HOLZBAUER, Ignaz: GÜNTHER VON SCHWARZBURG

  • Ignaz Holzbauer (1711-1783):


    GÜNTHER VON SCHWARZBURG
    Singspiel in drei Akten - Libretto von Anton Klein


    Uraufführung am 5. Januar 1777 in Mannheim


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Günther Graf von Schwarzburg (Tenor)
    Rudolph, Pfalzgraf und Kurfürst (Baß)
    Anna, seine Tochter, Pfalzgräfin (Sopran)
    Asberta, verwitwete Königin von Böhmen (Sopran)
    Karl, ihr Sohn, König von Böhmen (Tenor)


    Das Geschehen ereignet sich im Jahre 1349 in Frankfurt am Main und Umgebung.


    INHALTSANGABE


    Geschichtliche Vorbemerkung


    Günther von Schwarzburg stand im Dienst des Wittelsbacher Kaisers Ludwig IV. Als zwei Jahre nach dessen Tods (am 11. Oktober 1347) immer noch kein Nachfolger gefunden war, willigte Günther von Schwarzburg ein, sich zum Kaiser wählen zu lassen. So wurde er am 30. Januar 1349 durch die Wittelsbacher und ihre Anhänger im Dominikanerkloster zu Frankfurt gewählt; die Krönung im Dom zu Aachen, als die endgültige Bestätigung des Kaisertums, wurde wegen der immer mehr um sich greifenden Pest zunächst nicht weiter verfolgt.


    Sein Rivale war der böhmische König Karl I. aus dem Geschlecht der Luxemburger, der von seinem Jugendfreund, Papst Clemens VI. und seinem Großonkel Balduin von Trier, einem der wichtigsten Reichspolitiker dieser Zeit, unterstützt wurde. Weil nun die Stadt Frankfurt Karl bereits als rechtmäßigen Kaiser anerkannt hatte, mußte Günther eine Woche lang auf dem Feld vor der Stadt warten, ehe er am 6. Februar 1349 zur feierlichen Amtseinführung in die Stadt einziehen und auf dem Römerberg die Huldigung der Bürger entgegen nehmen.konnte.


    Karl gelang es allerdings rasch, die Anhängerschaft Günthers auf seine Seite zu ziehen und dessen Armee bei Eltville zu schlagen. Günther verzichtete daher am 26. Mai 1349 im Vertrag von Eltville (gegen eine Entschädigung und Amnestie für seine Anhänger) auf alle Ansprüche. Die Folgen dieses Verzichts konnte er aber nicht mehr genießen, da er schon kurze Zeit später im Frankfurter Johanniterkloster verstarb - vielleicht an der Pest, vielleicht aber auch durch gewaltsamen Tod - und im Frankfurter Dom St. Barholomäus beigesetzt wurde (sein Grabdenkmal in dieser Kirche hat auch kunsthistorische Bedeutung).


    Die von einigen Historikern vertretene Auffassung, daß Günther von Schwarzburg ein bedeutender Kaiser hätte werden können, muß Hypothese bleiben. Daß der böhmische König Karl als Kaiser Karl IV. einer der bedeutendsten Herrscher der römisch-deutschen Geschichte war, ist dagegen belegbar.


    ERSTER AKT


    Erstes Bild: Ein Saal im Palast des Pfalzgrafen Rudolf.


    Anna, Rudolfs Tochter, sitzt an einem Tisch und schreibt eine Notiz auf den Rand des vor ihr liegenden Bildnisses ihres Verlobten Karl. Plötzlich steht sie auf und spricht mit Entschlossenheit, sich den Tod geben zu wollen. Sie hat den Eindruck gewonnen, ihren Karl, den König von Böhmen, nicht heiraten zu können, da ihr Vater bei der Kaiserwahl nicht ihn, sondern Günther von Schwarzburg unterstützen will.


