Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 62 D-Dur

  • Sinfonie Nr. 62 D-Dur


    Besetzung Flöte, je zwei Oboen, Fagotte, Hörner, Streicher


    Enstanden ca. 1780 (die Urform des Kopfsatzes als Ouverture schon 1777); 61, 63 und 62 sind die zuletzt entstandenen Sinfonien mit 60er Nummern...


    1 Allegro 2/2
    Dieser Satz basiert auf der Ouverture zu einer (verschollenen) Marionettenoper, diesen spielerischen Charakter findet man durchaus wieder. Ebenso fungierte der Satz auch schon als alternatives Finale für Nr. 53 (Version "B")
    Ein eher leichter, freundlicher Satz; Das Haupthema besteht aus einem absteigenden D-Dur-Dreiklang im forte mit einer munter plaudernden piano Antwort. Eine lebhafte Überleitung führt zum melodischen Seitenthema, zuerst in den Geigen, wiederholt mit Flötenverdopplung; anschließend tritt noch eine spielerische Doppelschlagfigur auf.
    Die Durchführung besteht hauptsächlich aus einem Wechselspiel zweier eher nebensächlicher Überleitungungmotive: einem aufsteigenden Dreiklang in halben Noten und der kleinen Doppelschlagfigur. Sie werden durch diverse Tonarten geführt, durchsetzt von ff-Schlägen. Als dann endlich das Kopfmotiv des Hauptthemas, dramatisch gewendet, auftritt, befinden wir und schon in der Überleitung zur Reprise, die keine Überraschungen bringt.



    2 Allegretto 6/8
    (ebenfalls in D-Dur, alle Sätze stehen ausnahmsweise in der gleichen Tonart)
    Dieser ungewöhnliche Satz beginnt minimalistisch: Eine Triolen-Begleitfigur und zweimal zwei Töne werden zunächst zweistimmig von gedämpften Streichern vorgetragen. Bevor sich eine rechte Melodie ausbilden kann, wird die Begleitfigur von der Flöte übernommen, drängt sich so in den Vordergrund; die Textur wird zunehmend angereichert, Bläser treten hinzu und plötzlich befinden wir uns in einem bewegten, beinahe dramatischen Seitenthema. Ungeachtet des schlichten, serenadenhaften Beginns handelt es sich um eine Art Sonatensatz! Die Durchführung setzt kurz mit der Triolenfigur ein, besteht dann aber im wesentlichen aus der genannten leidenschaftlichen Passage, die noch einmal intensiviert wird. Die Reprise wiederholt keineswegs den kargen Satzbeginn, sondern ist deutolich verändert, mit einer neuen ausgezierten Gegenstimme der Geigen und zusätzlichem Bläsereinsatz. Die leidenschaftliche Passage fehlt ganz, dafür wird ein Motiv, das vorher eine Art Schlußgruppe gebildet hatte in einer kleinen Coda (mit raffinierten Bläserfarben) ausgestaltet.



    3 Menuett. Allegretto
    Das sehr kurze, einfache Menuett, wieder mit einem kraftvollen Dreiklangsthema, enthält keine Besonderheiten.
    Das witzige Trio (G-Dur) besteht aus einem Fagott-Solo (+ Streicher). Interessant hier der Beginn mit auffälligen Synkopen, ob auf eine bestimmte volkstümliche Tanzart angespielt wird?



    4 Allegro 4/4
    Dieses Finale ist mit einigem Abstand der gewichtigste Satz der Sinfonie.
    (Das Tempo ist bei Fischer in 1 und 4 übrigens praktisch gleich, ungeachtet der alla breve Vorzeichung im Kopfsatz)
    Lessing (und auch Rosen) heben den harmonisch ambivalenten Beginn des Satzes hervor: Das Thema erscheint zunächst in zwei Anläufen in der Schwebe (e-moll, dann d-moll werden angedeutet) in den Streichern, bis es dann wuchtig vom vollen Orchester in D-Dur präsentiert wird. Nach diesem Tutti ist eine eigenartige, ruhige Phrase der Streicher eingeschoben, danach folgt wieder das Hauptthema in einer ähnlichen Steigerung wie am Satzbeginn und wird in der folgenden Überleitung auch schon verarbeitet. Das Seitenthema ist geprägt durch eine Vorschlagsfigur (lombardischer Rhythmus (erinnert mich ein wenig an Figuren im Kopfsatz des "Vogel"-Quartetts op.33,3) und wird nach harmlosem Beginn sogleich mächtig gesteigert, was den Abschluß der Exposition bildet.
    Die Durchführung beginnt mit einer Variante der ruhigen Phrase, die zwischen das zweimalige Auftreten des Hauptthemas eingeschoben worden war, wird dann aber vom Vorschlagsthema bestritten, das geradezu groteske Züge annimmt. Die Reprise bringt wieder den harmonisch ambivalenten Beginn, gesteigert, durch imitatorische Einsätze. Der weitere Verlauf entspricht von üblichen Kürzungen abgesehen dem der Exposition.


    Insgesamt gewiß keine der größten Sinfonien Haydns, aber m.E. in den Sätzen 2 und 4 außerordentlich interessant.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die Sinfonie Nr 62 ist ein besonderes Stiefkind von Plattenindustrie, Dirigenten, Kritik und Literatur. Gewährte der Harenberg Konzertführer, der Nr 61 noch die Gnade als '"wenig bedeutend, aber frisch" eingestuft zu werden, erwähnt er die Nr 62 mit keinem Wort. In der Dennis Russell Davies Box wird sie zu den "Sinfonien für die Unterhaltung zugeordner - IMO eine schöne Umschreibung dafür, daß die Booklet-Autoren mit dieser Gruppe nichts rechtes anzufangen wussten.

    Alles in allem eine eher sonnig-frohliche Sinfonie mit eingängigen Themen, allerdings mit geringem Wiedererkennungswert, wobei letztere aus meiner Sicht ein gewisses Manko darstellt. Vielleicht sollte man erwähnen, daß der langsme 2. Satz in weiten teile eher beschaulich verträumt wirkt, keineswegs melancholisch oder traurig...

    Gehört habe ich diese Sinfonie einmal mehr in der Aufnahme der Dennis Russell Davies Box, denn ich besitze keine andere, was allerdings der allgemeinen Veröffentlichungspolitik der Tonträgerkonzerne zuzuschreiben ist, welche in manchen Bereichen eher zurückhaltend sind - euphemistisch gesagt. Das wird sich in Hinkunft, durch die Veröffentlichung vin 2 neu zu erwartenden Zyklen, die vorerst einzeln erscheinen, ein wenig bessern.


    Hier nun 2 Clips in unterschiedlichen Interpretationen, die zeigen, wie groß hier der Spielraum ist:





    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Glaubt man einer Haydn-Diskographie im Netz, dann ist die 62. Symphonie die am schlechtesten dokumentierte spätere Haydn-Symphonie und außerhalb von Gesamtaufnahmen praktisch unbeachtet geblieben. Eine einzige Ausnahme fand ich von Naxos, wo sich Kevin Mallon mit dem Toronto Chamber Orchestra des verschmähten Werkes annahm, neben zwei weiteren Stiefkindern, Nr. 107 ("A") und Nr. 108 ("B"). Es handelte sich laut dem Werbepartner um das letzte Teilstück der Haydn-Edition von Naxos.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Besten Dank "Joseph II." für die Erwähnung der Naxos Aufnahme unter Kevin Mallon mit dem Toronto Chamber Orchester.

    Die Aufnahmen der Naxos Haydn Edition von Naxos sind unterschiedlich, in der Regel aber durchaus "respektabel" einige - darunter jene mit Kewin Mallons Orchster sind indes überduirchschnittlich, bis hervorragend.

    Keine "Effekthascher um jeden Preis, keine "Revoluzzer", aber Musiker, die den schönen Klang vortefflich herausarbreiten können

    Für jene, die überzeugt werden müssen, hier ein Clip des 3. Satzes dieser Sinfonie.

    Viele Musikfreunde kennen Dirigent und Orchester bereit von anderen Naxos veröffentlichungen und wissen bide zu schätzen:



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !