Beiträge von Leiermann

    Ich weiß nicht mehr, auf welcher Grundlage ich das damals mit der "letzten Oper" geschrieben habe. Eben rupfte ich mal ein bisschen Literatur dazu aus dem Regal. Da sprang mir mit als Erstes der Untertitel von Ekhart Wyciks Buch "Zauberflöte ... die unbekannte Bekannte - Freimaurerische Symbole, Strukturen und Musik in Mozarts letzter Oper" ins Auge.

    Und in der Einführung von Kurt Pahlen steht es, wie von Tristan2511 bereits dargestellt: Mozart "unterbrach" seine Arbeit an der ZF, um den "Tito" innerhalb kurzer Zeit komponieren zu können. Er wohnte dann wohl dessen Ua in Prag bei, und dann formuliert Pahlen: "Nach der sofortigen Heimkehr vollendet Mozart Die Zauberflöte (...)".


    Edit: Stefan Kunzes Wälzer "Mozarts Opern" ist schon sehr betagt (von 1984), aber Kunze legt sich auch auf das von Christian bereits kolportierte Datum fest: Ouvertüre und Priestermarsch seien am 28. September fertig gewesen.

    Und ergänzend zu meinen Quellen: Meine Ausgabe von Pahlens zuerst 1978 erschienener Einführung (Schott) ist von 2011, Ekhart Wyciks o.g. Buch immerhin von 2017.

    Es ging bei der Diskussion ursprünglich gar nicht um Aristoteles, sondern um um die seltsame These, dass überraschende Effekte in der Dramaturgie des 18. und vor allem 19Jhs. nicht zum Einsatz kämen. Das kann man jetzt natürlich verkomplizieren und ins Griechische wechseln und Begrifflichkeiten zu klären versuchen. Aber man kann es auch abkürzen und sich einfach den vorhandenen Theaterkanon ansehen oder mal ein beliebiges Stück lesen. Damit ist dann die Frage beantwortet.

    Ah, okay. Den Verlauf resp. Beginn hätte ich so nicht mehr erinnert. Kurz: Da könntest du durchaus Recht haben! ;)

    Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass Du unter "Überraschung" etwas völlig anderes verstehst als in der gängigen Dramaturgie üblich.

    Ich gehe auch davon aus, dass der Begriff "Überraschung" nicht von allen an der Diskussion Beteiligten deckungsgleich verwendet wird. Alle wissen zwar gleichermaßen um den aristotelischen Begriff der "Notwendigkeit" der Handlung, aber ich vermute, dass es von ihm aus präzisere Ausführungen dazu geben müsste, wie er mit der "Überraschung" zusammenpasst oder auch kollidiert und inwiefern man trotz der Vielfalt von Theaterstücken und ihren theoretischen Grundlagen wirklich generelle Aussagen tätigen kann.

    Man müsste sich und die Sache aus meiner Sicht besser / gründlicher erklären.

    Ich halte auch die Meinung von einer Vorrangstellung einer bestimmten Version, zumindest bei den Interpretationen, nicht für gegeben, wie ein Blick in die aktuelle Diskografie erkennen lässt.

    Dem kann ich gut folgen und werbe für den schon mehrfach ins Spiel gebrachten Gedanken, von zwei ästhetisch eigenständigen Fassungen auszugehen. Der Begriff der "Vorrangstellung" erscheint mir (bislang) ohnehin als diffus, nebulös und somit unangemessen.

    Ich habe mich angesichts der Diskussion gefragt, wie wir über die "Kindertotenlieder" sprechen würden, wenn es nur die Klavierfassung gäbe. Meine Erwartung wäre, dass wir ihr dann gerechter werden würden.

    Gerd Indorf in seinem Wälzer "Mahlers Sinfonien" (2010) über "Das Lied von der Erde" :


    "Die Reinschrift der Klavierfassung entstand offenbar 1908, noch vor der Partitur-Reinschrift der Orchesterfassung. Die Klavierfassung wurde erst 1989 in der Kritischen Gesamtausgabe als zweiter Supplementband veröffentlicht und erweist sich keineswegs als kompositorische Vorstufe der Orchesterfassung, sondern als eigenständiges Werk. Hermann Danuser kommt in seinem sehr aufschlussreichen Vergleich beider Fassungen zu dem Ergebnis, dass möglicherweise zumindest das zweite und vierte Lied zuerst als Klavierfassungen entstanden sind (...)" (S.395).

    In der Kölner Philharmonie habe ich vorgestern das Tetzlaff Quartett gehört. Vor dem klanglich interessanten Widmann- und dem für mich sehr langweiligen Brahmsquartett hörte ich in der ersten Hälfte ein fantastisches und für mich sehr interessantes Opus 131 von Beethoven. Ich kenne kaum ein Musikwerk so gut wie dieses und habe es in schon so vielen Aufführungen und Einspielungen gehört, aber diesmal habe ich wieder eine neue Seite dieses Werks vernommen. Das Tetzlaff Quartett spielte es dermaßen leise, dezent und filigran, wie ich es noch nie gehört habe. Es war wunderbar und zeigte für mich ganz neue Betrachtungsweise. Das war eine sehr schöne erste Halbzeit, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.