    Asberta, Karls Mutter und Königinwitwe, tritt hinzu und versucht heuchlerisch, Anna aufzuheitern. Obwohl sie genau weiß, daß Pfalzgraf Rudolf Graf Günther als neuen Kaiser favorisiert, gleichwohl aber nichts gegen eine Heirat seiner Tochter mit ihrem Sohn Karl einzuwenden hat, will sie Anna in den Absichten ihres Vaters täuschen. Ihr ganzes Streben geht dahin, über die Kaiserwürde ihres Sohnes zu eigener Herrschaft über das Reich zu kommen.


    Nachdem Anna den Saal verlassen hat, kommt Rudolf und versichert Asberta, daß er Annas Gattenwahl unterstützt. Asbertas Gegenfrage nach der Kaiserwahl beantwortet Rudolf mit dem Hinweis, er werde sein Wort Günther gegenüber halten. Er fügt hinzu, daß sein Favorit der richtige Mann für den Kaiserthron sei. Asberta hält dagegen mit der Frage „Ist Karl der Kaiserkron nicht wert, wie kann er deiner Tochter würdig sein?“ Rudolf aber bleibt bei seiner Haltung, die er als aufrichtig und wahrhaft fürstlich-deutsch bezeichnet.


    Nach Rudolfs Abgang gibt sich Asberta in einer Soloszene kämpferisch, ruft den Geist ihrer Väter zur Rache auf und bekennt ihre eindeutigen Absichten: Sie will zum Gipfel, sie will herrschen - mögen andere auch die Krone tragen. Dann beschließt sie, selber zu Günther gehen und ihn zum Verzicht auf die Krone des Reiches aufzufordern.


    Im Abgang tritt ihr Anna entgegen und glaubt, in Asbertas Gesicht Unmut zu erkennen. Sie ist überzeugt, daß Asbertas Gespräch mit ihrem Vater der Grund für diesen Zustand ist und die Königinwitwe leugnet es, von Anna darauf angesprochen, nicht. Sie nennt Rudolf „unbeweglich wie ein Felsdamm“, ist aber gleichwohl von ihrem kommenden Erfolg überzeugt. Anna wird, das kündigt sie der zukünftigen Schwiegertochter an, als Gemahlin ihres Sohnes die Kaiserkrone tragen.


    Nachdem Asberta den Saal verlassen hat, grübelt Anna erneut über das merkwürdige Verhalten von Asberta. Dann aber vergißt sie die politischen Ränke und gesteht abermals ihre tiefe Liebe zu Karl. Sie geht davon, während von einer anderen Seite Asberta nochmals auf die Szene tritt. Als sie plötzlich eine Stimme hört, versteckt sie sich.


    Pfalzgraf Rudolf betritt nachdenklich die Szene und macht sich Gedanken über Günther, der eigentlich für diese Stunde sein Kommen angekündigt hatte. Als aus dem Hintergrund Stimmen zu hören sind, tritt Asberta hervor und kündigt laut „Karls Feind“ an. Rudolf wehrt sich widersprechend gegen diese Charakterisierung seines Freundes und meint, der zukünftige Kaiser wünsche sich Karl zum Freunde und nicht zum Feinde. Diese Haltung könne er nur begrüßen, zeige sie doch den wahren „Seelenadel“ seines Kandidaten.


    Günther von Schwarzburg kommt und dankt zunächst Rudolf für seinen bisherigen Beistand. Dann beklagt er den Zustand des Vaterlandes, dessen Kaiser zu sein ihn nicht reize, wohl aber als Retter der Brüder aufzutreten und sich als Geißel der Empörer und Tyrannen zu erweisen. Und wenn ihm das gelänge, so sagt er zu Rudolf, dann hätte er Grund, mit sich zufrieden zu sein und dann dürfe auch der Pfalzgraf auf ihn, Günther, stolz sein.


