Dies ist keine Satire, das ist ein Erlebnis von gestern abend (08.04.2017) in Saalfeld.
Neugierig hatte mich regietheatergeschädigten und opernmeidenden Opernfreund eine Veröffentlichung in der Presse. Danach sollte am genannten Tag die Premiere der Salome im Meininger Hof stattfinden. Die Aufführung gestaltet das Opernensemble Nordhausen. Da wir schon lange wieder einmal Theaterluft schnuppern wollten, eine negative Erfahrung scheuten, aber die Salome gerne wieder einmal gesehen hätten, haben wir die Website des Theaters Nordhausen gefragt. Ich stelle einen dort und bei youtube gefundenen Trailer ein. Die Inszenierung war so, daß wir es wagen konnten, wieder ins Theater zu gehen. Und wir sind kurzentschlossen in das 65 km entfernte Saalfeld gefahren - übrigens zum ersten Mal.
Eine Enttäuschung kam trotzdem. Normalerweise ist Nordhausen zwangsfusioniert mit dem Theater Rudolstadt (ein Wahnsinn, beide Städt liegen rund 150 km auseinander!!). In Rudolstadt wird das Theater saniert, und so wurde eben nach Saalfeld ausgewichen. Der Meininger Hof ist ein reiner Konzertsaal und hat keinen Orchestergraben. Also saß das Orchester (Thüringer Sinfoniker Saalfeld-Rudolstadt, Leitung der MD Oliver Weder) auf der Bühne, und der freie Raum vor dem Orchester wurde zur halbszenischen Darstellung genutzt. Es war kein Platz für die wunderbaren Kulissen, die wir im Trailer gesehen hatten. Die Akteure trugen ihre Kostüme, und sie spielten ihre Rollen. Dadurch, daß die Sänger vor dem Orchester agierten, waren die Stimmen besonders klar zu hören. Und mit dem ersten Ton war die Enttäuschung weg.
Die Regisseurin Annette Leistenschneider brachte historische Kostüme auf die Bühne. Salome wurde als das dargestellt, was wir erwarteten, nämlich eine verzogene, starrsinnige, liebeshungrige Prinzessin. Sie hat den kindlichen Wunsch, etwas besitzen zu wollen, was ihr freiwillig nicht gegeben wird. Nichts kann sie davon abbringen, ihren Plan auszuführen, und sie nutzt dazu den lüsternen Stiefvater. Sie animiert ihn und verlangt das, was sie anders nicht bekommen kann, den Kopf des Jochanaan. Und die Regisseurin verzichtet auf irgendwelche Mätzchen (Schwimmbad in Dresden usw..) und siedelt die Oper in der Zeit an, in der sie auch Oscar Wilde gesehen hat, nämlich um die Zeitenwende vor 2000 Jahren.
Vom ersten Ton an war die Enttäuschung weg. Narraboths (Angelos Samartzis) "Wie schön ist heut Prinzessin Salome" war derart überzeugend, mit klarem, strahlenden Tenor gesungen, daß man gebannt auf die Fortsetzung wartete. Selbst wir bei unserer nun 8. Live-Salome waren fasziniert von den ersten Tönen. Majken Bjerno als Salome (die Live wesentlich attraktiver wirkte als im Trailer) hatte einen guten Auftritt, das in der Höhe nicht zu leugnende Vibrato legte sich im Laufe des Abends. Ihr Tanz war der einer Sängerin, es war nicht Christel Goltz, aber ihren Zweck hat sie erreicht, nämlich Herodes willig zu machen. Als Höhepunkt ihrer Verführung entblößte sie kurz ihre Brüste, und der Stiefpapa war hin und weg. Herodes (Karsten Münster) war ein überzeugender Herrscher, seine Stimme braucht sich nicht zu verstecken hinter namhafteren Darstellern. Und seine Frau, die zynische, trinkende, aber fest zu ihrer Tochter stehende Herodias (Anja Daniela Wagner) war stimmlich und darstellerisch ebenfalls überzeugend.
Der Höhepunkt aber war der Auftritt und der Gesang aus dem Verlies von Jochanaan (Yoontaek Rhim). Er brannte ein Feuerwerk von baritonalen Spitzentönen ab, wie ich es live selten gehört habe. Seine Rolle hätte gern länger sein können.
Das relativ klein besetzte Orchester (42 Musiker ) war für diese Art der Aufführung groß genug, wenn auch die Süße der Streicher mangels Masse fehlte. Aber die Abstimmung der Lautstärke, die Balance zwischen Orchester und Singstimme ist Oliver Weder gelungen. Nach dem langen Schlußapplaus und vielen Bravorufen (auch von uns) bleibt ein aufregendes Erlebnis. Aber die leichte Enttäuschung kam auf der Heimfahrt wieder, nämlich die Frage, wie toll das alles mit Kulisse gewirkt hätte.
Was außer der Erinnerung bleibt ist eine Ende der Legende, daß nur namhafte Häuser begeistern können. Der Abend war ein Beweis für die Leistungsfähigkeit des deutschen Stadttheaters. Aber er schürte auch die Wut bei uns, was heutzutage im Theater angeboten wird und viele Menschen davon abhält, sich im Theater an Musik, Bühnenbild, Kostümen und tollen Stimmen begeistern zu lassen.
https://www.youtube.com/watch?v=2EbOFZCsBQI
Herzlicht La Roche