Kleine Vorbemerkung für neue Benutzer: Es wäre nicht ganz falsch, den Threads "Französische Orgelmusik Allgemeine Vorbemerkungen" und "Französische Orgelmusik Cavaille-Coll-Orgeln"
etwas Aufmerksamkeit zu schenken.
Einleitung und Sonate Nr. 2
Hallo,
Felix-Alexandre Guilmant 1837 - 1911; zum Lebenslauf verweise ich auf Wikipedia.
Wer unter der Suchfunktion des Forums "Guilmant" eingibt, stößt auf die lesenswerten Beiträge von "Karsten, AH, widor, reklav29" - einen Thread über ihn gibt es nicht.
Ich stelle folgende Werke vor:
Die Organistin Suzanne Chaisemartin war Schülerin von Marcel Dupre, der wiederum
Schüler von Guilmant war; sie spielt auf der Cavaille-Coll-Orgel von St-Sulpice, Paris, an der Guilmant 30 Jahre Organist war - eine authentische Interpretation ist also gewiss.
Peter Eilander ist ein Organist aus den NL und spielt auf der Cavaille-Coll-Orgel l'Abbatiale St-Quen, Rouen
Die Orgeldispositionen für beide CDs sind sowohl auf den CD-Booklets zu lesen, als auch im Internet abrufbar.
"Außer Konkurrenz" läuft diese CD:
Der Organist R. Delcamp spielt auf der "Casavant Organ" of All Saint's Chapel, Sewanee/Tennessee; Orgeldisposition auf dem CD-Booklet.
Ich habe sie nur deswegen mit herein genommen, weil die Nr. 3 = Nr. 5 auf CD Volumen 2 und
weil die Nr. 6 = Nr. 2 auf CD Volumen 4
Zu den Hörvergleichen schreibe ich bei der CD Volumen 2 Nr. 5 + CD Volumen 4 Nr. 2.
Die Laufzeitangaben zu den CDs von…bis… und die Taktangaben /…-…/ behalte ich bei, ebenso gebe ich meine Höreindrücke in […] an.
Ein Bemerkung vorab zu den Werken von Guilmant: Francks große Orgelwerke, vielleicht Piece heroique und Grand piece symphonique ausgenommen, haben noch Charakter von kirchlicher Orgelmusik. Bei Guilmant ist das grundsätzlich nicht mehr so direkt gegeben; manche Harmonikwendungen, Akkordverbindungen, Melodieführungen, rhythmische Varianten sind besser im Konzertsaal, in der Oper vorstell- bzw. hörbar, als im kirchlichen Rahmen. Beispielhaft werde ich einige Stellen in [!.......!] mit CD-Laufzeit und Takt kenntlich machen, um das nachvollziehen zu können.
Sonate Nr. 2, D-Dur, op. 50 (1876/83)
Ich zitiere aus Nr. 4: "…ist eine bescheidene Komposition mit herkömmlicher 3-sätziger Satzfolge…in Melodik und Harmonik nimmt sie deutlich Bezug auf Schumann und Mendelsohn Bartholdy."
1. Satz Allegro moderato, 4/4:
(Register: Solostimme rechts 4-Fuß Oboe und 8-Fuß Fagott, auch 8-Fuß Trompete - Hauptwerk links 16- und 8-Fuß mit Koppel zur Solostimme - Pedal Flöte 8-Fuß und Bordunflöte(klarinettenähnlich) 16-Fuß, auch Koppel zum Hauptwerk)
0.00 bis 0.25 /1-8/ rechts 1.Thema 1, links Harmonik, Pedal Fundamentstimme mit Durchgangsnoten, alles Achtelnoten. Von 0.26 bis 0.54 /9-18/ anfangs rechts Thema Wiederholung 1 Oktave höher ohne Pedal, dann Verarbeitung mit Pedal. Ab 0.55 bis 1.21 /19-26/ 2. Thema, das von 1.22 bis 1.46 /27-34/ wiederholt wird; 1.47 bis 2.06 /35-40/ Thema 1. Von 2.07 bis 4.13 Wiederholung (=0.00 bis 2.06 /1-40/).
Ab 4.14 bis 5.04 /41-57/ Tonartwechsel nach F-Dur; 4.14 bis 4. 27 /41-44/ Thema rechts, dann Verarbeitung des Themas: 4.26 /45/ Pedal 2 Takte des Themas, /46/ Thema rechts Unterstimme, ½ Takt später Thema rechts Oberstimme. Ab /56/ Vorbereitung des Tonartwechsels in /58/ zurück nach H-Dur.
Ab 5.05 bis 6.20 /58-81/ Thema 1 und Verarbeitung, bei 5.17 /66-68/ wieder 2 Takte Thema im Pedal. Von 6.21 bis 6.45 /82-89 Thema 2, das sofort ab 6.46 /90/ wiederholt wird und dann bei /98/ in die Wiederholung von Thema1 mit Orgelpunkt mündet und bei 7.30 /102/ übergeht in einen Andante Schluss 7.50 /104/.