    Soeben habe ich vom Tetzlaff Quartett das op. 130 auf CD bestellt und bin mal gespannt, ob diese Handschrift auch in dieser Aufnahme vorzufinden ist (vielleicht kann jemand den Link einstellen, ich weiß nicht, wie das geht).

    Hallo Uwe! Danke für deine Eindrücke, die für mich besonders deshalb interessant sind, weil ich das Quartett am Mittwoch, also dem Tag nach deinem Konzert, im Kleinen Saal der Elbphilharmonie hören durfte.

    Das Programm war nicht identisch: Statt des Beethovens wurde vor der Pause (eigentlich war es für die zweite Hälfte angekündigt) das 1. Schönberg-Quartett gegeben. Und das war für mich auch der persönliche Höhepunkt des Abends. Großartiges (und sehr langes) Stück, mit immer wieder überraschenden Facetten interpretiert.


    Mit dem Widmann habe ich etwas gefremdelt: Ja, klanglich interessant war er auch für mich, aber das oder die fesselnden Faszinosa habe ich nicht entdeckt. Beim als sehr hörenswert empfundenen Brahms ging es mir ähnlich wie Giorgia Bertazzi: Konzert-Kritik Tetzlaff-Quartett in Köln


    Mein Schwiegervater hat so ziemlich alles an dem Hamburger Abend als schlimm empfunden. Er schimpfte z.B. auch auf die Tatsache, dass die Violinen und die Bratsche "moderne" Greiner-Instrumente spielten (während sich das Guadagnini-Cello ein ausdrückliches Lob erspielte). Zudem sei die 2. Geige kaum zu hören gewesen. Letzteres war für mich zumindest in der 1. Hälfte beim Schönberg nur in seltenen Fällen nachvollziehbar (hatte womöglich auch mit der Position der 2. Geige rechts außen zu tun): Ich fand das Quartett klanglich ganz überwiegend hervorragend und damit natürlich auch ausgeglichen.


    Alles in allem ein besonderer, überzeugender Konzertabend. Ebenfalls mit einem wunderbar abrundenden Haydn-Adagio als Zugabe.

    Welche Kriterien werden herangezogen, wenn ein künstlerisches Werk der Musik beurteilt wird?

    Die Geschichte musikalisch-ästhetischer Wertung bzw. von Musikkritik zeigt eindeutig, denke ich, dass es zwar Kriterien, aber keinen "gültigen" Kriterienkatalog gibt.

    Ich sehe allerdings eine entscheidende Frage, auf die jegliches Urteil hinauslaufen dürfte: Welchen einzigartigen Wert erkennen wir im Stück, dem Vortrag, der Aufführung (...) für uns?

    Das bedeutet, dass ein überzeugendes Urteil sowohl fachkundige Bezüge zum "Werk" herzustellen hat als auch damit zusammenhängende Überlegungen, inwiefern sich die Betrachtung des Kunstgegenstands für uns Menschen als wichtig erweist. Zudem sehe ich in der Frage den Umstand repräsentiert, dass der Gegenstand nur dann einen Wert haben kann, wenn er eine ganz und gar individuelle Betrachtung erforderlich macht (weil er einzigartig ist) bzw. ihr standhält. Wäre er ein Massenprodukt oder auch nur eine Kopie, könnte man ihm m.E. als Kunstwerk keinen (über subjektives Empfinden hinausgehenden) Wert zusprechen.

    Der "Kritiker" kommt also nicht umhin, die Kriterien seiner Beurteilung in der Auseinandersetzung mit dem einen Werk zu "finden". Er kann sich konsequenterweise auch nicht davon freisprechen, dass er als Subjekt urteilt und demgemäß persönliche Schwerpunkte u.Ä. in seiner Kritik auszumachen sein werden (für mich alles andere als ein Defizit).

    Ich möchte allerdings nicht den Eindruck erwecken, ich würde der Notwendigkeit einer kontextlosen Betrachtung das Wort reden. Jedes Werk hat natürlich kontextuelle Verstrickungen. Ein guter Kritiker wird das bei seiner Beurteilung mitbedenken. Das ändert für mich aber nichts an dem Gedanken, dass alles in der einen entscheidenden Frage zusammenläuft: Welchen einzigartigen Wert hat die Musik für uns?

    Ok, bei „Lehrys“ und „Freundys“ steige ich aus - da gibt es keine Verständigung mehr. Dann könnten wir auch über Florian Silbereisen oder André Rieu sprechen. Das ist dann aber nicht mehr mein Tamino Forum. Ich frage mich, ob ich hier noch richtig bin. Viele eher konservative Teilnehmer - Glockenton, Joseph II. - sind nicht mehr da oder posten kaum noch. Falls das hier ein zweites Capriccio wird bin ich weg.

    Ich wundere mich gerade darüber, dass mein Geschreibsel der letzte Anlass für eine solche Reaktion gewesen sein soll. Ich habe hier bei Tamino wahrscheinlich noch nie auffällig ge- oder entgendert. Da war ich sprachlich ganz überwiegend brav konservativ. Und ich möchte auch kurz erwähnen, dass du sowohl das Thema angeschnitten als auch mich konkret nach dem Gendern gefragt hast. Wolltest du sichergehen, in mir einen Gleichgesinnten zu finden?

    Zudem: Du bist doch gerade bei Tamino goldrichtig. Ich kenne kein Forum, das so erzkonservativ und dabei kulturkämpferisch gestimmt geführt wird. Allerdings sehe ich eine Sache wohl ähnlich: Die konservativen Stimmen haben zahlenmäßig etwas nachgelassen. Dennoch: Hättest du mich nicht auf dieses Terrain geführt, wäre es heute Abend für dich womöglich erfreulicher gewesen. Oder emfandest du unseren kurzen Austausch zu Schönberg auch schon als Anfechtung?

    Falls das dein Blog ist: Du genderst doch auch nicht (z.B. @Stadtschreiber*Innen)? https://www.der-leiermann.com

    Die Seite kannte ich nicht.

    Aber ich sage dir gerne, ob ich gendere: Natürlich. Mir fiele es z.B. niemals ein, zu meinen Kolleginnen "Hallo, liebe Kollegen!" zu sagen. Auch würde mir der Satz "Taylor Swift ist ein Sänger" niemals über die Lippen kommen. Ich denke, dass das auch allgemein üblich und akzeptiert ist.

    Mit meiner Tochter rede ich gerne Sätze wie: "Welches deiner Lehrys hat denn heute gefehlt?" Oder: "Mit welchen Freundys triffst du dich heute?" Ich probiere solche Sachen einfach gerne aus. Edit: Das ist natürlich kein Gendern, sondern ein Entgendern. Und ich könnte mir vorstellen, dass das Entgendern vielleicht noch wichtiger werden wird als das Gendern.

    Es gibt auch noch andere Sachen, mit denen ich eher spielerisch umgehe. Sternchen_Innen u.Ä. aber überzeugen mich bislang überhaupt nicht.

    Wir stehen da nicht „am Anfang“ - wir stehen da am Scheideweg.

    Hm, glaube ich kaum. Ich sehe da kein großes "Entweder-oder", sondern Diskurs(e) der langwierigen Art.


    Wäre der Respekt „humaner Diversität“ wirklich da, bräuchte es keine Sprachreform (...)

    Klingt für mich danach, als spräche das für eine "Sprachreform".


    (...) stattdessen verengen wir uns wieder. „Sterbende Gesellschaften sammeln Regeln und Gesetze an wie ein sterbender Mensch Krankheiten.“

    Ja, Verengung sehe ich da auch als wirklich schädlich bzw. verfehlt an. Die CDU hat sich in D auf Länderebene ja leider wiederholt durch Sprachverbote hervorgetan. Ich würde jetzt erstmal vieles laufen und sich entwickeln lassen. Sprachwandel per Gesetz zu verbieten, halte ich für äußerst fragwürdig.

    Ich habe diese Polemik sehr bewusst eingesetzt: Das generische Maskulinum ist, analog zur klassischen Sonatenhauptsatzform, die Ausdrucksform, an der man sich reibt, aber nichts besseres zustande bekommt. „Die Symphonierenden“.

    Okay, solange wir hier nicht zurückgepfiffen werden, folge ich dir mal.

    Ich gehe bei dem Gedanken mit, dass es mir nicht möglich scheint, die Sonatenhauptsatzform hinter etwas "Besseres" zu stellen. Aber auch eine solche Aussage empfinde ich kaum als Erkenntnisgewinn - eher als irrelevant. Die Sonatenhauptsatzform ist als "Idee" aus meiner Sicht überhaupt kein Maßstab, um musikalische Qualität zu messen.

    Oder gerne auch konkret: Ich würde mich nie versteigen zu der Aussage, dass nach Beethovens Sonaten nochmal "bessere" Sonaten komponiert worden wären. Wenn ich aber Schönbergs op.16 höre oder "Moses und Aron", dann verschwende ich keinen Gedanken an einen irrigen Vergleich mit Beethoven. Es geht mir dann um ganz andere Dinge.

    Was das generische Maskulinum angeht: Wir stehen, denke ich, da noch ganz am Anfang. Und ich wage da auch keine Prognosen. Aber ich rechne definitiv mit sichtbaren sprachlichen Veränderungen, die Ausdruck des Respektes und Anerkennens von humaner Diversität sein werden. Und ich könnte mir vorstellen, dass ich mich in dieser Frage sogar auf Diskussionen einlasse, ob dieses oder jenes dann "besser" oder "schlechter" ist. Aber zunächst ist da noch sehr vieles offen und braucht Zeit und Abwägung.

    Eine empfundene „künstlerische Notwendigkeit“ kann zugleich ein Irrweg sein.

    Na klar. Und weil Schönberg sicherlich in gewissem Sinne hätte "scheitern" können, möchte ich umso nachdrücklicher hervorheben, wie bewundernswert und herausragend seine Kompositionen bzw. sein "Lebenswerk" geworden sind. Da muss sich ja niemand aus dem Fenster lehnen, wenn er sagt: Das ist ein buchstäblich "epochales" Werk.


    Ist wie mit dem

    Gendern. Das generische Maskulinum ist wie Beethoven und Mozart.

    Diese Analogie ist in meinen Augen völlig missglückt und glücklicherweise auch kein Thema hier.