    Mit höhnischem Unterton wendet sich Asberta an Günther: „Wie groß gedacht!“ Aber die Freiheit ist doch nur „vom Schwert gepflanzt!“ Den Frieden für das Reich, so Asberta, kann nur sein Opfer bringen: Verzicht auf Thron und Krone. Als Günther das Ansinnen nach ratloser Pause als „Scherz einer Fürstin“ zurückweist, noch dazu seinen Standpunkt wiederholt, daß Krone und Thron für ihn völlig unwichtig, das Glück der Menschen viel wichtiger sei, da wird Asberta ärgerlich und verlangt, daß Krone und Thron dem zu geben sei, der sie schon durch Roms und der deutschen Fürsten Unterstützung trage, ihrem Sohn Karl. Günthers Antwort ist eindeutig: er lehnt Asbertas Forderung mit der Begründung ab, daß Rom im Reich keine Stimme habe und ihm das „Donnern hinter den Alpen“ völlig egal ist. Außerdem kann Karl nicht Haupt des Reiches sein, denn er ist „in fremden Ländern erzogen worden, kennt nicht deutscher Männer Pflicht“ und drückt „das Joch auf unsre Nacken“. Da eine Verständigung nicht zu erreichen ist, gehen Günther und Rudolf ab. Asberta, allein auf der Szene, bekennt, daß sie nichts erreicht hat und der Haß auf Günther in ihr hochkommt.


    Zweites Bild: Feldlager Günthers vor der Stadt Frankfurt.


    Hinter der Szene ist Lärm zu hören: Karl rennt mit seinen Soldaten gegen Günthers Feldlager an und kann tatsächlich bis vor die Tore Frankfurts kommen. Dann aber wendet sich das Blatt: durch Günthers Eingreifen wird Karls Heerschar zerstreut und Karl bringt sich durch Flucht in Sicherheit. Günther dankt seinen Männern für ihren Einsatz und seine Soldaten lassen ihn hochleben.


    ZWEITER AKT


    Erstes Bild: Der Garten an Rudolfs Palast mit einer Grotte.


    Anna verläßt die Grotte und beklagt, daß sie ihren geliebten Karl nicht sehen kann. Die Flucht seiner Soldaten, denen er sich wohl angeschlossen hat, hat sie ängstlich werden lassen; sie denkt sogar, daß Karl im Main umkam. Sie legt sein Bildnis, das sie zu Beginn der Oper mit einer handschriftlichen Bemerkung versah, auf einen Felsvorsprung am Ausgang der Grotte ab und geht davon.


    Von einer anderen Seite kommt Karl und schimpft laut auf seine feigen Soldaten. Dann äußert er seine Hochachtung vor Günther, sieht in ihm sogar einen Verbündeten für den Kampf um das Deutsche Reich. Seine Gedanken wandern zu seiner Verlobten Anna, nach der er sich sehnt und mit der er lieber zusammen wäre, als mit dem Heer durch die Lande zu irren. Er nähert sich der Grotte und betrachtet das dort angebrachte Bildnis der Fürstin Thusnelda, die sich vor Varus in einen Strom stürzte, um nicht dessen Geliebte werden zu müssen. Das ist, so meint er, eine edle Tat gewesen! Plötzlich bemerkt er das Bild, das Anna hier abgelegt hatte und liest die Worte „Für dich allein hab ich gelebt“. Nach einer Pause des Überlegens schwärmt er von Anna und bekennt, daß sein Leben, die „Jagd nach Krone und Thron“, nicht alles gewesen sein kann. Daß ihn das Schicksal hierher geführt hat, sieht er als bedeutungsvoll an. Als er sich umdreht, steht plötzlich Anna vor ihm und fällt ihm um den Hals. Beide freuen sich über das glückliche Wiedersehen.


    Asberta eilt herbei und trennt die beiden mit dem Hinweis, daß Günther gerade zum Kaiser gewählt werde. Also, fordert sie von ihrem Sohn, „eile mit Waffen dem Schicksal zu trotzen“. Karl ist durch die Begegnung mit Anna wieder gestärkt worden und stimmt der Forderung seiner Mutter zu. Anna dagegen meint, daß die Liebe mehr ist als jede andere Heldentat. Asberta aber zieht ihren Sohn fort, um ihn „auf den Pfad des Sieges zu weisen“. Karl ist jetzt mehr denn je überzeugt davon, nicht nur seine Anna wiedergewonnen zu haben, sondern auch den Sieg über den Rivalen Günther zu erringen. Er stürmt mit Asberta davon.


