Liebe Opernfreunde,
am 12. Oktober
konnte ich den Premieren-Livestream aus der Wiener Staatsoper mitverfolgen, der mir mittels dortiger Registrierung zur Verfügung gestellt wurde. Für die kostenlose Übertragung sei dem Musentempel herzlich gedankt.
Diese von der WSO
übernommene Neuenfels-Produktion mit der doppelten Besetzung der 5
Solisten als Sänger und Schauspieler lief vor 22 Jahren bereits an
der Stuttgarter Staatsoper, also die gleichen Kostüme, das gleiche
Bühnenbild, die gleichen eingeschobenen Witze. Bemerkenswert: Die Darstellerin der
Schauspiel-Konstanze hat sich ins neue Jahrtausend herübergerettet:
Emanuela von Frankenberg, eine überaus aparte Erscheinung.
Ob diese Doppelung Sänger/Schauspieler Sinn macht oder nicht, darüber streiten sich die Geister. Denn die
Sänger beschränken sich ja nicht wie zunächst vermutet aufs Singen
und die Schauspieler aufs Rezitieren der Zwischentexte. Nein, die
"Zwillinge" üben sich ständig in vom Regisseur
hinzugefügten Dialogen, bedanken sich gegenseitig beieinander, fordern sich zur Fortsetzung der Handlung auf wie "Singe, Konstanze, singe!"
Und die Belmontes geben dem Dirigenten Signal, wann die Musik weiter
zu spielen habe "Herr Kapellmeister, ich bitte!"
Ich kannte die Faxen
ja schon von Stuttgart her und finde es etwas schade, dass kein frischer Wind diese in die Jahre gekommene Inszenierung aufgehübscht hat.
Zu den Sängern:
Unbestrittener Star
des Abends war die Amerikanerin Lisette Oropesa als Konstanze. Sie
gestaltete ihren schwierigen Part mit Bravour und bekam zu Recht auch
den meisten Applaus. Ihre Koloraturen und ihre Atemtechnik kann ich
nur als sensationell bezeichnen.
Ganz im Gegensatz
dazu agierte Daniel Behle als Belmonte. Mit kurzatmiger, dünner
Stimme absolvierte er seine Nummern. Für mich die Enttäuschung des
Abends.
Blonde wurde von
Regula Mühlemann gesungen. Diese Rolle passt zu ihrer hellen,
silbrigen Stimme und auch darstellerisch setzte sie ihre kecken
Akzente. Warum sie bei ihrer Arie "Welche Wonne, welche Lust"
allerdings als Vogelweib verkleidet wurde, die zuvor ein Ei legte und
dann hüpfte ein halbes Dutzend Küken im Takt ihres Gesanges über
die Bühne - wobei der Pedrillo als stolzer Gockel verkleidet den
Ententanz vollführte - das hat sich mir nicht erschlossen. Für einen
Moment glaubte ich mich in die Szene
Papageno-Papagena-Papageno-Papagena verirrt zu haben.
Zum Sänger-Pedrillo
Michael Laurenz kann ich sagen, dass er ordentlich gesungen hat,
ansonsten aber hat ihm sein Schauspieler-Double Ludwig Blochberger
die Schau gestohlen. Er war der quirligere, lebhaftere von Beiden.
Als im 3. Akt vor der Flucht die Frage nach der Leiter aufkam, die
gefehlt hat, kam von ihm die glorreiche Idee, dann eben ohne Leiter
weiter zu spielen.
Zu schlechter Letzt
der Osmin: Eigentlich eine dankbare Rolle für einen Sänger, der
singen kann. Genauer: für einen Bassisten, der tief singen kann.
Goran Juric hatte nichts von alldem anzubieten.
Er konnte in keinem seiner Auftritte der Rolle auch nur annähernd
gerecht werden. Die zweite Enttäuschung des Abends.
Zu
den Sprechrollen:
Christian Nickel als Bassa Selim gelang sowohl
Feinfühligkeit als auch Brutalität in seine Rolle einzubringen.
Manchmal etwas zu laut, aber i8nsgesamt ein Guter. Als Gag trug er nach dem Vaudeville am
Schluss ein Mörike-Gedicht auf, als Entschädigung für seine
Mitdarsteller, weil er keinen einzigen Ton singen durfte.
Emanuela
von Frankenberg als Konstanze war immer noch ganz Grande Dame, Stella
Roberts als Blonde-Zwilling ebenso keck wie Mühlemann.
Pedrillo-Schauspieler Michael Laurenz wurde zuvor schon lobend
erwähnt, wogegen Belmonte-Double Christian Natter ebenso blass und
blutleer wirkte wie sein musikalisches alter ego. Bleibt noch Andreas
Grötzinger, der "nur sprechende" Osmin. Er brachte durch Mimik und
Gestik
ein wenig vom Humor auf die Bühne, der
dieser Rolle zugrunde gelegt ist.
Musikalische
Leitung der Wiener Philharmoniker oblag Antonello Manacorda. Er hatte
keine Schwierigkeit, seinen Musikern den Atem Mozarts einzuhauchen,
was sich im hohen Niveau des Orchesterparts wiederspiegelte.
Applaus
für Sänger, Darsteller und Orchester, laute Buhrufe für Neuenfels,
der sich als Letzter auf die Bühne getraut hatte.
Die
Vorstellung läuft noch 3 mal im Oktober und 3 mal im Juni nächsten
Jahres.
Besetzung
12.10.2020
Musikalische Leitung Antonello
Manacorda
Inszenierung Hans
Neuenfels
Bühne Christian Schmidt
Kostüme Bettina Merz
Licht Stefan Bolliger
Dramaturgie und Regiemitarbeit
Henry Arnold
Regieassistenz Sophie Louise
Busch
Assistenz Bühne Sascha Roeder
Bassa Selim Christian
Nickel
Konstanze Lisette
Oropesa
Konstanze - Schauspielerin
Emanuela
von Frankenberg
Blonde Regula
Mühlemann
Blonde - Schauspielerin Stella
Roberts
Osmin Goran
Jurić
Osmin - Schauspieler Andreas
Grötzinger
Belmonte Daniel
Behle
Belmonte - Schauspieler
Christian
Natter
Pedrillo Michael
Laurenz
Pedrillo - Schauspieler Ludwig
Blochberger