Franz Liszt: Sinfonische Dichtung Nr 4 - Orpheus

  • Liszts textliche Vorlagen zu seinen Sinfonischen Dichtungen (und nicht nur zu ihnen) sind geschickt gewählt. Sie regen zum Nachdenken an und suggerieren musikalische Bezüge zu einer textlichen Vorlage oder einer Person, die gar nicht bestehen. Dies war recht schnell mein Eindruck, wurden die Bezüge doch oft erst nach Fertigstellung der Komposition faktisch hineininterpretiert. Immerhin – bei der vierten, seiner sinfonischen Dichtungen „Orpheus“ vermag es einigermaßen zu überzeugen, allein schon durch den Einsatz der Harfen und des lieblich – lyrischen Grundkonzepts der Komposition. Liszt will die Eingebung zu diesem Werk bei der Betrachtung einer etruskischen Vase mit Orpheusmotiv gehabt haben. Die Inspiration indes war meiner Meinung nach nicht sehr prägend, die Charakterisierung der Person des Orpheus eher diffus. Verkörperung von Musik und Kunst – na ja. Der Gesamteindruck des Beliebigen wird durch die Kürze der Komposition (ca. 11 Minuten) und das Fehlen jeglicher sonst bei Liszt beinahe obligater vordergründiger Effekte noch unterstrichen.
    Die Uraufführung fand am 16. Februar 1854* am Weimarer Hoftheater statt - und zwar als Einstimmung auf eine Festaufführung von Glucks „Orpheus und Euridike“ – Erst nachträglich – wie so oft wurde die Komposition in eine Sinfonische Dichtung umgewandelt. Wie schon zu Beginn kurz angerissen: Listzt verwendet den Kunstkniff, seine sinfonischen Dichtungen mit berühmten Personen und ihren Charaktären einerseits und anderen Ereignissen und interessanten Dingen andrerseits zu verknüpfen und ihnen auf diese Weise Aufmerksamkeit zu sichern.
    (Orpheus - etruskische Kunst - Gluck)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred



    *andere Quellen geben das Jahr 1853 ohne näheres Datum an

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Selbstverständlich möchte ich mich auch zu Orpheus äußern und diesen Thread nicht verstauben lassen.


    Bei meinen CD-Käufen hatte es sich so ergeben, dass die Masur-Aufnahme (EMI) in der GA meine einzige Aufnahme auf CD ist, da ich die Haitink-Aufnahmen auf CD in Einzelausgaben (ohne Orpheus) gekauft habe. Orpheus mit Haitink kenne ich nur von meiner alten Philips-LP-Box.
    :thumbup: Bei Masur ist man aber an der richtigen Adresse.
    Klangschön, bei dem der typisch lisztsche Orchesterklang gleich deutlich wird, erklingt das Leipziger Orchester mit Soloharfenklängen. Masur braucht angemessene 9:36 für das wenig beachtete brave Stück, wodurch erst gar keine Langatmigkeit aufkommt - man ist zufrieden und freut sich auf die nächste Sinfonische Dichtung. Angenehmes Zwischenspiel! Bei Haitink zieht sich Orpheus mit 11Minuten schon etwas mehr in die Länge.



    EMI, 1977-1980, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang