Operettenthemen als Spiegel ihrer Zeit

  • In Franz von Suppés letzter vollendeter Operette aus dem Jahr 1888 gibt es ein Couplet, dessen 2. Strophe folgendermaßen lautet:


    Die Sprachenfrage
    Spielt heuzutage
    In manchem Staat 'ne grosse Roll
    Der Eingebor’ne
    Ist der Verlor’ne
    Weiß nicht wie er sich zeigen soll.
    Doch 's schützt uns ein festes Band
    Dass sie’s nicht weiter treiben,
    das Land, wo meine Wiege stand
    ist deutsch und wird’s auch bleib’n
    das Land, wo meine Wiege stand
    ist deutsch und wird’s auch bleib’n.


    Ich will jetzt damit keinesfalls eine Ausländerdiskussion heraufbeschwören sondern nur darauf hinweisen, wie lange sich manche Themen doch gleich bleiben. Die hier beschriebene Thematik hat ja sicherlich mit der ganz speziellen Situation in Wien als Hauptstadt des Habsburger Vielvölkerreiches zu tun.


    Der Vollständigkeit halber noch die erste Strophe, die allerdings völlig unpolitisch, aber doch stark heimatverbunden ist:


    Nach Gütern jagen
    und vieles wagen
    Das ist es kühnen Mannes Pflicht.
    Scheut nicht Gefahren
    In jungen Jahren
    Die bleiche Furcht, die kennt er nicht.
    Doch findet er ich fernem Land
    Mitunter auch sein Glück.
    Dorthin, wo seine Wiege stand,
    dort sehnt er sich zurück.
    Dorthin, wo seine Wiege stand,
    dort sehnt er sich zurück.


    (Text übrigens von Richard Genée und Bruno Zappert, wobei ersterer wohl eher für die Verse verantwortlich sein dürfte. Er hat allerdings auch schon mal besser gereimt.)


    :?::!: Uwe

  • Oh - Da gibt es vieles.
    Franz Lehars "Das Land des Lächelns" beinhaltet eigentlich als Kernaussage: Wer sich mit jemandem aus eine anderen Rasse oder Kultur vermählt - dem kann es übel ergehen"
    Die Faszination des hübschen chinesischen Prinzen Sou-Chong., der noch dazu sehr europäisch orientiert scheint, erlischt und verwandelt sich ins Gegenteil, als er seine österreichische, adelige Braut Lisa in ein gar nicht so europäisch orientiertes China mitbringt und sich Sachzwängen ausgesetzt sieht an denen sowohl er als auch die Liebe des ungleichen Paares zerbricht. Lisa wird vom faden aber treuen Ex- und Neo- Verehrer wirder in die Heimant in sichere Gefilde gebracht....


    Das Thema wurde an sich nicht fremdenfeindlich gestaltet - es versucht indes auf vermeintliche oder reale Grenzen zwischen den Beziehungen fremder Kulturen zueinander hinzuweisen. Alle Beteiligten wollen eigentlich nur das Gute - aber die Umstände sind widrig.


    Marcel Pravy erzälte in einer Fernsehsendung vor Jahrzehnten eine Anekdote, wonach bei der Uraufführung (der Urfassung?= "Die gelbe Jacke" der Neufassung ?= "Das Land des Lächelns) der damalige chinesische Botschafter anwesend gewesen sein soll. Auf die Frage Lehars, wie ihm das Werk gefallen habe, soll er geantwortet haben: "Herr Lehar - Sooo chinesisch wie in ihrer Operette geht es in ganz China nicht zu.....!!!


    Das Werk ist natürlich ein Produkt seiner Zeit - und in letzter Konsequenz doch tendenziös.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein ähnliches Thema wird beispielsweise in Lehars "Zarewitsch" behandelt. Ähnlich ? - Wirklich ? - Ja-DOCH !!!
    Anscheinend haben die beiten Operetteninhalte nichts miteinander zu tun. Und dennoch gibt es einen verbindenden roten Faden.
    Nämlich daß Staatsräson und Gesellschaftsordnung ÜBER dem Recht auf "persönliches Glück" steht - und daß "Freizügigkeit" und "liberales Denken" zumeist nur auf tönernen Beinen stehen, ja sogar dazu herhalten müssen hierarchische Gesellschaftsordnungen aufrecht zu erhalten. Der junge Thronfolger wird ziemlich raffiniert mit einem Balletmädchen verkuppelt und seinen Widerwillen gegen die Frauen zu brechen (ein sehr unrealistisches Deatil der Handlung, finde ich :hahahaha::stumm: ) Der Coup gelingt - allerdings zu gut, denn die beiden Spielfiguren geraten ausser Kontrolle und verlieben sich ineinander. Das war indes nicht geplant, als der Zar stirbt muß der Zarewitsch seine Nachfolge antreten und seiner Liebe entsagen, das Belletmädchen wird auf die Seite geschoben wie eine nun nutzlose Sache.
    Derlei Praktiken waren in Kreisen der besseren Gesellschaft gang und gäbe. Man bezahlte dem jungen Herrn sogar seine Eskapaden und förderte sie. Aber alles hat natürlich seine Grenzen - geheiratet wurde selbstverständlich standesgemäß. Die involvierten Mädchen wurden fallen gelassen - oder - im "Idealfall" - großzügig mit Geld abgefunden....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !