WOLF-FERRARI, Ermanno: GLI DEI A TEBE

  • Ermanno Wolf-Ferrari ( 1876 - 1948 )


    GLI DEI A TEBE
    (DER KUCKUCK IN [VON] THEBEN)
    Oper in drei Akten
    Libretto von Ludwig Andersen, italienisch von Mario Ghisalberti - Deutsche Rückübersetzung von Franz Rau


    Uraufführung am 5. Juni 1943 im Opernhaus Hannover


    DIE HANDELNDEN


    Die Nacht - Alt
    Zeus - Bariton
    Hera - Mezzosopran
    Hermes - Tenor
    Amphitryon, Feldherr Thebens - Bariton
    Alkmene, seine Gattin - Sopran
    Sosias, Amphitryons Sklave, Tenor
    Megära, seine Frau - Tenor
    Chryseis, Alkmenes Sklavin - Sopran
    Theopompos, Priester der Hera - Baß
    Agathon, ein kleiner Junge - Sopran
    Vier Hetären - vier Soprane
    Chor: Volk von Theben, Krieger


    Ort und Zeit des Geschehens: das griechische Theben in mythischer Zeit.


    INHALTSANGABE


    Die Bühne ist horizontal in zwei Ebenen unterteilt. Die untere Ebene zeigt Amphitryons Haus, die obere ist den Szenen der Nacht, dem Hera-Tempel und dem Olymp zugewiesen.

    ERSTER AKT


    Obere Bühne: Die Nacht in einem riesigen Mantel, umgeben von ihrem Hofstaat: Selene, Mondgöttin; Hypnos, Gott des Schlafes; Momus, Gott des Traumes; die Horen. Untere Bühne in völligem Dunkel.


    Hera, die Gattin des Zeus, ruft klagend die Mutter Nacht an, weil sich Zeus wieder einmal in eine Sterbliche verliebt hat, nämlich in Alkmene, Gattin des thebanischen Feldherrn Amphitryon. Sie wünscht sich von der Nacht die Verlängerung der Dunkelheit, um damit die Ehe Alkmenes mit Amphitryon vor Zeus zu schützen. Die Nacht lehnt Heras Bitte ab und verweist auf die gültige Ordnung, außerdem gelte diese Ordnung unwandelbar für alle, Götter und Menschen. Hera schlüpft unter den Mantel der Mutter Nacht.


    Hermes tritt auf und berichtet, daß er Tage und Nächte über die Erde streift, um als Bote von Zeus wichtige Aufträge zu erledigen. Heute ist es eine ganz besondere Aufgabe: Er bittet die Nacht, sowohl für Zeus als auch für sich selbst einen Teil ihres Schleiers abzugeben, um bei einem gemeinsamen Vorhaben nicht erkannt zu werden. Dieser Bitte versagt sich die Nacht nicht, weil sie keinem, der atmet, diesen Wunsch versagen darf. Dann aber möchte Hermes für den Göttervater die Dunkelheit verlängert haben; das aber lehnt sie, wie schon vorher der Hera, ab.


    Hera wünscht sich nun ebenfalls den Schutz des Schleiers, damit sie zur Erde hinabsteigen kann um den Kampf gegen ihren Gatten und seine ehebrecherischen Absichten bei Alkmene zu hintertreiben. Auch bei Hera, wie schon vorher bei Hermes, ist Mutter Nacht behilflich.


    Hera verschwindet unter dem Mantel der Nacht. Die Bühne erhellt sich, Heras Tempel wird sichtbar. Der Hera-Priester Theopompos gibt Kindern Religionsunterricht.


    Theopompos fordert die Kinder auf, die Namen der Götter aufzuzählen und sie beweisen ihre Kenntnisse ohne einen Fehler zu machen. Der Lehrer will die Frage erschweren und verlangt nun, die Götternamen rückwärts aufzuzählen - auch das gelingt den Kindern. Als nächstes sollen die heiligen Tiere der Hera benennen - und auch hier haben die Schüler keine Probleme. Aber das jüngste dieser Kinder, Agathon, meldet sich und nennt noch den Kuckuck als einen der Lieblingsvögel von Hera. Theopompos freut sich über die Antwort seines jüngsten Schülers, meint aber grinsend, daß Hera noch viel lieber für eine „schöne fette Gans“ zu haben sei. Der Verdacht, daß diese Opfergaben für Hera eher in seinem Bauch landen, ist begründet.