    Erstens ist meine Ablehnung nicht pauschal, es gibt moderne Stücke, die ich mag ("Lontano"). Zweitens würde ich einem anderen, der diese Musik als direkt und sinnlich hört, das niemals absprechen.

    Ich danke dir für diese Klarstellung. Hätte mich sonst auch wirklich gewundert.

    Das hieße, Joyce hat »Finnegans Wake« geschrieben, weil er keinen flott zu lesenden Krimi zustande gebracht hat, und Schönberg hat sein Klavierkonzert komponiert, weil er nicht wie Rachmaninow gekonnt hätte. Ich fürchte, diese Position wird sich nicht halten lassen.

    Ich bin der Letzte, der das mal im Vorbeigehen beurteilen könnte. Aber mich würde es aus den Socken hauen, wenn ich mitbekäme, dass Schönbergs "spätromantisches Frühwerk" von der Qualität her nicht ins oberste Regal gehörte. Vorgestern gerade die "Gurre-Lieder" im Konzert gehört.

    Schönberg sah für sich eine künstlerische Notwendigkeit, sich von dieser Tradition zu lösen. Ehrlich gesagt wüsste ich kaum etwas, das mir mehr Respekt abgewänne als dieser selbstbestimmte Weg mit allen zu erwartenden Rezeptionsschwierigkeiten. Schönberg hatte zuvor doch wohl klar bewiesen, dass dieser Weg mitnichten eine "Verlegenheitslösung" war.


    Für mich ist die Moderne Musik eine Fülle von Kopfgeburten, aber es geht nicht darum, Musik zu verstehen, sondern sie zu erleben, zu erfahren. Der Geist, der Verstand, sie sind begrenzt, die Musik ist unbegrenzt.

    Dass du "Moderner Musik" (echt jetzt, so allgemein?) erschreckend pauschal keinen "Erlebnischarakter" abgewinnen kannst, möchte ich nicht in Frage stellen. Du musst allerdings zur Kenntnis nehmen, dass das nicht an "der" Musik selbst liegen kann. Ich kenne genügend Menschen, die anderweitige Erfahrungen gemacht haben und "Moderne Musik" als sehr sinnlich, direkt, leidenschaftlich, mitreißend (usw.) erlebt haben - mich eingeschlossen.

    Das ist, nach Faktenlage, nicht ganz zutreffend, lieber Leiermann. Viele Philosophen haben sich auch mit der "Interpretation des einzelnen Kunstwerkes" befasst.

    Ich darf erinnern an Heidegger, Hölderlin oder van Gogh oder die attische Tragödie betreffend, Adorno, der sowohl Lyrik also auch viele musikalische Werke interpretierte, oder Gadamer, der sich (tiefschürfend) mit der Lyrik Paul Celans auseinandersetzte.

    Der Existenzphilosoph Bollnow beschäftigte sich, weil es ihm um das Problem der wesenhaften Einheit von Leben und Tod ging, mit Rilke, und dabei kam er zu Erkenntnissen, im Hinblick auf diesen Thread von großer Bedeutung sein könnten.

    Aber darauf möchte ich hier nicht eingehen, - angesichts des Unbehagens und der Aversion, die hier hinsichtlich der Einbeziehung von Kategorien der philosophischen Ästhetik in die Interpretation von musikalischen Kunstwerken bestehen.

    Möglicherweise ist das einfach ein Missverständnis, Helmut. Natürlich gab und gibt es Philosophen, die einzelne Werke interpretiert resp. analysiert haben. Und dies kann auch im Rahmen ihres philosophischen Tuns von ihnen als notwendig erachtet werden, denn philosophisch-ästhetische Erkenntnisse entstehen ja nicht im luftleeren Raum, sondern basieren auf konkreten künstlerischen Ausprägungen.

    Du benennst das Beispiel von Bollnow und bringst genau diesen Zusammenhang damit zum Ausdruck. Das Ziel des philosophischen Denkens ist die allgemeine Abstraktion. Damit diese aber plausibel, überzeugend, "gesichert" erscheint, muss sie sich an den Einzelerscheinungen "bewahrheiten". Wenn der Philosoph das alles selber leisten kann - auch gut. Seine Profession aber zielt auf die Veröffentlichung philosophischer Texte ab, nicht auf die Veröffentlichung von Werkanalysen. Dieses Gebiet nämlich wäre in unserem Fall musikwissenschaftlich bestimmt.

    Du verwechselt hier IMO die Rolle des Philosophen mit der des Rezipienten. Da mag bei Dir auch eine Prädestination vorliegen. Aber das sicher berechtigte Interesse an einer Werkanalyse erscheint in erster Linie dem Philosophen notwendig.

    Das würde ich gerne differenzieren. Wenn es so etwas wie "professionelle Aufgabenverteilung" gibt, dann kümmert sich der Philosoph nicht um Werkanalysen, sondern um allgemeine ästhetische Fragen - zielt also auf Wesentliches von "Kunst" ab und nicht auf die Analyse / Interpretation des einzelnen Kunstwerks. Die Werkanalyse von "Tristan und Isolde" ist ein Fall für den Musikwissenschaftler, der allerdings die Erkenntnisse des Philosophen methodisch, begrifflich und inhaltlich einbeziehen kann.

