BAYER, Josef: DIE PUPPENFEE

  • Josef Bayer (1852-1913):


    DIE PUPPENFEE[timg]http://upload.wikimedia.org/wi…ppenfee_sm.jpg;Titelblatt des Klavierauszuges[/timg]
    Ballett in einem Akt von Josef Hassreiter und Franz Gaul


    Uraufführung am 4. Oktober 1888 in der Wiener Hofoper


    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Der Puppenmacher und Spielwarenhändler
    Sein Gehilfe
    Sir James Plumpstershire, ein reicher Engländer
    Lady Plumpstershire, seine Gattin
    Die drei Kinder des Ehepaares
    Ein Bauer mit Frau und Tochter
    Eine Dienstmagd
    Der Lohndiener eines Hotels
    Ein Commis
    Ein Briefträger
    Die Puppenfee
    Sieben weibliche mechanische Figuren
    Vier männliche mechanische Figuren


    Die Handlung spielt in Wien zur Zeit der Entstehung des Werkes.



    DIE MUSIKNUMMERN MIT TEMPOBEZEICHNUNGEN:


    Vorspiel: Allegro, Moderato [Walzer]
    1. Moderato (attaca)
    2. (Moderato)
    3. Auftritt des Bauern (Meno)
    4. Der Engländer (Moderato)
    5. Schlechte Figur (Moderato)
    6. Die Oberösterreicherin, Ländler (Langsam)
    7. Baby (Allegretto)
    8. Die Chinesin (Allegretto)
    9. Die Spanierin
    10. Die Japanerin (Sehr langsam)
    11. Der Harlekin (Allegro)
    12. Moderato - Walzer
    13. Allegro
    14. Der Zauber beginnt (Andante)
    15. Walzer
    16. Ballabile (Allegro) - Trommelhusar
    17. Zwischenspiel
    18. Marsch (Alla breve)
    19. Galopp
    20. Finale - Walzer



    INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTTES


    Nach dem Vorspiel Allegro, Moderato [Walzer], öffnet sich der Vorhang und man erblickt den Spielwarenhändler und Puppenmacher bei seiner Arbeit: Sein Beruf ist gleichzeitig auch sein Steckenpferd, und so arbeitet er gerade mit Hingabe am Kopf eines neuen Exemplars für die Ausstellung. Währenddessen ist sein rühriger Geselle damit beschäftigt, die Puppen zu entstauben und zu ordnen.


    Da kommt zunächst der Briefträger ins Geschäft und rempelt mit einer fahrigen Bewegung eine der Puppen an, die zu seinem Erstaunen sofort zu tanzen beginnt. Nachdem er die Briefe auf den Ladentisch gelegt hat, geht er wieder hinaus, nicht ohne noch einmal einen Blick auf die inzwischen wider still stehende Puppe geworfen zu haben.


    Direkt nach dem Postler kommt ein trauriges, kleines Mädchen in das Geschäft und zeigt dem Puppenmacher sein lädierte Lieblingspüppchen. Der beruhigt das Kind und repariert den kleinen Schaden sofort - das Mädchen lächelt glücklich und rennt sofort davon.


    Dabei hätte die Kleine vor lauter Freude beinahe die nächsten Kunden angerempelt, wären die nicht sofort zur Seite getreten: es ist eine Bauernfamilie, die sich nach einer Puppe für ihr Kind umsehen wollen. Die Landleute, das muss man mit aller Vorsicht sagen, sind von recht derber Natur und sie benehmen sich so tölpelhaft, dass eine große Puppe umfällt.