    Das nächste Unterrichtsthema ist der Götterbote Hermes. Und der tritt gerade in diesem Moment, ungesehen von Lehrer und Kindern, hinzu. Er stellt freudig fest, daß er in den Antworten der Kinder sehr gut wegkommt, denn sie bezeichnen ihn als den „Liebling des Olympos“, als Gott des Spottes, des Goldes, des Handels und des Opfers. Theopompos ist mit seinen Schülern sehr zufrieden und entläßt sie nach Hause. Sie ziehen lärmend von dannen.


    Hermes wird sichtbar und beginnt als Fremder einen Dialog mit dem Priester. Er wundert sich über die vielen Opfergaben für Hera und erfährt, sich ahnungslos gebend, daß Theben Krieg führt und gerade die Frauen um ihrer Männer und des sehnsuchtsvoll erhofften Friedens willen viele Gaben zum Tempel bringen. Während dieses Dialogs kommen in feierlichem Zug die Frauen mit Opfergaben für Hera; mit anderen Priestern rufen sie die Göttin um Hilfe an, und bitten um ein Ende des Krieges und der Heimkehr ihrer so lange vermißten Freunde, Geliebten und Ehemänner.


    Als vier Hetären mit ihren Dienerinnen auftreten, gehen die übrigen Frauen entrüstet ab. Die Hetären beginnen mit den Dienerinnen in ihren durchsichtigen Gewändern einen kultischen Tanz. Danach wenden auch sie sich an Hera und bitten um die Rückkehr der Helden und um ein Ende der liebeslosen Zeit. Dann übergeben sie ihre Opfergaben dem Altar; ein mitgebrachtes Lämmchen legt Theopompos mit deutlicher Geringschätzung beiseite (der Zuschauer darf die Absicht vermuten, daß Theopompos sich des Lämmchens selber bedienen wird). Im Abgang zwinkern die Hetären dem beobachtenden Hermes zu, was Theopompus mit einem unwilligen Räuspern kommentiert. Als erneut Leute auf den Tempel zukommen, verstecken sich Hermes und Theopompos hinter Säulen.


    Alkmene tritt mit ihrer Sklavin Chryseis, die einen Käfig mit einem Kuckuck trägt, auf die Szene; mit den beiden kommen auch die übrigen Frauen zurück. Alkmene und Chryseis legen ihre Opfergaben auf den Altar und knien dann nieder. Alkmene berichtet der Göttin, daß sie in ihrem Garten einen Kuckuck gefunden habe, den sie ihr zum Opfer darbringen möchte. Da erscheint in strahlendem Glanz Hera und verkündet Alkmene, den Vogel als Opfer nicht annehmen zu wollen; dafür solle sie ihn jedoch hegen und pflegen als ein Zeichen ihrer besonderen Huld. Dann verkündet sie der erstaunten Alkmene, daß noch heute Amphitryon mit seinem Heer zurückkehren werde. Doch könne sie ungestörtes Glück nur dann erwarten, wenn sie ihr strenges Gebot beachte, nämlich ihrem Mann die liebende Umarmung zu versagen und bis zum Kuckucksruf am frühen Morgen an ihrem Altar zu verweilen.


    Hera verschwindet und Alkmene übergibt Chryseis den Käfig mit der Bitte, ihre ganze Wachsamkeit dem Vogel und „meinem Glück“ zu widmen. Dann gehen beide so aufgeregt wie freudig ab. Theopompos tritt sichtlich erschrocken über das Gesehene aus seinem Versteck hervor und macht sich schnell davon.


    In einer Wolke und unter Donner und Blitz erscheint Zeus; sofort ist auch Hera wieder zur Stelle. Mit Donnerstimme will Zeus wissen, was seine Gattin vorhat. Und die sagt ihm auf den Kopf zu, daß sie als Hüterin der Ehe seine Bemühungen um Alkmene nicht hinnehmen will. Mit dem aus seinem Versteck tretenden Hermes rufen sie im Terzett die Mutter Nacht, denn unter deren Schutz werde man sehen, wer den Sieg davontrage.