    Für den Rezipienten - da bin ich völlig bei dir - besteht überhaupt keine "Notwendigkeit" einer Werkanalyse. In den allermeisten Fällen wäre er damit auch völlig überfordert. Und weil ich es erst einmal gesagt habe: Das ist keine Feststellung eines Defizits. Er ist DER "Kunstadressat" schlechthin, und zwar "so wie er ist".

    Nichtsdestotrotz schließt die Tätigkeit der Analyse natürlich niemanden von vornherein aus. Der kompetente Rezipient kann natürlich ohne Nachweis eines musikwissenschaftlichen Studiums o.Ä. eine gute Werkanalyse anfertigen (siehe Helmut Hofmann). Und der Philosoph auch. Beide würden damit das Gebiet eines Musikwissenschaftlers betreten, was aber grundsätzlich jedem offensteht.

    Habe ich alles eben kurz gegoogelt.

    Mahler hat aber sehr viele Worte über seine Symphonien gemacht, insbesondere über diese.

    Es hat niemand bestritten, dass Mahler sich mehrfach zu seinen Sinfonien geäußert hat. Insofern verstehe ich dein "aber" überhaupt nicht.

    Man kann das gewiss nicht im Schnelldurchgang mal eben abhaken quasi nebenbei.

    Niemand ist "im Schnelldurchgang mal eben" darüber hinweggegangen, dass sich Mahler über seine Sinfonien geäußert hat. Es wirkt, als fantasiertest du dir etwas zusammen, das mit dem, was hier geschrieben wurde, keine direkte Verbindung hat.

    Das geht nur in einer ernsthaften, ausführlichen Beschäftigung, die einigen Aufwand - auch zeitlichen - benötigt. Ich jedenfalls habe mich Jahre damit beschäftigt... :hello:

    Ah, du also auch. Sehr schön. Dann wundert es mich umso mehr, dass du nach dieser immensen Dauer deiner Beschäftigung bislang nichts zur Aufklärung deiner "Programm-These" beitragen konntest, obwohl das hier mittlerweile seit Stunden im Zentrum dieses Fadens steht und nicht schwierig sein sollte. Entweder es gibt solche "Programme" oder eben nicht. Wenn es sie gibt und du sie kennst, dann sollte es sicherlich ein Leichtes sein, sie anzuführen.

    Bis dahin bleibe ich bei meiner Symbol zugedachten Antwort (die ausschließlich auf meinen Informationen aus Sekundärliteratur beruht).

    Nur so viel: Für Mahler sind programmatische Äußerungen nicht "außermusikalisch". Mahler ist kein Formalist, sondern ein Inhaltsästhetiker.

    Das erscheint mir in diesem Zusammenhang nicht ziel-, sondern irreführend. Ich hoffte deutlich gemacht zu haben, dass ich mein eigenes Verständnis des Begriffes "außermusikalisch" bemühe.

    Edit: Ich sollte mir mehr Zeit für die Beantwortung lassen, denn die erinnerte Mahler-Äußerung hatte ich ja auch mit dem "Außermusikalischen" verknüpft. Darauf hast du dich wohl auch bezogen.

    Um Missverständnisse zu vermeiden, zitiere ich Mahler erneut nach Indorf: "Ich weiß für mich, daß ich, solang ich mein Erlebnis in Worten zusammenfassen kann, gewiß keine Musik hierüber machen würde."

    Alles in allem scheinen mir jedenfalls auch Mahlers eigene Äußerungen darauf hinzuweisen, dass es kein "philosophisches Programm" zur Dritten gibt.

    Das mag alles richtig sein (und die Quelle Bauer-Lechner ist mir auch bekannt), nur beantwortet es nicht die Frage, welche Inhalte die philosophischen Programme der Dritten gehabt haben sollen. Ich kenne Mahlers Satzbezeichnungen ("Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen" etc.), nur kann man die kaum als philosophisches Programm bezeichnen. Welches sind die besagten anderen Programme? In welchem Stadium der Komposition traten sie hinzu?


    LG :hello:

    Ich hatte mich u.a. mit Mahler 3 gerade neulich beschäftigt. Natürlich gibt es Möglichkeiten, begründete Bezüge zwischen Musik und Mahlers Welt- und besonders Naturverständnis (die wiederum auch in Verbindung mit seiner Beschäftigung mit Philosophie stehen) herzustellen.

    Es gibt aber nach meinem Kenntnisstand höchstens winzigste Ansätze eines philosophischen "Programms".

    Mahler gestand sogar irgendwo ein, er habe zunächst wohl eine auch im außermusikalischen Sinne kohärente Satzfolge angestrebt, sei davon letztlich aber wohl abgekommen (oder sogar gescheitert?).

    Edit: Ich habe die Äußerung gerade gefunden. Deshalb nehme ich meine obige Formulierung "im außermusikalischen Sinne" mal lieber vorsichtig zurück. Gerd Indorf zitiert Mahler in seinem Buch "Mahlers Sinfonien" folgendermaßen: "Aus den großen Zusammenhängen zwischen den einzelnen Sätzen, von denen mir anfangs träumte [Fettung durch mich], ist nichts geworden; jeder steht als ein abgeschlossenes und eigentümliches Ganzes für sich da: keine Wiederholungen und Reminiszenzen".

