Die Walküre, Enschede 12.10.2010

  • Gestern Abend war die letzte Vorstellung der Walküre in Enschede und eine eine Art Premiere für mich - ich habe zum ersten Mal ein Opernhaus vor dem Ende der Oper verlassen. Das lag vor allem daran, dass ich gesundheitlich stark abbaute und ich ja heute fit sein woltle nach Remscheid zu fahren. Daher haben meine Freundin und ich uns schweren Herzens in der Pause nach dem zweiten Akt spontan dazu entschlossen, die Heimreise anzutreten.
    Es lag also weniger an der Aufführung, wobei ich sagen muss, dass eine bessere Aufführung mich noch zum bleiben bewegt hätte.
    Wenn alles so gelaufen wäre, wie das fabelhafte Orchester gespielt hat, dann wäre es wohl eine überragnde Aufführung geworden. Es scheint wohl an der besonderen Akustik des Hauses zu liegen, dass Dirigent Ed Spanjaard so üppigen Wagner-Klang entfachen kann, ohne die Sänger zu übertönen. Jedenfalls verstand man sehr viel und auch in den einzelnen Instrumenten des Orchesters wurde viel differenziert. Das Vorspiel zum ersten Akt mit großer Dynamik, die Begleitung des großen Szene zwischen Siegmund und Sieglinde - all das servierte das Orchester mit schwelgendem Klang und ausgezeichneter Spieltechnik.
    Die spielerische Inszenierung des Rheingoldes von Anthony McDonald war der große Überraschungcoup des letzten Jahres gewesen. Ähnlich wie Chereau ließ er das Personal in nicht lang vergangener Zeit (Anfang des letzten Jahrhunderts) mit den Requsiten des klassischen Rings (Schwert, Speer usw) antreten. Aber der chereographische Schwung aus dem Rhengold konnte nicht mit in die Walküre mitgenommen werden. Den weiten Melodienbogen der Musik mit sinnvoller Bewegung, mit etwas tiefer gehender Erzählung zu erfüllen, gelang nur im ersten Akt im Ansatz, wo sich Sieglinde sehr bemüht um Siegmund kümmert, wo Hunding seine Frau herablassend behandelt, wo die Rückwand des Hauses bei den "Winterstürmen" langsam umfällt und den Blick freigibt auf grünen Wald.
    Selten hat mich dann der zweite Akt so kalt gelassen wie an diesem Abend, sonst für mich gerade mit Wotans Monolog eine Stunde mit Mitfieber-Garantie. Bewegungstechnisch fand hier wenig bis gar nichts (sinnvolle) statt. Ansatzweise interessant war höchstens Brünnhildes langsamer Gang über die Bühne zur Todesverkündigung, während Siegmunds Fragen, dann seine Weigerung sie zunehmend aus ihrem Rhytmhus brachten. Der Kampf zwischen Siegmund und Hunding war schlichtweg peinlich nicht inszeniert. Wäre wenigstens Nebel auf der Bühne gewesen, dann hätte man noch verstanden, warum die beiden Männer so sinnfrei hintereinander, aneinander vorbei rannten.
    Selten hat mich auch Wotans "Nimm den Eid" so wenig tangiert wie an diesem Abend, was aber auch an der wenig farbenreichen Stimme von Harry Peeters lag. Die Rolle sang er bis auf ein paar exponierte Höhen ( Basti: Wie klang er denn im dritten Akt?) ordentlich solde, aber berühren konnte er damit nicht. Die Auseinandersetzung mit Fricke war zudem noch musikalisch grenzwertig, da Anne-Marie Owens zwar mit stattlicher Stimme für die Fricka ausgerüstet war, aber ein doch beunruhigend starkes Vibrato aufwies. Viel besser war da Judit Nemeth als Brünnhilde, die schönes Material hören ließ. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie sie die Götterdämmerung besteht, denn schon in der Walküre war der Respekt vor der Höhe enorm. Kelly God war eine gute Sieglinde mit viel Leidenschaft und warmer Stimme. Gregory Frank war ein schön bassig knurrender Hunding. Die sängerische Krone gebührte so Michael Weinius als wundervoll auf Linie singender Siegmund, der mit vielen Farben die Winterstürme sang, eindrucksvoll und mit langen Atmen nach Wälse rief (ohne die Töne als One-Man-Show zu benutzen) und in der Todesverkündigung nicht mit baritonaler Tiefe geizte.


    Nach dieser etwas enttäuschenden Walküre wird der "Siegfried", wo es wieder etwas spielrischer zugeht, dem Inszenierungsteam wieder besser liegen.

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  • Denn so kehrt die Spannung sich dir ab: „Die Walküre“ in Enschede
    Ein enttäuschender Abend in Holland: „Die Walküre“ in Enschede kann das hohe Niveau, das das „Rheingold“ bot, nicht halten.



    Walküren, Judith Nemeth (Brünnhilde), Harry Peeters (Wotan), Statisten



    Beim Vorspiel stößt Wotan das Schwert Nothung durch ein Modell von Hundings Haus. Das ist kein besonders spannender und auch kein neuer Einfall. Und so geht es munter weiter. Der erste Akt läuft in einem Haus ab, Hunding sieht aus wie ein blauer Dragoner, es gibt munteres Herumsteh- und Herumgehtheater. Das wird im zweiten Akt nicht besser. Wotan sitzt an einem Schreibtisch, links steht ein Bett, der Gott rasiert sich, in einen Spiegel blickend (den er später – Höhepunkt aller Emotionen – zerdeppert). Als Wald fungiert eine schräge Spielfläche, davor zweidimensionale Bäume. Schlichtweg lächerlich Brünnhildes Auftritt zur Todesverkündigung, bei der Judith Nemeth einmal um die Spielfläche herumgehen muss, um hinaufsteigen zu können. Gipfel aller Albernheit dann das Duell Hunding-Siegmund, bei dem die Protagonisten hin und her und aneinander vorbei rennen. Der dritte Akt spielt in einer Turnhalle (beeindruckend das Video galoppierender Pferde im Hintergrund). Zum Walkürenritt fechten Turner, munter über die Spielfläche springend (das Geklapper geht einem irgendwann auf die Nerven), bis sie sich irgendwann gegenseitig totgestochen haben, um später von den Walküren wieder zum Leben erweckt zu werden. Da Antony McDonald offenbar kein plausibler Moment eingefallen ist, an der die Herren wieder abgehen könnten, fallen sie irgendwann einfach um. Ein ganz netter Einfall ist, dass Wotan zu „Der Augen leuchtendes Paar“ mit Brünnhilde auf einer Decke Platz nimmt und sie ihm den Kopf in den Schoß legt. Merkwürdig, dass Wotan ihr die Decke unterlegt, die einst Siegmund von Hunding zum Schlafen bekam – soll das heißen, dass Hundings alter Lumpen für Wotans Lieblingstochter gerade gut genug ist? Beim Feuerzauber steckt Wotan die Schwerter der Walküren in die Spielfläche, und diese beginnen zu brennen (der Gasbrenner ist schön deutlich hörbar). Naja.
    Auch musikalisch gefällt die Aufführung nur eingeschränkt. Das Walküren-Oktett bietet eine solide Leistung, doch Anne-Marie Owens als Fricka ist schlicht unerträglich mit dem starken Glottisschluss, ihrem Vibrato und dem Gekeife, dass sie in die Gestaltung der Partie legt. Kelly God als Sieglinde verfügt über eine Bombenhöhe, doch die Tiefe ist mehr gesprochen als gesungen. Judith Nemeth ist eine ordentliche Brünnhilde, die zwar zum Anfang des dritten Aktes etwas abbaut, sich dann aber schnell wieder fängt. Und Michael Weinius singt als Siegmund zwar wunderbar, doch das Talent, den Zuhörer mitzureißen, ihn in die Dramatik der Geschichte des Wälsungs hineinzuziehen, das besitzt er nicht. Die Inszenierung lässt ihn zudem allein mit seinem Problem, ein äußerst limitierter Darsteller zu sein. Dieses Problem hat Gregory Frank (Hunding) nicht, doch sein Bass wird schnell knarzig, und ich weiß nicht, ob ihm der Hagen (den er ja wahrscheinlich singen wird) zuzumuten ist. Etwas irritiert war ich von Harry Peeters als Wotan. Gesanglich bewältigte er die Partie ordentlich, das war nichts Großartiges, aber grundsolide (auch wenn er im dritten Akt merklich der Erschöpfung Rechnung tragen musste) und wurde zu Recht mit freundlichem Applaus belohnt. Doch darstellerisch wirkte er, als hätte er andere Dinge im Kopf. So rannte er im zweiten Akt stracks an dem Spiegel vorbei, den er von der Wand reißen sollte, prüfte im dritten mehrmals, ob denn der Speer auch richtig steht, und ging vor Wotans Abschied auffällig herum, um sich die Markierungen zu merken, in die er die Schwerter stoßen musste. Da stand nicht Wotan auf der Bühne, da stand immer Harry Peeters.
    Uneingeschränkt begeistern konnte aber das Dirigat von Ed Spanjaard. So einen Wagner wird man schwerlich ein zweites Mal finden können, voller Farben, Dynamik und Emotion. Kleinere Patzer gab's trotzdem: Michael Weinius war in den „Winterstürmen“ kurz mit dem Orchester auseinander, in „War es so schmählich, was ich verbrach“ gab es munteres Gegeneinander in den Holzbläsern und Harry Peeters setzte „[dem unseligen] Ew'gen muss es scheidend sich schließen“ einen Schlag zu spät und einen Ton zu hoch an.
    „Die Walküre“ in Enschede ist kein großer Wurf, und man kann in Sachen „Siegfried“ nur auf Besserung hoffen.
    NATIONALE REISOPERA, ENSCHEDE
    Richard Wagner: Die Walküre. Premiere am 26. September, besuchte Vorstellung am 12. Oktober 2010. Solisten: Michael Weinius (Siegmund), Gregory Frank (Hunding), Harry Peeters (Wotan), Kelly God (Sieglinde), Judith Nemeth (Brünnhilde), Anne-Marie Owens (Fricka), Machteld Baumans (Gerhilde), Claudia Patacca (Ortlinde), Frances Bourne (Waltraute), Ceri Williams (Schwertleite), Janny Zomer (Helmwige), Marjolein Niels (Siegrune), Esther Chayes (Grimgerde), Annelies Lamm (Roßweisse). Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme: Antony McDonald, Kostümmitarbeit: Gabrielle Dalton, Licht: Mimi Jordan Sherin, Choreographie: Lucy Burge, Video: William Reynolds, Dramaturgie: Helen Cooper. Musikalische Leitung: Ed Spanjaard.

  • Hallo Basti,
    vielen Dank für deine Bericht. Dann kann ich mir ja am Samstag das anhören der Übertragung sparen. Michael Weinius wird übriges im April den Parsifal an der Rheinoper singen. Ich hab ihn schon in der letzten Spielzeit gehört und er war einfach großartig.