    Zeus, Hera und der Tempel verschwinden; auf der oberen Bühne nächtliche Aufhellung des Himmels, die Nacht mit ihrem Hofstaat, wie zu Beginn des Aktes.


    Die Nacht und ihr Hofstaat rufen die Blumen auf, alle atmenden Wesen mit ihrem Balsam zu berücken. Ein unsichtbarer Chor stimmt in den berauschenden Gesang mit ein, den Zauber der Liebe zu entfalten.


    Die untere Bühne verwandelt sich in einen blühenden Garten; von allen Seiten kommen tanzende Gestalten in zarten Kleidern, die den Zauber einer Liebesnacht personifizieren. Plötzliches Stocken des Tanzes, wie eine Pause der Erwartung, dann erscheint die Mondgöttin Selene in ihrem strahlendem Schimmer. Allgemeine Anbetung der Göttin mit Erhellung der Bühne zu vollem Mondlicht. Danach fällt der Vorhang.


    ZWEITER AKT


    Die untere Bühne zeigt einen Sonnenuntergang, der langsam in helles Mondlicht übergeht. Sosias kommt lustig singend auf die Szene; Hermes unsichtbar für ihn abseits.


    Sosias ist der Sklave des thebanischen Feldherrn Amphitryon und nahm als solcher auch am Krieg teil. Was ihm nicht übel gefiel, weil er damit seinem Ehegesponst mit dem schönen Namen Megära für lange Zeit aus dem Weg gehen konnte. Aber er freut sich doch über das siegreiche Ende des Krieges, ist sogar stolz, dabei gewesen zu sein. Amphitryon hat Sosias, so hören wir weiter, vorausgeschickt, um Alkmene die Rückkehr ihres Gatten anzukündigen. Und eben dieses Wiedersehen muß Hermes, der Sosias' Erzählung mit viel Interesse gehört hat, im Auftrag von Zeus verhindern, gibt es doch keine bessere Möglichkeit für den Göttervater, an Amphitryons Stelle zu treten und so zum beabsichtigten Schäferstündchen mit Alkmene zu gelangen.


    Hermes macht sich sichtbar und im folgenden Dialog beweist er sehr genaue Kenntnis der privaten Situation von Sosias: Megära wartet schon mit Ungeduld auf ihren Mann, so hört Sosias von dem Fremden, er muß allerdings mit einem Donnerwetter rechnen, wenn er nicht reichliche Kriegsbeute mit nach Hause bringt. Das Wissen des Fremden überrascht Sosias und er fragt neugierig, ob er einen Gott vor sich habe. Hermes läßt diese Frage im Raum stehen und schlägt Sosias unvermittelt vor, die Gestalt zu tauschen. Der realisiert sofort, daß sich der Fremde für ihn von Megära verprügeln lassen will, und als ihm auch noch geraten wird, sich in der Stadt in fremder Gestalt, also unerkannt, mit „feurigen Mädchen“ zu amüsieren, ist Sosias nicht mehr zu halten: er will sofort aus seiner Hülle heraus.


    Hermes schwingt seinen Zauberstab und stampft mit dem Fuß auf; ein Nebel verhüllt sie und nach kurzer Zeit werden beide verwandelt sichtbar: Sosias mit geflügeltem Hermes-Helm und Zauberstab, Hermes dagegen mit der Kopfbedeckung und der Riesennase von Sosias, aber in seinem Goldmantel.


    Im folgenden Duett äußern beide ihre diebische Freude über den kommenden Spaß. Sosias beeilt sich, fortzukommen, als er Megära aus dem Haus treten sieht. Mitleidig wünscht er Hermes noch, daß Apollo ihm gnädig sein möge. Hermes warnt Sosias noch leise, um der Götter willen nicht den Zauberstab zu benutzen, denn dann würde der ganze Spaß vorbei sein und alles zurückverwandelt.


