Tschaikowsky: Die Symphonien — Welcher Zyklus ist der beste?

  • Der legendäre Takashi Asahina läuft mit seinen Osaka Philharmonikern zu Topform auf.
    Das kommt besonders der vierten Sinfonie in f moll op. 36 zugute, die heute als die beliebteste Tchaikovsky Sinfonie gilt. Man darf getrost behaupten, dass Asahina mit seinen energisch spielenden Philharmonikern eine Referenz hinlegt. Den ersten, aufwühlenden Satz habe ich zum Beispiel noch nie transparenter und packender erlebt. Und dasselbe gilt für das originelle pizzicato Scherzo. Der langsame Satz ist einfühlsam und tief empfunden dargeboten. Besonderes Highlight ist allerdings das Finale, in dem Asahina ein recht flottes Tempo wählt, das jedoch den Bonus dieses Satzes enorm anspannt und somit ein Feuerwerk der Musik erzeugt. Durch besondere Werktreue und Vitalität zeichnet sich die ebenfalls bombastische Einspielung der fünften Sinfonie e moll op. 64 aus. Asahina musiziert im ersten Satz sehr scharf und holt dadurch das Äußerste an Spannung und Klangfarben heraus. Auch der zweite Satz ist perlend und einfühlsam. Das glasklare Spiel des Orchesters machen diesen strahlenden Satz zu einem Meisterwerk. Das Finale wird zu einem lebensbejahenden Freudenfest, das in Erinnerung bleibt. Die "Pathétique" h moll op. 74 bleibt bis heute aufgrund ihrer ungewöhnlichen Anlage schwierig. Der japanische Dirigent aber legt eine Interpretation voller Vitalität vor, die zutiefst rührt. Der erste, mäßige Satz strotzt vor Kraft und innerer Spannung, was ihn zu einem Erlebnis macht.:jubel:

    Liebe Grüße

    Patrik :)

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    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Tchaikowsky - Sinfonien Nr. 4 - 6 , der DVD-Zyklus von 1973 mit den Berliner PH

    Herbert Von Karajan (1908-1989) nahm die Tschaikowsky-Sinfonien 4, 5 und 6 in den 1960er Jahren und erneut 1975 für DG auf; und etwa 1984 mit den Wiener Philharmonikern, ebenfalls für DG.

    Dazwischen gibt es noch Aufnahmen von EMI mit den Berliner PH, die mich bei einer meiner ersten Vergleichhörsitzungen aber nie begeistern konnten (es waren LPs von meinem Stiefvater).


    Ich bin quasi was Tschaikowsky angeht mit Karajan gross geworden. Besonders die DG-Aufnahmen aus den 60ern fand ich immer stärker, als die späteren von 1975, wo er die GA mit allen 6Sinfonien vorlegte. Heute habe ich alle genannten auch auf CD. Die Digitalaufnahmen etwa 1984 mit Wiener PH gefällt mir nicht, die fand ich immer zu abgeklärt und entwickeln überhaupt nicht diese Sidehitze, die diese Werke ausmacht (wie bei Swetlanow und Solti !!!)


    cheers Voller Erfolg war nun mein Kauf der DVD-LIVE-Konzerte von 1973 mit den Berliner PH. :angel: Karajan LIVE und dann noch mit Bild, das ist kaum zu übertreffen.

    Ich kann nur kurz in einem Satz sagen: Besser, aufwühlender und mit voller Gänsehaut als 1973 habe ich Karajan mit den Tschaikowsky noch nie gehört.

