Franz Xaver Schnyder von Wartensee (1786-1868) - ein schweizerischer Romantiker

  • Franz Xaver Schnyder von Wartensee war ein schweizerischer Komponist und Musikschriftsteller. Er stammte aus einer Luzerner Patrizierfamilie und wurde am 18. April 1786 in Luzern geboren. Er starb am 27. August 1868 in Frankfurt am Main, wo er fast 40 Jahre gewirkt hat.

    Er arbeitete zunächst standesgemäß in einem Finanzbüro in Luzern, widmete er sich aber ab 1810 ausschließlich der Musik und studierte zunächst in Zürich. Im Dezember 1811 kam er nach Wien und fand in dem Kapellmeister Johann Christoph Kienlen (1783–1829) einen Lehrer. Ursprünglich wollte er auch Schüler von Ludwig van Beethoven werden, der jedoch keinen Unterricht mehr erteilte – mit Ausnahme des Erzherzogs Rudolph von Österreich. Schnyder hat dennoch mehrfach Beethoven getroffen und umfangreiche Erinnerungen an diesen hinterlassen, die als wichtiges persönliches und ungeschminktes Zeugnis des schwierigen Komponisten gelten.
    1815 beteiligte er sich amn Feldzug gegen die Franzosen, danach erhielt er eine Anstellung in Johann Heinrich Pestalozzis Erziehungsanstalt in Yverdon. Zwei Jahre später siedelte er nach Frankfurt am Main über, wo er mit kurzen Unterbrechungen bis zu seinem Tod lebte und wirkte.
    Die 1847 gegründete „Stiftung Schnyder von Wartensee“ zur Förderung künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeiten existiert immer noch und wird heute von der Zentralbibliothek Zürich verwaltet (nach einen Artikel in wikipedia).
    Von Wartensee komponierte im Bereich Oper, Oratorium, Kantate und Lieder. Von ihm sind auch drei Symphonien erhelten, die in den 1840er Jahren entstanden, also zeitglich mit denen von Mendelssohn und Schumann.

  • Von den drei Symphonien von Schneyder von Wartensee sind zumindest die letzten beiden eingespielt worden, die 2. Symphonie scheint aber nur auf einer älteren LP greifbar und erschien bisher wohl nicht auf CD. Sie ist auf youtube zu hören, in einer guten, wenn auch gelegentlich knisternden Überspielung von der LP.



    Die Symphonie trägt den Untertitel "Erinnerung an Haydn". Wer nun eine Haydn-Parodie erwartet, wird angenehm enttäuscht, denn das Werk verleugnet sein Entstehungsjahr 1835 nicht und bis auf die Verwendung des berühmten Kaisermotivs im letzten Satz ist von Haydn selbst wenig zu hören. Das Werk hat auch genügend Abstand zu Beethoven (wenn auch im letzten Satz gelegentlich Anklänge nicht zu überhören sind) und den Zeitgenossen Mendelssohn und Schumann, so dass man Schneyder von Wartensee eine gewisse Eigenständigkeit nicht absprechen kann, als einzig mir bekannter Komponist hat er zu dieser Zeit offensichtlich schon die neuartigen Instrumentationseffekte von Berlioz' Symphonie fantastique rezipiert und mit verarbeitet. Ich finde dieses Werk nach einmaligen Hören ehrlich gesagt interessanter als jede der 5 oder 6 Spohr-Symphonien, die ich bisher gehört habe, und bin gespannt auf die 3. Symphonie, die mich nach Rückkehr aus dem Urlaub in Stuttgart erwarten dürfte. Alfred hat sie vor 8 Jahren einmal kurz als "gerade gehört" erwähnt, allerdings ohne Kommentar. Diese auf Sterling erschienene CD wird übrigens vom Autor meiner Urlaubslektüre Christopher Fifield dirigiert. Sein/e Buch/Ph.D. Thesis: The German Symphony between Beethoven and Brahms" ist sehr interessant. Leider kann man vieles was er schreibt und vor allem aus historischen Quellen zitiert, nicht nachvollziehen, da es von den entsprechenden Werken noch gar keine Einspielungen gibt. Aber unsere Labelverantwortlichen können hier viele Anregungen für zukünftige Aufnahmeprojekte finden.

