11. März 2021
1979 – 42. Todestag von Gerhard Stolze (Sänger)
Wie sein Kollege Gerhard Unger war auch der heute vor 42 Jahren verstorbene Gerhard Stolze, als sie noch Ensemblemitglieder der Berliner Linden-Oper waren, nicht auf ein bestimmtes Stimmfach festgelegt. Zwar würde man Unger heute als Buffo und Stolze als Charaktertenor einordnen, doch beide traten durchaus auch in lyrischen Partien auf, Stolze sogar in denen des jugendlichen Heldentenors, wenn man einmal den Freischütz-Max als solchen bezeichnen kann, den er 1959 an der Deutschen Staatsoper Berlin sang und mit dem er auch an der Hamburgischen Staatsoper auftrat. So hörte ich Stolze in Hamburg u.a. auch als Belmonte (in Berlin hatte er 1955 auch Don Ottavio verkörpert) und Cassio, und Wieland Wagner setzte ihn in Stuttgart sogar in einer Baritonpartie (Wozzeck) an. Seine hell timbrierte, sehr hoch gelagerte Stimme mit der für ihn offenen Tongebung erlaubte ihm, mit dem Britten’schen Oberon eine Partie zu singen, die eigentlich für einen Countertenor komponiert war. Gerhard Unger, der diese Rolle 1963 in Hamburg übernahm, sang allerdings die Passagen, die Stolze im Falsett genommen hatte, mit voller Bruststimme.
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Hans Hotter, Hans Beirer & Gerhard Stolze, Siegfried, Hamburg 1961 (Foto : Peter Schünemann)
Doch seine eigentliche Domäne waren die Charaktertenorpartien von Wagner und Strauss. Typisch, wie es damals in Bayreuth üblich war, wurde Stolze langsam aufgebaut und vorsichtig an „seine“ Partien wie David (erstmals 1956), Mime (ab 1957) und Loge (ab 1960) herangeführt. In seiner Bayreuth-Biografie klafft jedoch eine Lücke: Er, der seit 1951 zum Inventar der Bayreuther Festspiele gehörte, und das sowohl in Wieland- als auch in Wolfgang Wagner-Inszenierungen, hätte auch 1963 wieder den Loge im Wolfgang-Wagner-Ring singen sollen, erkrankte aber an Kinderlähmung und musste sogar an die Eiserne Lunge.
Mit 52 Jahren erlag der Sänger 1979 in Garmisch-Partenkirchen, wohin er mit seiner zweiten Ehefrau gezogen war, einem Gehirnschlag. Laut Wikipedia hatte er ihren Namen angenommen und nannte sich fortan Gerhard Prohaska, geborener Stolze. Aus seiner ersten Ehe mit der Malerin Gabriele Gretschel entstammen zwei Töchter, Lena und Franziska, beide Schauspielerinnen.
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Gerhard Stolze mit seiner ersten Frau und Tochter, Bayreuth 1962 (Foto : Peter Schünemann)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Gerhard Stolze zunächst Schauspieler, ließ dann jedoch seine Stimme durch Willy Bader und Rudolf Dittrich in Dresden ausbilden, wo er auch 1949 debütierte. Seine Stimme an sich war nicht außergewöhnlich. Was ihn trotzdem zu etwas Besonderem werden ließ, war seine Persönlichkeit, seine Wandlungsfähigkeit, war seine Stimmdarstellung, obwohl die ihn in späteren Jahren immer freier mit dem Notentext umgehen und sogar maniriert erscheinen ließ. Aber ich kenne keinen faszinierenderen Loge oder Herodes, als Mime würde ich ihn an die Seite von Erwin Wohlfahrt stellen, und sein Orff'scher Oedipus blieb bei einem Stuttgarter Gastspiel in Hamburg hauptsächlich seinetwegen in Erinnerung - ein beeindruckender Charakterdarsteller, der u.a. auch Sänger war. Gerhard Stolze war alles, war Buffo, lyrischer Tenor, jugendlicher Held, Charaktertenor; vor allem war er jedoch eines: ein begnadeter Singschauspieler.
Er hinterließ eine reichhaltige Diskographie. Die englische Wikipedia nennt als besondere Kuriosität sogar eine „Luisa Miller“-Aufnahme unter Herbert Kegel, in der Gerhard Stolze den Rodolfo (!!!) singt.
Beste Grüße aus Finnland
Peter Schünemann