Die aktuelle Inszenierung von Gounod's Faust an der Wiener Staatsoper benötigt unbedingt ein gutes und charismatisches Sängerensemble. Denn wenn dieses nicht verfügbar ist, bleibt im Grunde Nichts übrig.
Mit dieser Serie an Faust-Vorstellungen hat man zumindest teilweise das Glück gut bedient zu sein.
Die nichtssagende und karge Bühnenausstattung, die lediglich mit ein paar verschiebbaren Wänden, einer zugegeben schönen Orgel und hie und da mit einem Tisch und einem Stuhl aufwarten kann, krankt vor allem auch an der nicht existenen Personenregie. Das war ja schon das Problem bei der Premierenserie. Die Sänger waren damals als auch heute auf sich allein gestellt und es obliegt dem einzelnen Künstler aus den Charakteren echte Figuren zu schaffen.
Die Titelrolle sang - wie schon seinerzeit bei der Premiere dieser Inszenierung - Roberto Alagna. Man hatte das Gefühl der Sänger müsse sich zu Beginn der Oper erst einsingen. Überhaupt klang sein Tenor leider etwas fahl und wenig aufregend. Das Timbre scheint sehr viel an Glanz verloren zu haben. Er setzte zwar gekonnt seine Spitzentöne ein, konnte damit ziemlich Eindruck machen und den Zuschauer auch damit überzeugen - so in der Art 'Er kann's ja immer noch' - aber Begeisterungsstürme konnte er nicht auslösen. Da war er auch als Figur leider etwas zu blaß. Eine ordentliche Leistung, aber nicht mehr.
Die Show wurde ihm eindeutig von Erwin Schrott in der Rolle des Mephisto gestohlen. Nach seinen durchwachsenen Leistungen in der Vergangenheit scheint der Sänger endlich eine Rolle gefunden zu haben, die ihm vokal als auch als Figur recht gut steht.
Im ersten Teil des Abends sang er zwar noch recht zurückhaltend und noch nicht sehr überzeugend, als Darsteller war er jedoch sehr präsent.
Alleine schon mit seinem diabolischen Gesichtsausdruck, einem dazugehörenden dämonischen Lächeln und mit seinem selbstbewußten Gang konnte er seine Macht gegenüber anderen Menschen deutlich machen. Dieser Teufel verfügte auch noch über eine gehörige Portion Sex-Appeal. Denn Schrott, mit spitz und gegelt abstehenden Haaren, stand in enger Lederhose auf der Bühne, und mit einem langen, nicht zugeknöpften Ledermantel, unter dem er nichts als seinen nackten Oberkörper hervorblitzen ließ. Später sollte er kurz zu einem leuchtend roten Oberhemd wechseln, dass die Dämonie seiner Figur noch unterstrich. Als er im zweiten Teil des Abends auch noch stimmlich aufdrehen konnte und er eine attraktive Bassstimme hören ließ, die vor allem in der Mittellage sehr gut zur Geltung kam, konnte man von einem wirklich gelungenen Rollendebüt an der Staatsoper sprechen.
Die Rolle des Valentin sang wieder Adrian Eröd und auch wenn der Bariton stimmlich schon frischer wirkte und seine berühmte Arie schon schöner gesungen hat, konnte er gesanglich ganz gut überzeugen.
Die Rolle der Marguerite wurde Alexandra Reinprecht anvertraut. Sie sang die Partie mit auffallend zurückgenommener, leiser Stimme. Wer die Reinprecht kennt, weiß, dass sie recht laut sein kann. Hin und wieder ließ sie diese Lautstärke auch aufkommen, doch leider nicht zum Genuß des Zuhörers. Die Stimme neigt im Forte doch arg zum Scheppern und bekommt eine unattraktive Färbung. In der Höhe neigt sie dazu etwas schrill zu werden. Den Geschmack des Publikums traf sie in dieser Partie einfach nicht.
Sophie Marilley sang wieder einen passablen Siebel, Aura Twarowska war eine deftige Marthe und Adam Plachetka ein etwas zu aufgesetzter Wagner.
Bleibt noch das schöne Dirigat von Alain Altinoglu zu erwähnen, der mit Gefühl für das Französische Repertoire das Staatsopernorchester zu dirigieren wußte und sich als hervorragender Neuzugang unter den Dirigenten an der Wiener Staatsoper erweist.
Großer Jubel vor allem für Schrott, der in der Publikumsgunst eindeutig vor Alagna stand. Auch Eröd kam beim Publikum gut an, Reinprecht eher wenig.
Auch der Dirigent wurde mit Jubel bedacht.
Ein solider Repertoire-Abend der eigentlich nur von Schrott über das Mittelmaß hinausgehoben wurde und diese Faust-Serie sehenswert macht.
Gregor