    Die allein gebliebene Anna beklagt in ihrer Soloszene das unabänderliche Schicksal; sie ist überzeugt, daß Karl erneut gegen Günther unterliegen wird und ihr dann nur noch der Tod bleibt. Dann verläßt sie betrübt die Szene.


    Zweites Bild: Der schönste Platz in der Stadt Frankfurt.


    Während ein majestätischer Marsches erklingt, wird Günther inmitten der Fürsten und Edlen im Kaiserornat sichtbar. Das Volk jubelt ihm zu und Pfalzgraf Rudolf sieht sich am Ziel seines politischen Wirkens. Dann wendet sich Günther an die Anwesenden und verkündet sein politisches Ziel: Sein Kaisertum soll die Wohlfahrt des Reiches befördern und er konstatiert, daß nicht das Volk für die Fürsten, sondern die Fürsten für das Volk zu wirken haben.


    Asberta ktritt auf und höhnt mit Verachtung den neuen Kaiser: „Glückwunsch, Günther, zu deiner Kaiserwürde! Aber merke dir: Deine Krone wankt, denn noch lebt Karl; sein Zorn ist nicht gedämpft! Und - wisset alle: Asberta kämpft!“ Nach ihrem Zornesausbruch geht sie abrupt davon und läßt alle Anwesenden ratlos zurück. Rudolf versucht, Asbertas Zornesrede mit ihrer Rolle als Mutter zu erklären - aber ehe sich die Sonne neigt, so meint er, wird auch sie des neuen Kaisers Freundin sein. Der Pfalzgraf ahnt nicht, wie falsch er mit seiner Einschätzung liegt. Ungeachtet des Konflikts der handelnden Personen ist das Heer eindeutig auf der Seite Günthers und jubelt ihm im Schlußchor des zweiten Aktes zu.


    DRITTER AKT


    Erstes Bild: Vorsaal von Rudolfs Zimmer im Palast.


    Asberta ist allein und gibt sich ihren Rachegedanken hin. Sie hat Günther heimlich Gift geben lassen und fordert ihren (abwesenden) Sohn auf, alles zu unternehmen, damit Günther scheitert und tritt dann an die Tür zu Rudolfs Gemach und öffnet sie.


    Der Pfalzgraf sitzt am Tisch und wirkt wie von Schmerzen gepeinigt. Asberta fragt Rudolf nach dem Grund seiner Trauer, der jedoch schweigt. Dann aber gesteht er, daß sein Freund Günther in Schwierigkeiten schwebe, denn er habe von eines „Freundes Hand“ Gift bekommen; außerdem habe sich wohl seine Tochter das Leben genommen - dabei deutet er auf ein seitwärts liegendes Gewand Annas. Zweifach, so Rudolf, leidet er, einmal als Vater, zum andern als Förderer eines von ihm bewunderten Menschen. Asberta begleitet die Worte des Pfalzgrafen mit rachevergnügtem Blick und sagt leise, für sich:„Er winselt um Mitleid und weiß doch nur um die Hälfte seines Jammers. Lerne meine Rache fürchten!“ Dann läßt sie Rudolf stehen und geht davon. Rudolf ahnt, daß Asberta hinter dem Giftanschlag auf Günther steht.

    Zweites Bild
    : Eine Gegend vor Frankfurt.


    Karl und seine Soldaten sind teils auf dem Main, teils schon an Land zu sehen. In der Ferne sieht man das zerstörte Heerlager Günthers. Karls angelandete Krieger stürmen unter lauten „Sturm!“- und „Sieg!“-Rufen gegen die Stadt Frankfurt an. Dann tritt Karl auf die Szene und wird von einem jungen Mann in Kriegsrüstung angesprochen. Er bietet sich als Unterstützer an und verweist auf seinen unbändigen Mut, den er, König Karl, nicht unterschätzen möge. Dann macht dieser junge Krieger Karl als ein Bote des Pfalzgrafen Rudolf Hoffnung auf die erwünschte Heirat mit Anna. Karl zweifelt an dieser Aussage, aber der Jüngling behauptet, Rudolf selber habe ihm diese Mitteilung gemacht. Auf die Frage, wer er sei, antwortet der Gefragte, daß er sich „Rudolfs Liebling“ nennen dürfe. Weiter wünscht sich der Unbekannte mit dem König in dessen Länder reisen zu dürfen. Karl ist begeistert von dem jungen Mann und bekennt ihm im Vertrauen seine Liebe zu Anna. Beide gehen beglückt von der Szene.