    Megära geht süß lächelnd auf Sosias/Hermes zu und fragt ihn sofort nach der Kriegbeute. Als sie hört, daß die noch jenseits des Flußufers liegt, gibt sie dem vermeintlichen Gatten einen „schlagenden“ Beweis, was sie von ihm hält. Hermes hält sich erschrocken seine Wange und rächt sich dann, indem er, Megära den Vortritt lassend, ein Bein stellt, worauf sie ins Haus stolpert und er die Türe von außen verriegelt.


    Plötzlich ist Zeus in der Gestalt von Amphitryon und mit dessen Helm und Speer, aber mit seinem Goldmantel bekleidet, auf der Szene. Hermes ist über die Ähnlichkeit des Chefs mit dem Feldherrn so überrascht, daß er zugibt, Zeus nur am Goldmantel erkannt zu haben. Der Göttervater kommt sofort zur Sache: Ehe noch Hera Unheil stiften kann, will er sein Vorhaben abschließen und Hermes muß dafür sorgen, daß das gelingt. Dazu gehört vor allen Dingen, den Kuckucksruf nicht allzufrüh erschallen zu lassen. Hermes meint, da habe er schon schwierigere Probleme gelöst - und geht in Alkmenes Haus.


    Zeus nimmt den Helm ab, legt den Speer zur Erde und wartet. Nach kurzer Zeit tritt Alkmene aus dem Haus und steht Amphitryon/Zeus gegenüber. Während von rechts und links Tänzerinnen zur oberen Bühne emporsteigen, fällt Alkmene ihrem vermeintlichen Mann um den Hals. Dann auf der oberen Bühne völlige Dunkelheit, Tempel und Tempeltänzerinnen sind verschwunden.


    Amphitryon/Zeus und Alkmene versichern sich in einem Duett ihrer Liebe und der Göttervater versucht, mit Alkmene ins Haus zu gehen, aber sie sträubt sich und erzählt schließlich von Heras Gebot. Zeus wischt diese Bemerkung beiseite und beschwört Alkmene, nachzugeben. Als sie schwach zu werden droht, verlischt plötzlich der Mond und sie sinkt ohnmächtig zu Boden. Wütend schimpft Zeus, daß gegen Weiberlist selbst Götter machtlos sind und ruft dann das Gesinde herbei, Wasser für Alkmene zu bringen. Wieder zu sich gekommen, kann sie aber dem erneuten Versuch einer Umarmung widerstehen und besteht darauf, daß sie beide zum Hera-Tempel gehen. Dort, so meint sie, sollten sie auf den Kuckuckruf am Morgen warten. Mit der sarkastischen Bemerkung, sie sei ja härter als Hera, gehen beide zum Tempel hinauf.


    Vor dem Altar bieten leicht bekleidete Tempeltänzerinnen einen kultischen Tanz. Alkmene und Zeus knien nieder, er aber mit sichtlichem Groll. Als eine Vision erscheint Hera in einem Strahlenkranz über dem Altar, die Arme zum Schutz Alkmenes erhoben. Zeus zuckt empört und wütend zusammen, als er Heras Blick begegnet. Die zwingt ihn, sein Haupt vor ihr zu neigen. Der Vorhang fällt.


    DRITTER AKT


    Die untere Bühne in vollem Mondlicht, die obere Bühne dunkel. Hermes kommt als Sosias mit einer Leiter aus dem Haus und sieht sich vorsichtig um; dann lehnt er die Leiter an den Balkon der Chriseis und steigt halb hinauf.


    Leise ruft Hermes nach Chryseis; als die das Fenster tatsächlich öffnet und in dem Fensterkletterer Sosias erkennt, ist sie zunächst durchaus gewillt, den Verliebten einzulassen (womit der Zuschauer sich fragen darf, wie Sosias und Chryseis zueinander stehen). Dann aber erinnert sie sich plötzlich ihres Auftrags, den Kuckuck nicht aus den Augen zu lassen und weist den Liebedürftigen ab. Hermes versucht natürlich, die Schöne umzustimmen, aber es gelingt ihm nicht. Und just in diesem Moment kommt Megära mit einem großen Prügel in der Hand aus dem Haus; als sie die Fensterl-Aktion sieht, reißt sie wütend den vermeintlichen Sosias von der Leiter und prügelt auf ihn ein. Mit ihrem lauten Ausruf, jetzt würden aber „andere Saiten“ aufgezogen, schubst sie den verdutzten Hermes in den Schweinestall und verschließt die Tür mit dem Riegel. Sie ruft hinein, daß er sich schon mal auf „morgen früh“ einstellen solle und geht dann wieder ins Haus.