    Da legen die nächsten Besucher des Puppengeschäftes doch ein besseres Benehmen an den Tag: es sind Lord James Plumpstershire mit seiner Frau und ihren drei Kindern aus England. Der gute Ruf des Puppenmachers ist bis zu ihnen auf die Insel gedrungen und sie haben sich vorgenommen, bei einem Wien-Besuch dem berühmten Puppenladen einen Besuch abzustatten und, bei Gefallen, auch Puppen zu kaufen - die aber tanzen können müssen. Natürlich ist der Puppenmacher sehr stolz und fühlt sich von den ausländischen Gästen geehrt. Zielstrebig geht er auf eine ganz bestimmte Puppe zu, von der er glaubt, dass sie ihm besonders gut gelungen ist. Doch bei der Vorführung versagt die Puppe. Der Meister lässt sich seine Enttäuschung nicht anmerken, er hat ja genug andere Puppen zu bieten. Und er führt sie seiner Lordschaft vor: Puppen in der Kleidung unterschiedlicher Völker, die Tänze aus ihren Herkunftsländern Österreich (mit einem Ländler vorgestellt), Spanien (mit einem durch Kastagnetten eindeutig spanisch charakterisierten Tanz), China (merkwürdigerweise eine Polka tanzend) und Japan (eine Mazurka vorführend) sowie den Harlekin, der eine rasante Tarantella hinlegt, zeigen. Dazwischen krabbelt eine Babypuppe herum, die immer wieder „Mama“ und „Papa“ ruft. Den Abschluss der Vorführung bildet die Puppenfee, die einen gelungenen Walzer tanzt. Die englischen Adligen sind so begeistert, dass sie nach jedem Tanz Beifall klatschen und nach dem Ende der Vorführung ihre Bestellung bei dem Puppenmacher aufgeben. Danach verlassen das Ehepaar und die Kinder den Laden.


    Inzwischen ist es Abend geworden. Der Puppenmacher rechnet die Kasse ab, löscht das Licht, lässt seinen Gehilfen den Laden abschließen, sich die Schlüssel übergeben und geht nach Hause.


    Nach einem kurzen Augenblick der Stille gibt es auf einmal Bewegung im Puppengeschäft: Die Puppen werden plötzlich lebendig und im Puppenladen beginnt ein wahrhaftes Tanzfest: das eigentliche Divertissement. Jede der Puppen vollführt einen akrobatischen Tanz, man lacht, scherzt, spielt und macht Musik. Im Mittelpunkt des Geschehens steht aber die schönste aller Puppen des Geschäfts, die Puppenfee. sie wird von allen anderen Puppen als ihre Königin angesehen und der deshalb gehuldigt wird - und sie darf dieses Ballett auch mit ihrem Walzer beenden...



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    „Die Puppenfee erfreute sich einst eines ungewöhnlichen Erfolgs“ schrieb Alfred Einstein 1926 in seinem „Neuen Musiklexikon“. Und Hermann Abert erwähnte das „pantomimische Divertissement“ 1927 in seinem „Illustrierten Musiklexikon“ ebenfalls als ein erfolgreiches Stück. Dann aber wurde es still um Bayers Ballett, heute weiß man kaum noch etwas über das Werk und die Autoren.


    Zurückgreifen kann der interessierte Musikfreund aber auf die „Tanzblätter“ von 1979, in denen Alfred Oberzaucher umfassende Informationen über den Komponisten und die Choreographen mitteilt. Er hat das Material aus den Wiener Theaterarchiven gesichtet und weiß zu berichten, dass von der Uraufführung 1888 bis zum Jahre 1900 über einhundert Bühnen in fast allen europäischen Städten DIE PUPPENFEE gespielt haben. In Mailand und Lissabon, so teilt er mit, konnte man sich sogar erlauben, das Stück mit deutschem Titel anzukündigen.


    Das Libretto zur PUPPENFEE stammt von dem Choreographen Josef Hassreiter und dem Maler Franz Gaul. Ihre Idee zu einem unterhaltsames Ballett, das in einem Puppenladen spielt und die Puppen zu menschlichen Wesen werden lässt, war aber keineswegs neu, hatten doch bereits Léo Delibes und (der Choreograph) Arthur Saint-Léon 1870 mit der „Coppelia“ E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ sehr erfolgreich auf die Bühne gebracht. Auch Jacques Offenbach greift in seiner Oper „Hoffmanns Erzählungen“ von 1881 auf diese Geschichte zurück.


    Oberzaucher erwähnt außerdem, dass das Wiener Ballett-Personal 1870 an die einhundert Mitglieder aufwies, die an 148 Abenden auf der Bühne standen. Einer aus diesem Personal war Josef Hassreiter, geboren 1845 in Wien, der sich als Sohn eines Tänzers zum Ballett hingezogen fühlte und mit Neunzehn schon zweiter Solotänzer war, zwei Jahre später, also 1866, zum ersten Solotänzer avancierte - zuerst am Stuttgarter Hoftheater, dann in Wien.


