Allgemein gesagt, bzw. festgestellt, denn ich nenne hier einfach die Fakten, nicht meine Meinung:
Ein Kunstwerk erschließt sich ausschließlich aus dem Werk. So ist es vom Künstler gedacht. Irgendwelche Theorien (egal ob vom Künstler an anderer Stelle geäußert, oder von irgendwelchen Philosophen) sind für das Werkverständnis komplett irrelevant.
Im Falle einer Oper: Libretto und Partitur. Und sonst gar nichts. Außer der Künstler gibt noch eine Art "Gebrauchsanleitung" konkret zum Werk, was aber extrem selten ist (Haydn machte das zu seinem "Orlando Paladino" per Handzettel, indem er die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander skizzierte).
Für den Normal-Operngänger heißt das: Libretto lesen, gern auch mehrfach. Und sonst nichts. Weil es vom Künstler genau so vorgesehen ist.
Man muss nur beachten, dass der Künstler natürlich eine gewisse Vorbildung voraussetzt. Z.B. erwartet Verdi italienische Sprachkenntnisse. Falls nicht vorhanden, muss man sich einer Übersetzung bedienen. Auch werden implizit gewisse Kenntnisse der Operngeschichte vorausgesetzt, da die Komponisten ja nicht bei Null beginnen. Dazu muss man aber keine Bücher lesen, das kommt so nach und nach.
Unabhängig davon ist es natürlich nicht verboten, einen Opernführer zu lesen. Zur Vertiefung kann das durchaus beitragen. Aber diese Informationen sind bereits gefiltert. Und nochmal: Die Komponisten gehen niemals davon aus, dass ihr Publikum einen Opernführer liest. Sie ewarten lediglich, dass das Publikum auf dem "aktuellen Stand" ist.
Zum Kollegen Hintze:
Er muss natürlich tiefer einsteigen, da er an Opernproduktionen beteiligt ist. Aber auch er hält sich vorzugsweise an Text und Musik. Er stellt keine Theorien über das Werk auf. Er analysiert nur genauer.
Zum Kollegen Kaletha:
Er ist in einer ganz anderen Branche tätig. Da darf er gerne alle möglichen Theorien aufstellen. Diese sind für das Werkverständnis aber völlig irrelevant.
Praktisches Beispiel:
Kundry im Parsifal. Könnte theoretisch eine Jüdin sein. Dazu gibt es aber nur Daten, die außerhalb des Werks stehen. In der Oper selbst gibt es null Hinweise dazu. Daher ist Kundry mit absoluter Sicherheit keine Jüdin. Sie ist das, was sie in der Oper ist, und nichts anderes. Ihre Religion bzw. "Rasse" ist komplett irrelevant. Wenn es anders wäre, hätte der Künstler das im Werk irgendwie thematisiert. Hat er aber aber nicht. Absichtlich nicht.
Fazit:
Haltet euch ans Werk, und nicht an irgendwelche Deutungen. Damit seid ihr vollkommen ausgelastet. Zumindest bei Werken von bedeutenden Künstlern.