Leevi Madetoja - Komponist der finnischen Nationaloper

  • Nachdem wir uns in den letzten Tagen intensiv mit Erkki Melartin beschäftigt haben, folgt nun hier sein Zeitgenosse Leevi Madetoja.



    Leevi Antti Madetoja wurde am 17.2.1887 in Oulu geboren und starb am 6.10.1947 in Helsinki. Er war damit 12 Jahre jünger als Erkki Melartin.


    Madetoja gilt neben Jean Sibelius, dessen bedeutendster Schüler er war, als einer der wichtigsten Vertreter der finnischen Spätromatik. Aufgewachsen im Nordwesten Finnlands, studierte er ab 1906 in Helsinki und von 1910 bis 1912 in Paris, Wien und Berlin. Anschließend kehrte er in seine Heimat zurück und lehrte an der Sibelius-Akademie.


    Er komponierte 3 Symphonien 1916, 1918 und 1926, also gleichzeitig mit den letzten zwei von Melartin. 1923 komponierte er die finnische Nationaloper Die Ostbottnier (finnisch Pohjolaisia), von der es auch eine Orchestersuite gibt.


    Die Musik von Madetoja wurde nicht so stiefmütterlich behandelt wie die von Melartin. Schon zu Vinylzeiten gab es eine Gesamtaufnahme seiner Symphonien (hätte ich gerne, wird aber selten angeboten).


    Die mir vorliegende Doppel-CD erschien 1996 auf dem Finlandia Meet the Composer Label. Die 3 Symphonien werden hierbei von drei unterschiedlichen Dirigenten dirigiert. Neuere Aufnahmen dirigiert von Sakari gibt es auf Chandos (derzeit günstig beim Werbepartner) und von Volmer bei Alba (teuer!).

  • Die erste Symphonie ist ein dreisätziges Werk von 25 min Länge. Die Tonsprache ist tonal und gefälliger als die von Melartin. Der erste Satz ist ein heiteres Allegro, das sofort sympathisch rüberkommt. Das zweite Thema erinnert entfernt an die Baccarole von Offenbach. Die Musik erinnert auch stellenweise ein wenig an Rachmaninoff (seine 2. stammt von 1906). Bezüge zu Richard Strauss - wie bei wikipedia beschrieben - höre ich nicht. Besonders wertvoll ist der 2. Satz, ein Lento misterioso. Der dritte ist dann sicher als Referenz an den großen Lehrer gedacht, der Anfang könnte von ihm stammen.


    Leif Segerstam und das Finnische RSO sind kompetente Sachwalter, die Aufnahme von 1985 klingt tadellos.


    Diese Symphonie sollte man kennenlernen.

  • Angeregt durch diesen Thread habe ich mir seinerzeit die links oben abgebildete CHANDOS Doppel-CD mit dem Iceland Symphony Orchestra unter Petri Sakari gekauft., welche alle drei Sinfonien beinhaltet, sowie zwei Suiten – op 52 und op 58
    Heute habe ich ausschliesslich die dreisätzig angelegte Sinfonie Nr 1 gehört. Beim ersten mal Hören beeindruckte mich das Werk nicht sehr – aber wie so oft, gefallen mir moderat moderne Werke immer besser, desto öfter ich sie höre. Das war im Falle der ersten Sinfonie 4 Mal der Fall. Ich höre lieber EINE der zur Verfügung stehenden MEHRMALS und gewinne dann einen – wenn auch groben – Gesamteindruck, als alle Sinfonien hintereinander zu hören, und nach kurzer Zeit feststellen zu müssen, dass nicht in meiner Erinnerung geblieben ist.


    Zwei Jahre, nämlich von 1914-1916 hat Madetoja an der Sinfonie Nr 1 gearbeitet. Sie ist Robert Kajanus (1856-1933) , dem Gründer und damaligen Dirigenten des Helsinki Orchestra gewidmet und wurde am 10. Februar 1916 in Helsinki unter der Leitung des Komponisten aufgeführt.
    Wie Lutgra schon weiter oben beschrieben hat beginnt sie sehr offensiv und freundlich. Sie ist völlig tonal. Welche Erinnerungen man an andere Komponisten beim hören dieses Werkes hat hängt wahrscheinlich von den Hörerfahrungen jedes Einzelnen ab. Ich höre beispielsweise im 3. Satz Anklänge an Richard Strauß (und nicht wie im Booklet behauptet im 1. Satz) Der dritte Satz ist generell ein Schmuckstück mit seinen durchaus cantabel lyrischen Stellen, wo man zwischendurch – so man will – sogar Mendelssohns Sommernachtstraummusik vorsichtig durchschimmern sehen (hören) kann. Inzwischen bin ich in den dritten Satz richtiggehend „verliebt“ Auch an den lyrischen Stellen gerät er niemals ins Melancholische, sondern wahrt den positiven Grundcharakter der Sinfonie.
    Das Werk enthält viele feine Zwischentöne, welche über Kopfhörerwiedergabe besser zur Geltung kommen als mit Lautsprechern .....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 109

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mir ist heute diese CD "zugeflogen". Eine Wiederbegnung mit der ersten bestätigt den positiven Eindruck. Hier steht noch gar nichts über die anderen zwei. Das muss sich ändern. :D

  • An sich habe ich mit die hier gezeigte Doppel-CD – sie enthält unter anderem alle 3 Sinfonien – dieses Threads halber gekauft. Heute habe ich den Anlass wahrgenommen und habe die 2. Sinfonie gehört. Sie ist erheblich länger als die erste, knapp 44 statt knapp24 Minuten. Und ist 4sätzig. Madetoja begann die Komposition 1916 und im Sommer 1918 wurde sie vom Helsinki City Orchestra unter Robert Kajanus mit außergewöhnlichem Erfolg uraufgeführt.
    Der Autor des Booklets nennt das Werk eine monumentale und tragische Sinfonie und stellt Bezugpunkte zum Verlust des Bruders und eines Freundes von Madetoja im finnischen Bürgerkrieg her. Ich habe die Sinfonie bewusst zuerst gehört – mir ein Urteil zu bilden versucht – und DANN im Booklet gelesen. Ich kann dem Attribut „monumental“ zustimmen, aber als „tragisch“ habe ich das Werk nicht wirklich empfunden, wohl aber stimme ich mit dem Autor überein, wenn er das Wort „Resignation“ in Zusammenhang mit dieser Sinfonie gebraucht. Sie ist sehr breit angelegt, an wenigen Stellen aufbrausend, aber über weite Teile resignierend, aber nicht traurig oder verzweifelt. Ich fand Stellen im zweiten Satz die von der Stimmung (nicht der Melodie her) an Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen“ erinnerten (Ging heut morgen übers Feld) aber auch an den „Hirtengesang“ von Berlioz „Sinfonie fantastique“ Man darf daraus nicht folgern, dass es sich hier um ein epigonales Werk handelt – im Gegenteil. Aber irgendwie muß man dem Leser eben die subjektiven Eindrücke so beschreiben, dass er sich etwas vorstellen kann. Ein perfekt gelungener Schock ist indes der Beginn des 3. Satzes. Von Resignation keine Spur. Hier könnte man in der Tat von „tragisch“ sprechen – aber von alleine hat sich mir dieser Gedanke nicht aufgedrängt, ich hatte eher den Eindruck eines stürmisch bewegten Meeres. Resignierend beschliesst dann wieder
    der vierte Satz. Ohne es näher beschreiben zu können, fiel mir auf, dass Madetoja über eine völlig eigene Tonsprache verfügt, die ihn irgendwie „unverwechselbar“ macht. In diese Sprache musste ich mich zwar anfangs erste einhören, sie ist aber durchaus interessant und stellenweise durchaus klangschön. Kontraste setzt der Komponist sehr bewusst und effektvoll ein – im Gegensatz zu „Patchwork-Technik“ manch englischen Komponisten derselben Epoche. Ich bin schon gespannt wie Lutgra die Sinfonie „erlebt“ hat.
    Für Interessenten: Madetoja bleibt im tonalen Bereich, ist ansatzweise „modern“ oft aber auch noch mit dem späten 19. Jahrhundert verbunden….


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Kullervo ist eine Figur aus der finnischen Kalevala Sage. Jean Sibelius hat ihr sein umfangreichstes Werk, die 80-minütige Kullervo Symphonie für Solisten, Chor und Orchester gewidmet, ein frühes Werk, das noch vor der ersten Symphonie entstand.
    Ebenfalls vor der ersten Symphonie entstand Madetoja's symphonische Dichtung Kullervo, die mit 15 min wesentlich kürzer ist. Es handelt sich um eine klassische symphonische Dichtung im Stile Liszts mit abwechselnd lyrischen und dramatischen Passagen, die mit dem Tod des Helden enden. Auch die Tonsprache erinnert durchaus an Liszt, das Stück könnte fast von ihm stammen. Das tut dem Ganzen aber keinen Abbruch, es ist ein klangschönes Werk, das sehr ansprechend ist, zumal hier vom Helsinki PO unter Storgards gut in Szene gesetzt. Das Hauptwerk der CD ist natürlich die schon weiter oben von Alfred besprochene 2. Symphonie. Darüber demnächst mehr.

  • Ich hörte mir gerade diese Tondichtung (via Spotify) an. Wirklich interessant. An Liszt musste ich persönlich nicht denken, dazu klang sie mir doch zu nordisch. Man merkt, dass sein Lehrer Jean Sibelius hieß. Gleichwohl hat Madetoja eine eigene Tonsprache. Ich würde sie etwas moderner nennen, nicht gar so spätromantisch. Die Abgründe des "Kullervo" bei Sibelius höre ich bei Madetoja nur ansatzweise. Vielleicht liegt das auch daran, dass der Gesang komplett fehlt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Leevi Madetoja ist vermutlich der populärste finnische Symphoniker nach Sibelius, es gibt mindestens vier Aufnahmen seiner drei Symphonien, mehr hat wohl nur der Lehrer und Meister selbst vorzuweisen. Von den drei Symphonien ist die zweite nicht nur die längste sondern sicher auch die gewichtigste. Sie entstand 1916-1918 zu Zeiten des blutigen finnischen Bürgerkrieges, bei dem auch der Bruder des Komponisten ums Leben kam. Insofern hat das Werk tragische Momente, allerdings auch nach meinem Empfinden jetzt nicht besonders ausgeprägte. Für mich klingt diese Symphonie sehr nach Sibelius, irgendwo zwischen dessen erster und zweiter Symphonie und im ersten Satz höre ich auch klar Einflüsse von Tschaikovsky. Diese spätromantische Symphonie gefällt mir mit jedem Hördurchgang besser und ich denke sie gehört in jede finnische Symphoniekollektion, die über den Übervater hinausgehen will.
    Die in Beitrag 6 gezeigt CD wird diesem Werk wie auch den kürzeren beiden anderen in vollem Umfang gerecht, so dass ich diese Ondine CD nur wärmstens empfehlen kann. Wenn man nur eine CD dieses Komponisten haben möchte, dann sollte es diese sein.


    P.S. Die beiden Opern von Madetoja fehlen übrigens noch im Opernführer.