Die Direktion hat Seefahrer-Wochen ausgerufen und der Erfolg gibt ihr Recht. Neben dem furiosen Billy Budd ist nun auch wieder einmal Richard Wagners Seefahrergeschichte in der Regie von Christine Mielitz zu sehen, an die man sich in der Zwischenzeit auch schon gewöhnt hat. Die Inszenierung funktioniert, die Massenszenen sind schön choreographiert, das an und für sich unnötige Rudelbumsen wurde im Vergleich zu vorangegangenen Serien auch etwas dezenter und ja, dass sich Senta statt vom Felsen zu stürzen verbrennt, das finde ich auch nicht mehr so schlimm – denn ist es nicht im Prinzip wirklich egal, wie sich das Mädel entleibt? Heutzutage kämen Regisseure vielleicht noch auf die Idee sie zu einer „Schwarzen Witwe“ zu machen, die sich zum Schluss in die Luft sprengt und gleich Daland, Erik, Mary & Co mit sich in den Tod nimmt (und nein, wir wollen das nicht wirklich sehen!)…
Mit Peter Schneider wurde ein alterprobter Wagner-Recke verpflichtet. Daher wusste man schon im Vornhinein, dass die Partitur in erfahrenen Händen liegt und dass das Staatsopernorchester motiviert spielen wird. Das Vorspiel war beeindruckend, die Meereswogen brausten über die gut besetzte Staatsoper hinweg (am Balkon- und Galeriestehplatz war allerdings noch genug Platz). Was Schneider ein wenig anzukreiden wäre ist die Tatsache, dass er in einigen Passagen nicht wirklich sängerfreundlich agierte. Fast die ganze Aufführung hindurch ließ er das Orchester zu laut spielen – was ja bei den Chorstellen kein Problem ist. Doch wenn beim Holländer-Monolog fast die gleiche Lautstärke kommt, so ist naturgemäß der Sänger zum Forcieren gezwungen, was nicht wirklich Sinn der Sache sein kann. Insofern hatten es an diesem Abend die Sänger oft nicht leicht.
Anscheinend nicht leicht hatte es auch Walter Fink nicht, der hörbar indisponiert war – vielleicht hätte man ihn ansagen sollen, dann wäre ihm das „Buh“ nach Ende der Vorstellung erspart geblieben. Es bleibt wirklich zu hoffen, dass Fink „nur“ gesundheitliche Probleme hatte, da seine Höhen komplett wegbrachen, er phasenweise in Sprechgesang verfiel und er nur manchmal mit seinen nach wie vor vorhandenen Tiefen zu glänzen wusste.
Norbert Ernst begeisterte mit seiner metallischen Stimme mehr als mit seiner Textsicherheit. Schon lange nicht mehr hatte das Publikum einen derartig prägnanten Steuermann erleben können. Diese Stimme verlangt direkt danach, in Wagner- und Strauss-Partien eingesetzt zu werden. Da kündigt sich bereits ein Loge, ein Herodes oder ein Leukippos an. Ernst konnte mit seiner Bühnenpräsenz die Steuermann-Rolle entsprechen aufwerten.
Auch der zweite Tenor gab Anlass zu großem Jubel. Stephen Gould hat sich in den letzten Jahren zu einem der führenden Wagnertenöre seiner Generation entwickelt und stellte dies als Erik wieder einmal unter Beweis. Ein Besucher meinte, dass vom stimmlichen her kein Jägerbursche, sondern mehr ein Oberförster auf der Bühne stand – derartig mitreißend war sein Vortrag. Es ist wahrlich schwer vorstellbar, dass eine Frau, die Herrin all ihrer Sinne ist (was man vielleicht bei Senta ja nicht behaupten kann), so ein „g’standenes Mannsbild“ zurückweist. Die Stimme wird immer baritonal gefärbter, allerdings sind seine Höhen klar, metallisch und absolut vibratofrei. Ein wahrer Genuss!
Auch Albert Dohmen überzeugte in der Titelrolle – mehr als in anderen Partien, in denen ich ihn bis jetzt gehört habe. Er ist nicht unbedingt ein Power-Sänger, deshalb tat er sich manchmal schwer, gegen das Orchester anzusingen, doch setzte er seine Stimme sehr klug ein, forcierte, wenn es nun einmal notwendig war. Ansonsten gefiel er besonders in den etwas lyrischeren Passagen.Insofern war er stimmlich sehr passend zu Adrianne Pieczonka, die als Senta eine tadellose Leistung abrufen konnte. Pieczonkas Stimme ist noch immer sehr lyrisch, doch konnte sie das sängerische Anforderungsprofil für die Senta ohne jedwedes Problem erfüllen. Da saß jeder Ton – und was das Schöne an der Sache war – ihre Spitzentöne wirkten niemals schrill, sondern immer rund. Der Schlussjubel für sie war berechtigt.
Die Partie der Mary wurde von Aura Twarowska gegeben, ohne dass sie positiv oder negativ auffiel.Eine sehr gute Leistung erbrachte wieder einmal der Chor der Wiener Staatsoper – genauso wie beim Orchester ist man als Besucher der Staatsoper gewohnt, dass hier Abend für Abend ein Top-Niveau geboten wird.
Der Schlussapplaus war groß, mit den lautstärksten Ovationen für Stephen Gould, aber verhältnismäßig kurz. Ein durchaus gelungener Repertoireabend, der sich einen in der Qualität seinen Sängerkollegen ebenbürtigen Daland verdient hätte.