Liszts textliche Vorlagen zu seinen Sinfonischen Dichtungen (und nicht nur zu ihnen) sind geschickt gewählt. Sie regen zum Nachdenken an und suggerieren musikalische Bezüge zu einer textlichen Vorlage oder einer Person, die gar nicht bestehen. Dies war recht schnell mein Eindruck, wurden die Bezüge doch oft erst nach Fertigstellung der Komposition faktisch hineininterpretiert. Immerhin – bei der vierten, seiner sinfonischen Dichtungen „Orpheus“ vermag es einigermaßen zu überzeugen, allein schon durch den Einsatz der Harfen und des lieblich – lyrischen Grundkonzepts der Komposition. Liszt will die Eingebung zu diesem Werk bei der Betrachtung einer etruskischen Vase mit Orpheusmotiv gehabt haben. Die Inspiration indes war meiner Meinung nach nicht sehr prägend, die Charakterisierung der Person des Orpheus eher diffus. Verkörperung von Musik und Kunst – na ja. Der Gesamteindruck des Beliebigen wird durch die Kürze der Komposition (ca. 11 Minuten) und das Fehlen jeglicher sonst bei Liszt beinahe obligater vordergründiger Effekte noch unterstrichen.
Die Uraufführung fand am 16. Februar 1854* am Weimarer Hoftheater statt - und zwar als Einstimmung auf eine Festaufführung von Glucks „Orpheus und Euridike“ – Erst nachträglich – wie so oft wurde die Komposition in eine Sinfonische Dichtung umgewandelt. Wie schon zu Beginn kurz angerissen: Listzt verwendet den Kunstkniff, seine sinfonischen Dichtungen mit berühmten Personen und ihren Charaktären einerseits und anderen Ereignissen und interessanten Dingen andrerseits zu verknüpfen und ihnen auf diese Weise Aufmerksamkeit zu sichern.
(Orpheus - etruskische Kunst - Gluck)
mit freundlichen Grüßen aus Wien
Alfred
*andere Quellen geben das Jahr 1853 ohne näheres Datum an