffassung erscheint mir streitbar. Man kann diese 10 Jahre wohl eher als konzeptionellen Gegenentwurf zum Musiktheater der Großen Oper sehen. - Leider sind Offenbachs Einakter seit 120 Jahren völlig von den sogenannten Offenbachiaden und seinem Hoffmann überdeckt. Was für ein Verlust!
In der Tat. Deswegen will ich sie ja peu à peu in den Operettenführer aufnehmen, denn zum Glück gibt es von fast allen Einaktern Einspielungen des ORTF und ich habe eine große Zahl davon. Zu meiner Auffassung stehe ich, und sie wird dadurch gestützt, dass Offenbach beständig darauf drängte, sein Ensemble zu erweitern, und dies auch sofort tat, sobald die Zensur es zuließ. Er hat m. E. eher aus der Not eine konzeptionelle Tugend gemacht.
Ø Dies hielt er auch in seinen fünf musikalischen Nummern durch
Ich weiß nicht genau, ob das wirklich stimmt. Der Klavierauszug der enthält kein Vorspiel. Wurde es etwa von ihm oder einem Bearbeiter erst später hinzugefügt? Von wem? Wann? Ich finde nirgendwo eine Aussage dazu. (Bei Hanell ist es notiert; allerdings kürzer als mir aus einer Aufnahme bekannt.)
Dazu kann ich nur wenig sagen. Die mir bekannte englische Aufnahme hat jedenfalls eines, welches das "La lune brille" der Operette aufgreift. Womöglich wurde es erst für die erweiterte Fassung komponiert. Oeser oder Kaye haben dazu vielleicht was veröffentlicht, aber da ich kein Musikwissenschaftler bin, kenne ich das nicht.
Ø Diese [Stimmlagen der beiden Helden] orientieren sich wohl eher an den Stimmen der jeweils ausgesuchten Komiker als an einer Partiturvorschrift.
So sehe ich das auch.
(erleichtertes Smilie)
Rideamus