  • In der Tat besitze ich die dritte Sinfonie, die unerklärlicherweise den Beinamen "Militaire" trägt. Um einen konnte ich damals nichts über die Sinfonie schreiben, weil ich kaum auf Resonanz hoffen durfte (ein heute weitgehend unbekannter Komponist, der nur über einen sehr knappen Eintrag bei Wikipedia verfügt. Dabei war Schnyder von Wartensee ein Mann aus reichem Haus und mit zahlreichen Verbindungen zu prominenten Komponisten seiner Zeit. Der Plan, Beethovens Schüler zu werden, scheiterte daran, das Beethoven zu jenem Zeitpunkt keine Schüler mehr annahm. Dennoch blieben die beiden in Kontakt. Hingegen entwickelte sich zwischen Schnyder von Wartensee und Spohr eine veritable Freundschaft.
    Die Sinfonie Nr 3 entstand 1848. Sie ist schwer einzuordnen und folgt, genau betrachtet, eigentlich keinen Vorbildern. Einige Themen sind Opern des Komponisten entliehen. Der Komponist entwickelt iin dieser Sinfonie eine Vorliebe für bombastische fanfarenartige Effekte. Danebenfinden sich aber auch äußerst eingängige, melodiöse Passagen.
    Alles in allem möchte ich mehr von diesem Komponisten hören. Leider konnte ich nirgendwo so etwas wie ein Werkverzeichnis finden. Seis drum - 3 Sinfonien hat er ja mindestens geschrieben, sowie einige Opern, die teilweise gar nie aufgeführt wurden. Über seine 3. Sinfonie schrieb der Komponist:
    Im Herbst 1848 schrieb ich, in der Erwartung, wieder nach Frankfurt gehen zu können, eine neue Sinfonie (militaire) für das dortige, ausgezeichnete Orchester, die nur noch meinen näheren Freunden durch vierhändige Bearbeitung bekannt ist, und die an Frische und Neuheit der Erfindung meine Zweite vielleicht noch übertrifft...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Leider konnte ich nirgendwo so etwas wie ein Werkverzeichnis finden.


    Bitte sehr, bitte gleich - hier das gewünschte Werkverzeichnis -dazu ein noch recht umfangreiches, v.a. bei den Vokalkompositionen.


    http://www.musinfo.ch/index.ph…see&vorname=Franz%20Xaver

  • Nachdem ich die 3. von Wartensee in den letzten Tagen mehrmals gehört habe, gehen mir einige Themen nicht mehr aus dem Kopf. Eine wirklich attraktive Symphonie, die die Tonsprache der drei Wiener Klassiker weiterentwickelt. Ob die von Alfred erwähnten bombastischen fanfarenartigen Effekte, die mich an Mozart's Janitscharenmusik erinnern, wirklich so Tsching-Derassa-Bum mäßig daherkommen müssen, weiß ich nicht, aber zumindest prägen die sich schon einmal ein. Was Wartensee im Gegensatz zu einigen Zeitgenossen wirklich auszeichnet, sind interessante und eingängige Melodien, hier ist er klar Vorläufer des Landsmannes Joachim Raff. Auch gelingt es ihm im Gegensatz zu vielen Konkurrenten einen mitreissenden Finalsatz zu schreiben. Dirigent Fifield ordnet diese Symphonie unter die "near miss" Symphonien ein, also die, die es beinahe ins ewige Repertoire hätten schaffen können. Bezeichnend auch dass dieses Werk bereits 1939 "wiederentdeckt" wurde und zwar von keinem Geringeren als von Hermann Scherchen, der es am Weihnachstabend in der Schweiz aufführte und sich sehr positiv darüber äußerte. Auch Furtwängler soll die im 2. Beitrag gewürdigte 2. Symphonie von Wartensee als Manuskript analysiert und gelobt haben, leider hat er es wohl nicht zu einer Aufführung gebracht.
    Leider finde ich keine Einspielung der ersten Symphonie, das könnte für unser Lieblingslabel Ansporn sein, hier tätig zu werden.