Trotz des ersten Höhepunkts der Fußball-WM war das Nationaltheater gestern Abend fast ausverkauft. Gegeben wurde Bellinis Version der Romeo und Julia-Geschichte, „I Capuleti e i Montecchi“. Wie ich wurden vielleicht auch andere davon angelockt, dass für die Hosenrolle des Romeo ursprünglich Elina Garanča vorgesehen war, die allerdings vor einigen Wochen absagte. Beim ersten Konzertauftritt nach ihrer Babypause, so die Begründung, habe sie gemerkt, dass sie noch nicht stark genug für eine szenische Opernaufführungs-Serie sei. Sehr bedauerlich. Als Ersatz wurde die spanische Mezzosopranistin Silvia Tro Santafé engagiert, die sich inzwischen einen Ruf nicht nur als Belcanto-Spezialistin, sondern auch als Händel-Sängerin erarbeitet hat. Auch gestern Abend lieferte sie einen durchaus beachtlichen Auftritt ab und erhielt sogar den meisten Applaus, auch wenn es ihr nach meinem Eindruck noch etwas an Bühnenpräsenz mangelte. Gleiches gilt für Ekaterina Siurina, die ihr ansonsten als Giulietta eine ebenbürtige Partnerin war. Das Bayerische Staatsorchester stand unter der Leitung von Riccardo Frizza, der die Sänger behutsam begleitete, dessen dramatische Gestaltung aber manchmal etwas zu wünschen übrig ließ.
Während die Aufführung musikalisch zwar nicht herausragend, aber doch zumindest sehr gut war, lässt sich das leider von der Regie überhaupt nicht sagen, falls man überhaupt von einer solchen sprechen kann. Da ich vor einigen Jahren an der Berliner Staatsoper schon einmal eine Arbeit von Vincent Boussard gesehen hatte (Händels "Agrippina"), war ich auf das Schlimmste vorbereitet, was dann leider auch eintrat. Die „Regie“ erschöpfte sich darin, die schönen, aber zweckfreien Kostüme von Christian Lacroix in einem zugegeben sehr ästhetischen Bühnenbild zur Schau zu stellen. Eine Personenregie war hingegen nicht erkennbar, und mit dem Chor wusste Boussard nun gar nichts anzufangen, besonders deutlich zu sehen im Aufeinandertreffen der verfeindeten Capuleti und Montecchi am Ende des ersten Akts, in der eine Konfrontation überhaupt nicht sichtbar wurde. Die meiste Zeit hätte man getrost die Augen schließen können, ohne irgendetwas auf der Bühne zu verpassen. Ich habe nun endgültig beschlossen, mir keine Inszenierung dieses Regisseurs mehr anzuschauen.