    Die Bühne bleibt während eines kurzen Zwischenspiels leer; dann kommt Sosias in der Gestalt von Hermes mit Bacchanten und Bacchantinnen bezecht taumelnd auf die Szene. Er trägt ein Pantherfell und den Helm des Hermes, ist mit Weinlaub bekränzt und hält in der Hand den Zauberstab.


    Die Bacchanten und Bacchantinnen singen mit Sosias ein Lied auf die Nacht und deren besondere Freuden. Es kommen vier Hetären mit Flötistinnen und Tänzerinnen hinzu. Sosias ist ganz aus dem Häuschen und läßt sich gerne zu vergnüglichen Liebesspielen einladen: „Wir sind fremder Gärten Blumen, pflücke die, die dir gefällt!“


    Nachdem sie sich aufreizend zur Schau gestellt haben, bitten sie ihn, eine von ihnen zu erwählen. Sosias kann sich aber nicht entscheiden und meint schließlich, dann müsse er alle vier nehmen! Auf die unvermeidliche Frage, ob er denn auch gut zahlen könne, greift Sosias in seine Taschen und wirft Gold- und Silbermünzen auf die Erde. Die erstaunten Hetären fragen, ob er ein Gott sei. Sosias läßt sich überrumpeln und hebt den Flügelstab, stampft mit dem Fuß auf - und sofort hüllt ihn ein Nebel ein, wird dann durchsichtig und Sosias ist wieder in seiner richtigen Gestalt zu sehen. Er hat aber keine Gelegenheit sich zu ärgern oder zu wundern, denn in diesem Augenblick kommt Megära aus dem Haus und keift los: „Wieder mit Mädchen! Noch dazu von der Sorte! Und wie kamst du überhaupt aus dem Schweinestall?“ Megära macht kurzen Prozeß und stößt Sosias in den Stall. Die Hetären rennen davon und Megära geht ins Haus zurück.


    Hera erscheint und gibt ihre Absicht bekannt, sich in Alkmene zu verwandeln, denn der Feldherr Amphitryon wird jeden Augenblick kommen; sie geht in Alkmenes Haus. Kaum ist sie verschwunden, tritt Amphitryon auf die Szene; er kniet nieder, küßt „Thebens heilige Erde“ und freut sich unbändig auf das Wiedersehen mit seiner Gattin Alkmene.


    Hera/Alkmene kommt aus dem Haus, Amphitryon springt sofort hoch und fällt seiner vermeintlichen Gemahlin um den Hals. In dem folgenden Duett gesteht Amphitryon Alkmene seine Liebe und küßt sie schließlich auf den Mund. Hera kann sich, schwach werdend, dem stürmischen Verhalten Amphitryons kaum erwehren; sie erzählt ihm schießlich ihre eigene Anweisung an Alkmene, sich bis zum Kuckucksruf am Morgen jeglichen Liebestaumels zu enthalten. Amphitryon nennt das grausam, erhält aber zur Antwort, daß danach das gemeinsame Glück umso vollkommener wäre. Sie verabschiedet sich mit einem Kuß und geht zum Tempel.


    Nach Heras Abgang geht Amphitryon ins Haus. Die untere Bühne versinkt allmählich im Dunkel, auf der oberen wird der Tempel nach und nach hell. Vor dem Altar wird der Tempeltanzes aus dem zweiten Akt fortgesetzt; Zeus/Amphitryon und Alkmene knien vor dem Altar wie im zweiten Akt. Der Tanz verebbt allmählich. Dann erhebt sich Zeus.


    Ärgerlich meint der Göttervater, es sei jetzt genug des Wartens und verlangt von Alkmene, sich zwischen Hera und ihm zu entscheiden. Alkmene bekennt, schwach zu werden und Zeus geleitet sie vom Tempel hinab zu ihrem Haus, dessen Tür offen steht. Gerade in diesem Augenblick trifft Alkmene ein Sonnenstrahl und der Ruf des Kuckucks ertönt.