    Indorf bezeichnet die außermusikalischen Vorstellungen Mahlers, die für die Dritte eine Rolle spielten, als "eher kompositorische Stimulanz" und nicht als "konkretes Konzept". (Renate Ulm sieht das übrigens ähnlich.)

    Und es gibt eine dazu passende Äußerung von Mahler, die sinngemäß Folgendes vermittelt: Hätte er eine Art außermusikalischen "Gehalt" ausformulieren können, hätte er sich das Komponieren sicherlich gespart...

    Falls du das auch mit einem Seitenblick auf mein heutiges Posting geschrieben hast: Es ist mir wichtig zu betonen, dass ich hier keinen "absoluten Subjektivismus" propagiere. Ich wollte festhalten, dass jeder Rezipient faktisch die Möglichkeit hat, sich völlig subjektivistisch z.B. zu einer "Tristan"-Aufführung zu verhalten, und betrachte das als schlichte Tatsache.

    Ferner habe die Rolle von Interpreten/Kunstschaffenden davon aus guten Gründen abgegrenzt - obwohl auch diese prinzipiell frei sind in ihrem Tun. Und auch das ist nichts weltanschaulich Propagiertes, sondern Realität.

    Dass man sowohl als Rezipient als auch als Kunstschaffender Verpflichtungen spüren kann bzw. sich diese selbst auferlegt, ist kein Widerspruch dazu. Und ich will es nochmal sagen: Wer z.B. Werner Hintze unterstellt, er würde in seinem beruflichen Wirken einem "absoluten" oder "willkürlichen" Subjektivismus gefrönt haben, der hat entscheidende Ausführungen (und wohl auch die Ergebnisse seiner Arbeit) von ihm ignoriert und ist übelst unverschämt.

    Ich als Rezipient kann vor meinem "Tristan"-Besuch alles Mögliche lesen, hören, analysieren, vergleichen usw. und mir für die Aufführung auferlegen, jede Kleinigkeit wahrnehmen zu wollen, um sie in einen konsistenten Gesamtzusammenhang bringen zu können, sodass ich nach dem Stück eine in sich geschlossene Auffassung des Rezipierten ins Tamino-Forum stellen kann. Das allerdings dürfte für die allermeisten Opernbesucher kaum realistisch sein. Und es ist ebenfalls nichts, was ich als "Idealvorstellung" propagieren würde.

    Die Realität ist vielgestaltig. Aber in der Regel werden wir keine umfassendst informierten Kenner des "Tristan" und seines gesamten werkhistorischen Hinterlandes sein. Und wir werden im Opernhaus auch keine konsistente und rein verkopfte ästhetische Erfahrung machen. Wahrscheinlich werden wir Dinge verstanden haben und andere nicht. Wir werden uns über bestimmte bruchstückhafte Highlights freuen und im gleichen Zuge -zig Einzelfragen in uns bewegen. Wenn es hoch kommt, sind wir sogar erschüttert, haben eine Art Katharsis durchlebt, haben einen neuen Blick auf uns und die Welt gewonnen, uns unsterblich in eine Arie oder eine Figur verliebt... Es gibt so viele Möglichkeiten, was ein Opernbesuch alles sein und bewirken kann. Ich lasse mir aber sicherlich nicht einreden, es ginge zwangsläufig darum herauszufinden, was Wagner wohl für "eine künstlerische Aussage" mit dem "Tristan" loswerden wollte und inwiefern der böse Regisseur mir den Weg dazu verbaut hat.

    Ich meine den Kern deiner Sache zu verstehen. Was mir gefällt: Du machst deutlich, dass die Begegnung mit "Tristan und Isolde" von Rezipient zu Rezipient ganz unterschiedlich ausfällt.

    Um es mal pointiert zu sagen: Ich muss den "Tristan" überhaupt nicht verstehen, wenn ich es nicht drauf anlege. Ich kann z.B. eine theatralische Vorstellung (oder meinetwegen auch das Hören auf CD oder das Lesen des Librettos) zu meiner eigenen Sache machen. Ich kann Dinge herauspicken, die mir gefallen, ich kann Schönklang genießen, ich kann mich an das halten, was mir bruchstückhaft Freude macht. So oder so ähnlich wird es wohl den meisten Opernbesuchern gehen. In der Begegnung mit Kunst steckt immer ein Akt der Selbstverständigung, die mehr, aber auch weniger reflektiert ausfallen kann. Wer darin ein Defizit ausmacht, würde sich nach meiner Auffassung dafür aussprechen, den Opernbetrieb gleich einzustellen. Denn ich bin ja nicht blöd: Müsste ich wirklich noch zweimal das Libretto vorher lesen, um etwas vom Theater für mich erwarten zu können, würde ich in der Regel zu Hause bleiben. Nur in seltenen Fällen bereite ich mich aus Zeitgründen auf Konzerte, Opernbesuche, Ausstellungen usw. vor. Und ich lasse mir von niemandem die Sinnhaftigkeit einer relativ voraussetzungslosen Begegnung mit Kunst absprechen, wenn ich einen wie auch immer gearteten Gewinn daraus zu ziehen meine.

    Und um das Ganze noch subjektivistischer zu akzentuieren: Was Künstler für die Rezeption ihres Geschaffenen "vorgesehen" haben, kann natürlich interessant sein - muss mich aber im Zweifelsfall überhaupt nicht bekümmern. Denn es geht um meine Begegnung mit Kunst, und die gestalte ich selbstbestimmt und frei.

    Insofern: Ich stimme dir voll und ganz zu, wenn du betonst, dass die Unmittelbarkeit der Kunsterfahrung das "Normale" ist. Ich finde allerdings schon den Gedanken der "Erschließung" eines Kunstwerks diskutabel bzw. fragwürdig. Kunstinterpreten, -analysten, -gestaltende werden wohl grundsätzlich um fundierte "Lesarten" bemüht sein, weil die Sinnhaftigkeit ihres Tuns wohl auch von so etwas wie "Überzeugungskraft" abhängt. Dem Großteil der "Tristan"-Besucher beim nächsten Opernereignis aber mitzugeben, es solle um die "Erschließung" dessen gehen, was zu sehen und zu hören ist, empfände ich schon als Versuch einer Gängelung zur Freudlosigkeit. Antennen ausfahren, bereit sein, wach sein, empfindsam und (dialog-)offen sein: Das wären Formulierungen, die mir besser gefallen. Und dann sehen, was alles passiert bzw. passieren kann.

    (...) Ich finde es übrigens nicht überraschend, dass kaum jemand auf diesen Punkt eingegangen ist. Denn Christian spricht hier aus der Erfahrung des Künstlers darüber, dass vieles in der Kunst eben ungeplant und unplanbar geschieht, dass dafür Intuition eine größere Rolle spielt als exakte Planung und penible Ausführung des Plans. Das aber ist eben das die große Idee, die sich hinter den Debatten um die sogenannte oder auch »Werktreue« zu verstecken versucht: Es geht immer nur um die Freiheit, die sich ein Künstler anmaßt. Die Forderung nach »Werktreue«, die kurzerhand für verbindlich erklärt wird, macht das, was der Künstler tut, nämlich abrechenbar. Dir Vorstellung ist die von einer Liste der Dinge, die geschehen müssen und eventuell noch eine der Dinge, die auf keinen Fall geschehen dürfen. Diese Listen kann man dann bequem abhaken und schon steht das Urteil fest. Da ist dann kein Raum für das Ungeplante, Unberechenbare, für alle – einschließlich des Künstlers selbst – Überraschende, eben für alles das, was bewirkt, dass »der Text immer klüger als der Autor« ist, wie es Heiner Müller zusammengefasst hat. Da ist auch so eine Erfahrung des Künstlers, die ihm die wissenden Taminos nicht abzustreiten zögern, wie sie es gern auch mit Christians Beschreibung tun würden, was aber eben nicht so leicht ist, wenn derjenige, der sich so äußert nicht weit weg oder sogar schon tot ist, sondern jederzeit selbst auftauchen kann.


    Im Grunde sieht man all diesen Diskussionen, dass es nur scheinbar um Kunst geht. In Wahrheit geht es um die Freiheit bzw. die Furcht vor ihr.

    (...)

    Das ist für mich plausibel.

    Und dazu passt auch der esoterische Totenkult, mit dem Künstler vergangener Zeiten nachträglich instrumentalisiert werden, um als gottähnliche Autoritäten gegen den Übermut heutiger Künstler zu fungieren. Um beim Threadthema zu bleiben: Der Interpret wäre hiernach in der Tat das bloße, seiner Persönlichkeit und seinem Willen (!) entledigte Medium eines aus dem Jenseits abgesegneten, unveränderlichen und prinzipiell nicht hinterfragbaren Gebots. Der Komponist "spricht durch den Interpreten", der damit eine (immerhin einer heiligen Sache!) dienende Stelllung zugeschrieben bekommt.

    Es passt auch dazu die Hilflosigkeit, die sich bei den Anhängern dieses Kultes zeigt, wenn historische Zeugnisse angeführt werden, die nicht ins Bild passen. Wenn also z.B. der bereits tote, aber dafür nun umso gottähnlichere Künstler zu Lebzeiten Handlungen ausführte und/oder Äußerungen von sich gab, die deutlich machen, dass Kompositionen ontologisch eben nicht mit autoritären Geboten zu verwechseln sind. Dass derlei Zeugnisse gerne kurzerhand abgewiegelt oder besser gleich totgeschwiegen werden, zeigt umso mehr, dass es natürlich nicht um den Respekt und die Anerkennung für den Künstler selbst geht, sondern um die gewünschte Autorität der vermeintlichen Gebote. Wenn man Letzteres will, lässt man sich natürlich nicht von der unbequemen Frage belästigen, ob man etwas in die Welt setzt, was die Komponisten selbst gar nicht im Sinn hatten - und wogegen sie sich zudem auch nicht mehr wehren können.

    Zu den schönsten Erlebnissen auf der Bühne gehört, wenn man etwas erschafft, das man eben nicht geplant hatte, und dieses Glücksgefühl (das sich vielleicht niemand vorstellen kann, der es nicht selbst erlebt hat) wird noch gesteigert, wenn es mit anderen zusammen, also in der Kammermusik geschieht, ohne Absprache, einfach aufgrund des Momentums. Ich empfinde das bis heute - wenn es gelingt, was keineswegs immer der Fall ist - als ein Wunder.