    Drittes Bild:
    Vorsaal von Günthers Palast, mit Bildnissen der deutschen Kaiser.


    Rudolf beklagt im Angesicht des sterbenden Günther die militärisch-politische Niederlage gegen Karl und den Tod seiner Tochter.


    Da betritt Karl mit dem Jüngling die Szene und erklärt sich im folgenden Gespräch zur Versöhnung mit Günther bereit. Er streitet ab, das Kaisertum gesucht zu haben, vielmehr die Liebe. Daß er Anna heiraten sollte, um das Zepter Germaniens erringen zu können, sei einzig und allein Asbertas Idee gewesen. Aus der erzwungenen Verbindung sei inzwischen jedoch echte Liebe geworden. Er sehnt sich Anna herbei und nennt den, der das bisher zu verhindern suchte, einen Mörder an seiner Seele.


    Rudolf gibt sich über die offenen und, wie er findet, auch ehrlichen Worte Karls erstaunt und gesteht, daß er ein „Unglück“ erfahren habe und die Kunde davon weitergeben muß - dann sinkt er auf einem Stuhl zusammen. Schließlich rafft er sich auf und berichtet, daß Anna sich den Tod gegeben habe. Völlig gebrochen bricht nun Karl in sich zusammen. Der Jüngling zeigt sich über die Geschehnisse entsetzt und will fliehen, bleibt aber dann stehen und entdeckt den Anwesenden die wahre Identität: Anna, Rudolfs Tochter steht hier in Männerrüstung. Karl springt auf und fällt zuerst Anna, dann ihrem Vater um den Hals. Der drückt beide voller Freude an sich.


    Günther, der die ganze Zeit das Geschehen stumm beobachtet hat, rafft seine letzten Kräfte zusammen und bittet Karl, ihn zu umarmen. Er möge, so sein Wunsch, als Kaiser das Vaterland beschützen und Rudolf soll, statt ihm nun Karl seinen weisen Rat angedeihen lassen. Ihn aber möge man, so seine Bitte, als Bundesgenossen ansehen. Als er zu erkennen gibt, daß seine Todesstunde gekommen sei, ist Karl erschüttert. Dieser Zustand schlägt in Wut um, als Günther „Freidank in Asbertas Auftrag“ als seinen Mörder nennt. Karl ruft laut den Namen seiner Mutter und die stürzt mit einem Dolch in der Hand und von Soldaten begleitet auf die Szene. Günther noch immer lebend zu sehen versetzt sie in Rage und sie stürzt mit dem Dolch auf Günther zu, gefolgt von den Soldaten. Da mischt sich Karl ein, stößt seine Mutter zur Seite und befiehlt den Wachen, sie zu ergreifen und in das Verlies zu bringen. Asberta wehrt sich verzweifelt und stößt eine Verwünschung nach der anderen aus - dann sticht sie sich den Dolch in die Brust. Aber noch im Todeskampf verflucht sie alle, bricht zusammen und ruft
    „Lebt! herrscht! gehaßt von den Völkern! Zeuget Söhne, die euch würgen!“
    Soldaten heben sie auf und tragen sie fort.


    Entsetzt geben alle ihren Kommentar zu dem Geschehen ab. Danach steht Günther gequält auf und will Rudolf umarmen, sinkt ihm aber geschwächt in die Arme. Karl springt hinzu um beide zu stützen. Karl und Rudolf bringen Günther zu seiner Lagerstatt; danach versprechen beide dem immer schwächer werdenden Günther, das Land in seinem Sinne regieren zu wollen. Die letzten, gestammelten Worte gelten Karl: „Herrsche - über freie Völker! Wie klein - bist du - durch Zwietracht! Wie groß - durch - Brüdereinheit!“ Entseelt liegt er dann auf seinem Lager; zunächst sind alle Anwesenden stumm und ergriffen, dann bricht heftigstes Wehklagen aus: „Der Held des Vaterlandes stirbt!“


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Nun zur Oper [Günther von Schwarzburg]: die Musick von Holzbauer ist sehr schön. die Poesie ist nicht werth einer solchen Musick. an meisten wundert mich, daß ein so alter Mann, wie holzbauer, noch so viell geist hat; denn das ist nicht zu glauben was in der Musick für feüer ist.