    Eine Wolke erscheint und hüllt Zeus vollkommen ein, dann ist er verschwunden. Alkmene hat in ihrer Versunkenheit von alledem nichts bemerkt.


    Amphitryon tritt aus dem Haus und erkennt verwundert seine Alkmene; beide fallen sich in die Arme und äußern sich in einem Duett hocherfreut über das Ende von Heras Gebot.


    Auf der oberen Bühne erscheint Helios in seinem Sonnenwagen. Über ihm thronen Zeus und Hera, zu ihren Füßen Hermes und andere Gottheiten.


    Unter Trompetenschall zieht das thebanische Heer vorbei und und wird von den Frauen und Kindern jubelnd begrüßt; ein triumphierender Schlußchor beendet die Oper.


    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Über Ermanno Wolf-Ferraris Oper GLI DEI A TEBE (Der Kuckuck in [von] Theben), nach dem durch Plautus, Molière und Heinrich von Kleist so berühmten Amphitryon-Stoff, ist nicht viel zu ermitteln. Im Web findet sich gerade mal das Uraufführungsdatum, in einigen wenigen Opernführern, alle älteren Datums, nur sehr kurze Inhaltsangaben. Immerhin findet sich auf einer Recital-CD von Marcel Cordes aus dem „Hamburger Archiv für Gesangskunst“ das Duett Zeus- Alkmene „So groß ist mein Sehnen“, bei dem Hildegard Hillebrecht als Alkmene zu hören ist:


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    Für die hier vorliegende Inhaltsangabe wurde der 1943 im Musikverlag Schott in Mainz erschienene Klavierauszug herangezogen; der deutsche Text von Franz Rau ist eine Rückübersetzung aus dem Italienischen Text von Mario Ghisalberti, der wiederum das Originallibretto von Ludwig Andersen zuvor in seine Muttersprache übersetzt hatte.


    Dem Musikverlag Schott sei an dieser Stelle herzlich gedankt: er hat für diese Arbeit zwei Rezensionen von der Uraufführung zur Verfügung gestellt, aus der hier auszugsweise zitiert wird. Für die „Magdeburgische Zeitung“ schrieb Gerhard Schulz am 9. Juni 1943:


    Obwohl Heinrich von Kleist seinen „Amphitryon“ ganz schlicht ein Lustspiel nannte, zeigte sich gerade hier, wie tief auch eine Komödie in die innersten Bezirke des menschlichen Herzens hinabzuleuchten weiß und wie nahe sie oft dem Tragischen verwandt ist. Auf diesem Wege schien nun Ermanno Wolf-Ferrari bei der Behandlung desselben Stoffes folgen zu wollen, denn auch ihn lockten (…) weniger die rein komischen Situationen (…), sondern ihn fesselte mehr die rein menschliche Seite an dem Liebes-Abenteuer von Zeus mit der schönen Thebanerin Alkmene. Dazu schuf er sich selbst ein musikalisches Traumland, in dem er drei Welten, die unsichtbare der Götter und die sichtbare tragische wie komische der Menschen, fließend ineinander übergehen läßt. Mit meisterhafter Hand weiß der Komponist sie zu zeichnen, zumal kleine Fetzen von Melodien zarteste Stimmungen erzeugen können. Zwar holt die Musik sich Anregungen aus den Formen vergangener Jahrhunderte, aber stets klingt sehr bald die eigene, unverkennbare Tonsprache des Deutsch-Italieners auf, und in den ariosen Teilen und Duetten hebt ein silbrig-süßes Klingen an, das einem mozartseligen Herzen reinste Erfüllung bedeuten mag. Ohne in realistischer Weise zu schildern, findet das verästelte und doch durchsichtige Orchester stets den gemäßigten Ausdruck für Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung einer irdisch-himmlischen Liebe, so daß jenes milde Licht göttlicher Versöhnlichkeit und starker menschlicher Empfindungen die Szenen dieser echten Oper überglänzt. Das Opernhaus zu Hannover, besondere Pflegestätte der Werke Ermanno Wolf-Ferraris, gab auch dieser Uraufführung einen würdigen Rahmen, ließ sich von Professor Emil Preetorius den Zauber eines märchenbunten Treibens auf die Bühne bannen und sicherte sich durch Rudolf Krasselts werkgetreue, sehr überlegene Ausdeutung der Partitur und durch den Einsatz schöner Stimmen (Kraiger, Stolle- Garvons, Weilenmeier und Singenstreu) die Gewähr für einen unbestrittenen Erfolg.