    Dafür hat sich für mich überraschenderweise niemand explizit interessiert. Ich hatte bereits mehrfach den Eindruck, als würde in diesem Thread der Vorstellung das Wort geredet, das Spielen einer Komposition im Konzert sei dann besonders hochwertig, wenn es die präzise Umsetzung eines im Voraus genaustens erdachten Plans wäre.

    Christians Gedanke oben wirkt auf mich viel lebensnäher.

    Selbst wenn man kein professioneller Musiker ist: Wir wissen doch alle, dass das "Momentum" eine Rolle spielt. Und dieses umfasst ja eine ganze Reihe von Aspekten: Publikum, Akustik, "Tagesform", das ständige emotionale und gedankliche Begleiten des eigenen Spielens, die Impulse des Duo-Partners usw. usw.

    Diese Variablen fließen doch alle auch in eine (Konzert-)Interpretation ein und werden laufend durch intuitives Reagieren und Agieren der Künstler "beantwortet".

    Interpretation ist für meine Begriffe also im ganz konstruktiven Sinne auch der Intuition geschuldet, die sich im augenblicksbezogenen "Spielen" äußert und notwendigerweise von psycho- und sozialdynamischen Ursachen beeinflusst ist.

    Du hast einfach eine völlig falsche Vorstellung eines Philosophen. Die Philosophie ist sokratisch. Heidegger sprach von der "Frömmigkeit des Fragens". Der Philosoph, ist der, der beharrlich Fragen stellt denen gegenüber, die meinen sie hätten immer schon die richtigen Antworten. Platon Symposion.

    Holger, hörst du dir eigentlich selbst irgendwie zu? Du beziehst dich auf die "Frömmigkeit des Fragens" und tust genau eines nicht: Fragen stellen.

    Du belehrst monologisierend, apodiktisch, mit sprachlichen Mitteln á la "Weil das nunmal so ist", schwemmst tonnenweise Autoritätsargumente ins Forum rein - dein Gesprächs- und Argumentationsverhalten ist sokratischer Mäeutik so fern, dass ich kaum glauben kann, dass du mir eine "völlig falsche Vorstellung eines Philosophen" attestierst (ohne dass du das selbst auch nur annähernd beurteilen kannst) und dich gleichzeitig als sokratisch inszenieren willst. Das ist ja bodenlos.


    Leider muss ich jetzt fort und kann heute wohl nicht mehr weiterschreiben, es reicht nur noch für eine Kleinigkeit:

    Ob sie mich persönlich brauchen, spielt gar keine Rolle, Faktum ist, dass insbesondere die Theaterkünstler, ich spreche von Schiller, Wagner usw., zu ihren Kunstwerken eine ganze philosophisch-ästhetische Theorie entworfen haben. Sie sind Künstler und Philosophen in Personalunion. Als Philosoph brauche ich mich nur daran zu halten, wenn ich sie interpretiere.

    Und wenn Schiller, dessen Vorstellung vom ästhetischen Spiel ich sehr schätze, und Wagner Theorien "entworfen" haben, steht das in keinem Widerspruch zu dem, was ich gesagt habe: Künstler können sich natürlich selbst ihre Regeln setzen. Und ich habe auch nichts dagegen, dass du als Philosoph etwas interpretierst (und frage mich jetzt, warum du mir das als Antwort überhaupt schreibst, der Zusammenhang ist nicht sachlogisch). "Faktum ist": Auch Schillers und Wagners Theorien haben keine überzeitliche Gültigkeit für Kunstschaffende, die ihre eigenen (zeitgemäßen) Regeln entwickeln. Dass sie weiterhin "von Bedeutung" sind, streite ich allerdings damit nicht ab.

    Es wird hiermit unterstellt, dass der Versuch einer ästhetischen Begründung , der in diesem Falle von mir unternommen wird, Machtausübung und Machtmissbrauch sei [...]

    Unsinn, Holger. Ich schrieb von "Machtansprüchen" und "Macht(anmaßung)", nicht von "Machtausübung und Machtmissbrauch". Letzteres würde voraussetzen, dass jemand Machtmittel zur Verfügung hätte.


    Du aber hast keine Macht. Obwohl du sie offenkundig gerne hättest.

    Du würdest so gerne als Philosoph etwas diktieren können.

    Geht aber leider nicht.

    Theaterschaffende und musikalische Interpreten haben immer und prinzipiell die Freiheit, nach selbst aufgestellten Regeln zu agieren. Sie brauchen dich einfach nicht. Du überschätzt dich ganz grundsätzlich.


    Ich bestreite gar nicht, dass man über alles Mögliche diskutieren könnte. Über die Sinnhaftigkeit dessen, was man als Kunstschaffender macht. Da kann jeder dann entscheiden, mit wem er warum diskutiert. Ich vermute aber, dass kein Theaterschaffender mit dir ernsthaft diskutieren wird, solange du ihm apodiktisch weismachen willst, du wüsstest die Regeln, die für sein Gebiet gelten, obwohl seine klare Erfahrung ist, dass Theater locker auch ohne diese Regeln auskommt und schon immer auskam.