    So kommentierte Wolfgang Amadé Mozart etwa zehn Monate nach der Uraufführung (im Brief vom 14. November 1777 aus Mannheim an den Vater in Salzburg) seinen Eindruck von dieser Oper. Die Meinung eines Großen der Musikgeschichte kann hier nachgeprüft werden:



    Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, warum Holzbauer mit dem „deutschen Singspiel“ Erfolg hatte. Der uns Heutige unsäglich vorkommende Text war damals offensichtlich kein Problem. Das Grundmuster eines deutschsprachigen Bühnenwerks hatte schon Klopstock 1769 mit seiner „Hermannschlacht“ vorgegeben: der „Held aus der deutschen Geschichte“ mußte nicht nur äußerst tapfer, sondern auch noch empfindsam sein, mußte sich von „fremden Tugendmustern“ absetzen. Das metastasianische Schema eines Librettos war hier obsolet. Und an diese Vorgaben hat sich Anton Klein, elsässischer Jesuit und Professor der „Schönen Wissenschaften“ in Mannheim, auch gehalten. Er hat die in der „opera seria“ unmotiviert wirkende Arienanhäufung vermieden, indem er diese Arien von der Handlung her begründete; Klein gab auch den handelnden Personen die Möglichkeit, menschliche Züge zu entwickeln. Besonders an Asberta ist diese Entwicklung abzulesen; man kann sie durchaus als eine der ersten „Opernfurien in Menschengestalt“ bezeichnen. Gleichwohl ist sie in diesem Stück die einzige unhistorische Person.


    Dennoch wäre Kleins „dichterischer Erguß“ als Sprechtheaterstück kein Erfolg beschieden gewesen, aber mit Holzbauers Musik wurde es zum Musterbeispiel einer „teutschen Oper“, mit der man nationale Eigenständigkeit beweisen konnte. Damit folgte Holzbauer übrigens der 1775 uraufgeführten deutschsprachigen ALCESTE von Anton Schweitzer (auf einen Text von Christoph Martin Wieland, Weimar 1773), nur mit dem Unterschied, daß er einen historisch belegbaren Stoff aus der deutschen Geschichte als Grundlage wählte. Diese Wahl wiederum dürfte dem kurpfälzischen Hof gefallen haben, sah man hier doch Querverbindungen zur eigenen Historie berührt.


    Holzbauers Musik hat bei Mozart, wie geschildert, bleibenden Eindruck hinterlassen; viele Kommentatoren weisen darauf hin, daß Anklänge in der „Zauberflöte“, namentlich in der Ouvertüre und in Sarastros „Hallen“-Arie, zu finden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Komponist seinen guten Ruf in erster Linie seinen italienischen Opern, seinen geistlichen Werken sowie seinen Instrumentalkompositionen, hier als ein nicht gerade unbedeutender Entwickler der Gattung Sinfonie, verdankt. Man muß außerdem wissen, daß Holzbauer vom Vater eigentlich für die Juristenlaufbahn vorgesehen und als Musiker Autodidakt war. Aus seiner Biographie lernen wir, daß Johann Joseph Fux' „Gradus ad Parnassum“, heimlich und ausgiebig studiert, und die damals typische Bildungsreise nach Italien für seine Komponistenlaufbahn prägend waren.


    © Manfred Rückert für TAMINO-Opernführer 2011
    unter Hinzuziehung von
    Libretto der cpo-Aufnahme
    Wikipedia über Holzbauer, Günther von Schwarzburg, Karl IV.
    Lexikalische Einträge bei Reclam und MGG

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    MUSIKWANDERER

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  • GÜNTHER VON SCHWARZBURG (Ignaz Holzbauer)



    Das gab es im Rundfunk:


    Günther, Graf von Schwarzburg – Luigi Infantino / Rudolf, Pfalzgraf – Raffaele Arié / Anna – Anna Moffo / Asberta – Orietta Moscucci / Karl, König von Böhmen – Giacinto Prandelli / Coro e Orchestra Sinfonica di Milano della Radiotelevisione Italiana / Chorltg.: Giulio Berola / Dirigent: Oliviero De Fabritiis. (Eine Produktion der RAI Mailand in italienischer Sprache, aufgenommen am 27. 6. 1960 und gesendet am 17. 7. 1960.) Ein Mitschnitt der Sendung ist 2012 auf dem Label ‚Myto‘ (MCD00321) auf zwei CDs erschienen.



    Günther, Graf von Schwarzburg – Aldo Baldin / Rudolf, Pfalzgraf – Tero Hannula / Anna – Vicki Hall / Asberta – Csilla Zentai / Karl, König von Böhmen – Alejandro Ramirez / Mitglieder der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz / Chorltg.: Heinz-Markus Göttsche / Bläser des Nationaltheaters Mannheim / Das Kurpfälzische Kammerorchester Mannheim / Dirigent: Wolfgang Hofmann. Eine Produktion des Südwestfunks (Studio Heidelberg und Mannheim), aufgenommen am 22. 10. 1981.



    Günther, Graf von Schwarzburg – Robert Wörle / Rudolf, Pfalzgraf – Michael Schopper / Anna – Claron McFadden / Asberta – Clarry Bartha / Karl, König von Böhmen – Christoph Prégardien / Das Vokalensemble ‚La Stagione‘, Frankfurt / Chorltg.: Karlheinz Böhm / Das Orchester ‚La Stagione‘, Frankfurt / Dirigent: Michael Schneider. Eine CoProduktion des Hessischen Rundfunks Frankfurt, der Frankfurter Projekte GmbH und der Firma ‚cpo‘ (Classic Production Osnabrück) aus Anlass der 2000-Jahr-Feier der Stadt Frankfurt mit einer konzertanten Aufführung und Rundfunk-Live-Übertragung am 26. 2. 1994 in der Alten Oper Frankfurt. (Aufgenommen vom 17. 2. bis 25. 2. 1994 im Sendesaal des Hessischen Rundfunks Frankfurt; erschienen 1995 auf drei CDs bei ‚cpo‘ 999 265-2.)



    Günther, Graf von Schwarzburg – John Aler / Rudolf, Pfalzgraf – Markus Marquardt / Anna – Darina Takova / Asberta – Melanie Diener / Karl, König von Böhmen – Jeremy Ovenden / Het Radiokoor Hilversum / Chorltg.: Jos van Veldhoven / Het Radio Kamerorkest / Dirigent: Ton Koopman. Eine konzertante Aufführung im Concertgebouw in Amsterdam am 31. 5. 1997 mit Live-Übertragung durch die niederländische Rundfunkgesellschaft VARA.



    Die Arie des Günther aus dem ersten Akt ‚Schönster Sohn des Himmels! Holder Frieden!‘ und das Duett Anna-Karl aus dem dritten Akt ‚O König! Deine Hand ist für mein Wort das sichere Pfand… Umfing mich deine Hand‘ liegen in Aufnahmen mit Fritz Wunderlich und Elisabeth Verlooy vor, begleitet vom Rundfunkorchester Kaiserslautern unter Emmerich Smola und aufgenommen am 11. 4. 1959 im Studio Kaiserslautern des Südwestfunks. Veröffentlicht wurden sie u. a. 2018 auf der CD „Fritz Wunderlich – Mozarts Zeitgenossen“ von ‚SWR Music‘ (SWR19059CD).



    Carlo



    PS: Im Jahre 2008 war ich auf der Burgruine Greifenstein bei Bad Blankenburg in Thüringen, die der Geburtsort Günther von Schwarzburgs war. (Dort befand sich damals eine sehenswerte Falknerei.) Und das Grabmahl des verhinderten Kaisers im Frankfurter Dom kannte ich von früheren Besuchen der hessischen Metropole.