    Gemeinsam schrieben Hassreiter und Gaul den Handlungsrahmen und nannten ihr Ballett „Im Puppenladen“. Als sie Josef Bayer, dem Ballettdirigenten am K.u.K. Hofoperntheater, die Vertonung antrugen, konnte der sich sofort für die Idee begeistern. Der riesige Erfolg der Uraufführung am 4. Oktober 1888 führte, wie schon erwähnt, zu etlichen Inszenierungen in anderen Städten; sogar im Ballett-begeisterten Russland wurde das Stück in der Choreografie von Sergej und Nikolai Legat ein Riesenerfolg. Hassreiter erinnerte sich später so: „Am 4. Oktober 1888 fand die Premiere meiner PUPPENFEE im Palais Liechtenstein unter dem Protektorat der Fürstin Pauline Metternich statt. Kein einziger Berufstänzer, nur Aristokraten und Aristokratinnen haben damals mitgetanzt.“


    Den Anstoß für DIE PUPPENFEE gab die Fürstin Pauline Metternich, Schwiegertochter des berühmten Staatsmanns, die in Paris ein Ballett mit dem Titel „Im Puppenladen“ gesehen hatte und für eine Wohltätigkeitssoirée in Wien dieses Thema aufgegriffen wissen wollte. Sie bestellte bei dem berühmten fünfundvierzigjährigen Hassreiter ein „kleines Ballett“ und der Erfolg führte unmittelbar zu einem Auftrag der Hofoper. Dafür ließ sich Hassreiter nicht nur eine neue Choreographie mit erheblich größeren Schwierigkeiten für die Tänzer einfallen (darunter die Trommler-Variation als Spitzentanz), sondern auch die Umbenennung in DIE PUPPENFEE.


    © Manfred Rückert für den Tamino-Ballettführer 2013
    Partitur nach den Stimmen des Leipziger Verlags August Cranz
    Wikipedia über Josef Bayer und DIE PUPPENFEE

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    MUSIKWANDERER

  • DIE PUPPENFEE hat, musikalisch gesehen, Ohrwurmcharakter. Amazon und jpc, die Tamino-Werbepartner, bieten jedoch nur eine kleine Auswahl an Einspielungen an, leider aber keine DVD, die Ballettfreunden auch visuelle Eindrücke vermitteln könnte:


    Nebenstehend die Aufnahme aus dem Ludwigshafener Pfalzbau von 1981 mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Kurt Eichhorn. Aber Achtung: eine Unterteilung für die einzelnen Musiknummern fehlt; das gesamte Ballett wird mit nur einer Tracknummer durchgespielt.



    Von Bayer Records ist diese Aufnahme; Peter Falk dirigiert die Rheinische Philharmonie. Die Musik ist in acht Tracknummern aufgeteilt.



    Naxos hat für DIE PUPPENFEE das Slowakische Radio-Sinfonie-Orchester unter Andrew Mogrelia eingesetzt.


    Als weitere Ballettmusik von Josef Bayer ist hier auch noch "Sonne und Erde" eingespielt. Das Stück konnte den Erfolg von DIE PUPPENFEE jedoch nicht wiederholen.



    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Die Puppenfee
    ist ein pantomimisches Divertissement (Ballett) in einem Akt.
    Das Libretto verfassten Joseph Haßreiter und Franz Gaul.
    Die Choreografie stammt von Joseph Haßreiter,
    die Musik komponierte Josef Bayer 1888.
    Die Puppenfee ist eines der meistgespielten Ballett-Werke im deutschsprachigen Raum.
    Die Uraufführung erfolgte am 4. Oktober 1888 in der K.u.K. Hofoper in Wien,
    heute vor 125 Jahren.



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Das Ballett kannte ich nur von der - wie Musikwanderer schreibt - Musik mit Ohrwurmcharakter her, die ich seit vielen Jahren auf CD (es war eine meiner ersten CDs) besitze. Leider habe ich bisher nie vernommen, dass es irgendwann und irgendwo in der näheren Umgebung eine Aufführung gab.
    Eine DVD gibt es bisher auch nicht, aber auf youtube gibt es es eine - in meinen Augen sehr hübsche - Aufführung der Vaganov Ballett Akademie, der berühmten Ballettschule des St.Petersburger Mariinsky-Theaters und des Kirov-Balletts


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)