[Das Thema 1 ist leicht einzuprägen und sanglich, obwohl Thema 2 Thema 1 verwandt scheint, ist es weniger sanglich. Die für Franck typischen häufigen kleinen Moll-Eintrübungen fehlen, es werden ganze Themenverarbeitungen in Moll durchgeführt. Der Satz macht einen heiteren, gelösten Eindruck, was auch durch den Eindruck des leicht vorantreibenden Tempos bestärkt wird.]
2. Satz Larghetto (molto sostenuto), 4/4:
(Register: Solostimme rechts "Himmlische Stimme" und 8-Fuß Gambe - links Positif (= verkleinertes Hauptwerk) "Weidenflöte-Schwebung", Koppel mit Solostimme -
Pedal 16-Fuß Subbass, 32-Fuß Bordunflöte, 16-Fuß Violone, 8-Fuß Cello).
0.00 bis 0.08 /1+2 ohne letztes Viertel)/ Tonartwechsel von 1. Satz D-Dur nach B-Dur im Terzakkord, 1.Thema rechts und Oberstimme links.
0.09 bis 0.18 /mit letztem Viertel aus 2, 3+4/ 2. Thema rechts.
0.19 bis 0.28 /5+6 ohne letztes Viertel/ Wiederholung 1.Thema.
Ab 0.29, letztem Viertel in Takt 6, Wiederholung 2.Thema: Auf diesem letzten Viertel in Takt 6 erfolgt ein phrasiert-arpeggioartiger Wechsel, cresc. von B-Dur nach [! B,D,F,AS,H, und in Takt 7 erstes Viertel nach B,E,G,C,F/G/E!] um dann nach dim. bei 0.40 /9/ in c-Moll anzukommen und dann bei 0.58 /12/ zu enden.
Ab 0.59 /13/ wird dann erneut Thema 1 + 2 in unterschiedlichen Modulationen wiederholt, ab /16/ Orgelpunkt, was dann bei 1.47 /22/ endet und zuvor über 2 Takte ein kleines Ostinato rechts und links erklingt. Ab 1.47 /13/ wird Thema 1 + 2 erneut wiederholt, [! in Takt 28 + 29 wiederholt sich Takt 6 + 7!] und durch den Orgelpunkt im 32-Bordunbass wird ein noch ruhigeres Klangbild hörbar. Nach den Takten 28 + 29 mit großem cresc. endet der 2. Satz in lang ausgehaltenen Akkorden mit stetigem dim. in ppp.
3.Satz Allegro vivace, 3/4:
(Register: Große Orgel, 4-16 Fuß)
In ff von 0.00 bis 0.10 /1-8/ das 1. Thema - welches große Ähnlichkeit mit dem 1. Thema des 1. Satzes hat - in Oberstimme rechts (Unterstimme rechts und Pedal im "kleinen Terzabstand" parallel, Thema imitiert); von 0.11 bis 0.19 /9-16/ Wiederholung mit kleinen Änderungen. Ab 0.20 /17/ 1.Thema links und weitere Verarbeitung bis 0.47 /40/. Kanonartig ab 0.48 /41/ 2. Thema links, 0.53 /44/ 2. Thema rechts, 1.02 /52/ 2. Thema Pedal und Verarbeitung bis 1.21 /70/und dim.
Ab 1.22/71/ rechts (Manual Solostimme mit Zungenpfeifen 4- und 8-Fuß, Schweller) imitiert 1. Thema in p, im Pedal (ohne Koppel) 6-taktiges Ostinato; Verarbeitung bis 2.02 /104/.
Ab 2.03 /105/ erklingt das 1. Thema in ff und in a-Moll, um dann über viele Modulationen bei 2.53 /149/ wieder in B-Dur anzukommen. Dann folgt in f von 2.54 bis 3.02 /150-157/ eine Überleitung mit anfangs 4 Takten Orgelpunkt im Pedal und ab 3.02 /158/ wird das 1. Thema (=0.00 bis 0.19 /1-16/) in ff wiederholt, was bei 3.23 /176/ endet.
Von 3.24 bis 4.09 /177-214/ erfolgt eine Wiederholung (=1.22 bis 2.02 /71-104/) in stark erweitertem Akkordumfang. Von 4.10 bis 4.46 /215-246/ werden alle Themen in einer "Kurzversion" in ff wiederholt.
Ab 4.47 /247/ kommt in fff der gewaltige Schluss mit Oktavverdoppelungen in allen Stimmen, anfangs imitiert Thema 1 (wie bei 1.22 /71/), ab /263/ das 1. Thema; der Schlussakkord /273-274/ notiert 10-stimmig.
Entgegen meiner "Bemerkung vorab zu…" könnte ich mir - bei einem auch möglichen Einfühlen in das einfache Werk - die Sonate Nr. 2 durchaus als Orgelmusik in einer weihnachtlichen kirchlichen "Veranstaltung" vorstellen: Der 1. Satz als Ankündigung einer frohen, einfachen, für Jeden eigentlich verständlichen Botschaft. Der 2.Satz als Schilderung eines Gleichnisses. Der 3. Satz drückt die ausgelassene Freude des Hörers aus, bei dem die Botschaft angekommen ist. - Für mich höre ich da etwas Tänzerisches heraus; [!das betrifft die immer wieder zu hörenden Stellen mit dem 6-taktigen Ostinato, zuerst bei 1.22 /71/!]
Herzliche Grüße
zweiterbass