    Die Kritik in „Der Mittag“ vom 7. Juni 1943 ist etwas differenzierter. Der Autor Kurt Heifer schrieb, man habe nach (Wolf-Ferraris letzter Oper) „La dama boba“ mit dem Amphitryon-Stoff eine Weiterentwicklung des einmal eingeschlagenen Weges erwarten dürfen: Denn nur dem Musiker dürfte es vorbehalten sein, über Kleist hinaus noch eine wesentliche Neuformung des Amphitryon-Stoffes zu finden.


    Heifer war dann aber der Meinung, Wolf-Ferrari habe diese „Neuformung“ nicht erreicht. Als einen wesentlichen Grund nannte er den Text, der nicht nur eine Metamorphose durchmachen mußte, sondern der auch


    wenig dazutut, den Amphitryon-Stoff der Musik zu öffnen. (…) Er verengt und beschneidet den Stoff nach dem Muster einer herkömmlichen Operndramaturgie, die Raum und Zeit für Chorszenen und Tanzeinlagen gewinnen will. (…) Die ganze Fabel sieht nach dem Textbuch wie eine Verwechslungs-Komödie aus, wie eine Posse ohne tiefere Bedeutung, in die mit der Einführung des (…) Theopompos (…), der Thebens Jugend (in einer musikalisch köstlich gelungenen Szene) (…) in der Religion unterrichtet, noch weitere possische, bisweilen die parodistische Operettensphäre streifende Elemente eingemischt sind.
    Trotzdem hat man nicht den Eindruck, daß das Ganze als Ulk gedacht ist, und zweifellos hat auch Wolf-Ferrari den Vorwurf nicht so verstanden. Die Figur der Hera hat er mit einem geradezu Wagnerschen Ernst als dramatische Altpartie komponiert (…) Mit entsprechendem Ernst treten auch Alkmene, Zeus und Amphitryon auf. Ihnen stehen in den leichteren Figuren (…) dem Götterboten (Hermes), dem Tenorbuffo Sosias und seiner (ein echt Wolf-Ferrarischer Einfall) ebenfalls von einem Tenor vermittelten Ehehälfte Megära, Vertreter eines komischen Opernstils gegenüber (…), bei deren Zeichnung sich die unbestrittene Meisterschaft des Komponisten heiterer Werke wieder in reizvoller Weise bestätigt.(...)
    In Hannover (…) suchte (man) der Oper zu geben, was der Oper ist, indem man beiden Stilen - dem buffonesken mit derber Komik, dem seriösen mit romantischem Stimmungszauber - gerecht zu werden trachtete. Für die Inszenierung Hans Winckelmanns hatte Emil Preetorius als Gast eine entsprechende Ausstattung entworfen, die sich in der farbigen Ausführung nicht zu ihrem Vorteil von dem reizenden thebanischen Prospekt entfernte, den er als Titelblatt für den Klavierauszug (B. Schott's Söhne) entwarf. So blieb die Hauptwirkung der von Rudolf Krasselt mit kultiviertem Klangsinn und dramatischem Impetus vermittelten musikalischen Seite der Aufführung vorbehalten, zu der das ausgezeichnete Hannoversche Orchester nicht weniger beitrug als die formatvollen Stimmen auf der Bühne: der heldische Bariton Konrad Siegmunds (Zeus), der dramatische Alt Milli Conrad-Garvens (Hera), der weiche Alt Grete Kraigers (Nacht), der ausdruckvolle Sopran Hilde Singenstreus (Alkmene), der kulturvolle Bariton Josef Correcks (Amphitryon) und die chrakteristischen Stimmen der „Buffonisten“, die Albert Weikenmeisers leichter, klingender Tenor als Hermes anführte.
    Aufführung und Erfolg bewiesen, daß man in Hannover neben der treuen Bewahrung des Alten auch das Neue mit Freundlichkeit aufzufassen bereit ist.


    Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, daß die Sängerin der Hera in den beiden Rezensionen unterschiedlich benannt wird; das wurde auch so, ohne weitere Recherchen anzustellen, übernommen.


    „Der Kuckuck in [von] Theben“ ist, nach der Serie von Aufführungen in Hannover, im September 1943 in Stettin, im Februar 1948 in Freiburg und im Mai des gleichen Jahres in Trier gegeben worden; München brachte Wolf-Ferraris Oper in den Monaten Juni und Juli 1964 heraus, Berlin folgte im Dezember 1965 und 1966. Danach sind weitere Aufführungen nicht mehr feststellbar.


    © Manfred Rückert für Tamino-Opernführer 2011
    unter Verwendung des
    Klavierauszugs von Schott, Mainz (1943)
    sowie zwei Zeitungsrezensionen von der Uraufführung
    „Der Mittag“ und „Magdeburgische Zeitung“

    .


    MUSIKWANDERER

    2 Mal editiert, zuletzt von musikwanderer ()

  • Wer sich für Tonaufnahmen interessiert:


    Der DDR-Rundfunk hat eine Gesamtaufnahme der Oper in deutscher Sprache produziert:


    DER KUCKUCK VON THEBEN
    Ebert, Burmeister, Schob-Lipka, Hiestermann, Müller
    Dirigent: Robert Hannell


    (DRA Babelsberg)


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald,


    zu behaupten, ich sei erstaunt über Deine Information, ist stark untertrieben. Ich bin sprachlos, was Du so alles herausfindest - oder weißt.


    Natürlich ist das Deutsche Rundfunkarchiv nicht auf meinem Suchplan gewesen, aber ich kenne noch jemanden, der sich, genau wie ich für diese Oper interessiert.


    Herzlichen Dank sagt der

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    MUSIKWANDERER

  • Der Vollständigkeit halber hier noch die Besetzung der Gesamtaufnahme aus (Ost-)Berlin, die ich heute bekommen habe (vielen Dank!):


    Ermanno Wolf-Ferrari
    DER KUCKUCK VON THEBEN

    Die Nacht: Annelies Burmeister
    Zeus: Hajo Müller
    Hera: Ruth Schop-Lipka
    Hermes: Horst Hiestermann
    Amphytrion: Herbert Lauhöfer
    Alkmene: Elisabeth Ebert
    Sosias: Johannes Kemter
    Megära: Werner Enders
    Chryseis: Renate Hoff
    Theopompas: Reiner Süß


    Rundfunk-Solistenvereinigung
    Rundfunk-Kinder- und Jugendchor
    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
    Dirigent: Robert Hanell


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Wie ich gestern hörte, wird beim HAfG im Juni endlich eine Gesamtproduktion von Wolf-Ferraris "Kuckuck von Theben", editiert und kommentiert von unserem Freund Klaus Ulrich Spiegel erscheinen. Eingespielt im Juni 1964 in München, mit dem unvergleichlichen Marcel Cordes als Zeus, Hildegard Hillebrecht als Alkmene, Raimund Grumbach als Amphytrion, Richard Holm als Sosias, Elisabeth Steiner als Die Nacht, Ellen Kunz als Hera.


    Von der DDR Produktion abgesehen, die auszugsweise als Bonus angehängt wird, ist diese Produktion als weitere Marcel Cordes - Huldigung gedacht. Sie hat aber auch sonst erheblichen Repertoirewert zum Kennenlernen dieses wunderbaren romantischen Spätwerks des deutsch-italienischen Meisters.



    Erich


  • Ja, diese Ausgrabung sollte sich der Opernfreund nicht entgehen lassen (nicht nur wegen Marcel Cordes in der Rolle des Zeus!). Wolf-Ferrari hat einen wunderschöne Musik geschrieben, die es lohnt, gehört zu werden. Gerade bei diesem Komponisten gibt es für heutige Generationen noch viel zu entdecken...

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    MUSIKWANDERER