    ... und die Klangtechnik in DTS 5.1 rundet das zu einem totalen Klangerlebnis ab ! :hail:


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    DG, 1973, DVD, DTS 5.1


    Ich habe heute eine Kritik zu diesen LIVE-Aufnahmen gefunden, die treffender nicht sein könnte:

    Zitat

    ÜBERWÄLTIGEND
    Früher galt mal der Spruch "De mortuis nihil nisi bene". Heutzutage scheinbar nicht mehr. Im Gegenteil. Kaum ist jemand Prominentes gestorben, wird über ihn hergefahren. So geschehen zum Beispiel bei Herbert von Karajan. Zu Lebzeiten gerühmt und umjubelt, wurde ihm schon unmittelbar nach seinem Tod nachgesagt, dass er sich mehr um Schönklang als um Tiefe bemüht habe. Und es wurde ziemlich bald ziemlich ruhig um ihn. Es handelte sich da wohl um üble Nachrede. Denn wenn man diese Aufnahme hier hört, kommt man zu einem anderen Ergebnis. Diese Tchaikovsky-Symphonien kommen mit einer Emotion und Leidenschaft daher, die man heutzutage (vermutlich wegen der o.g. Behauptung) weder Karajan noch den Berliner Philharmonikern zutrauen würde. Da ist nicht nur Schönklang entscheidend. Man wundert sich, dass die Streicher am Ende noch Haare am Bogen haben, mit einer solchen Intensität wird hier losgelegt. Man hört atemlos zu, wird von Höhepunkt zu Höhepunkt gerissen, ist sprachlos sowohl ob der Emotionalität wie Kunstfertigkeit dieser grandiosen Meisterwerke, wie über die virtuosen Fähigkeiten des Orchesters.
    Das Einzige, was an dieser DVD gelegentlich stört, ist die Kameraeinstellung. Die Perspektive ist häufig so, dass man meint, Karajan stünde mitten im Orchester und wundert sich, dass er mit seinem Taktstock keinen verletzt, bzw. die Streicher mit ihren Bögen ihn nicht. Man meint, die Berliner Philharmonie sei ein relativ kleiner Raum - man sieht ihn nur ganz zu Anfang in seiner vollen Größe.
    Aber davon abgesehen: Eindeutige Empfehlung. Fünf Sterne sind fast zu wenig für diese Aufnahme.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nicht zu unterschätzen ist auch dieser Tschaikowsky-Zyklus aus den 1960er Jahren:

    Die Sinfonien


    Wie schon an anderer Stelle vermerkt, hat Lorin Maazel (1930-2014) seine besten Aufnahmen in seiner frühen Karriere gemacht, vor allem bei der DGG und PHILIPS. Doch die obige GA, die kurz nach seinem Wechsel zu DECCA (Ende der 1960er Jahre) entstand, zähle ich ebenfalls zu seinen Meisterleistungen, zumal ihm hier die Wiener Philharmoniker zur Verfügung standen. Nach meinem Wissensstand ist es übrigens die einzige GA der Tschaikowsky-Sinfonien, die dieses Spitzenorchester bis heute erstellt hat.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • RE: Maazel


    Lieber nemorino,


    Du schreibst ja heute in einem anderen Beitrag von Geschmackssache. DAs trifft natürlich auch hier bei den Maazel-Aufnahmen mit den Wiener PH zu ... ich hatte mir diese Tschaikowsky -Sinfonien - GA (Decca) in einer klanglich ausgezeichnet überarbeiteten Neuauflage auf SACD (oder war es BluRay-Audio ?? ... kann es nicht finden -- ist schon wieder gestrichen !!!) zugelegt. Das Rauschen der alten Aufnahmen (hatte auch mal eine LP von dem Zyklus) war wie weggeblasen und der Klang war natürlich. =O Aber was nützt das alles ... ich habe die Aufnahmen lange abgesetzt, denn was Maazel da ablieferte gefiel mir ganz und gar nicht. Es klang für mich fremd und ohne russisches Flair ....


    Ich bin mit Karajans Tschaikowsky "gross geworden", dann folgten die Aufnahmen mit Swetlanow (die ich heute auch in zwei GA auf CD habe). Die recht abgeklärte viel zu brave Roshdestwensky - GA auf LP hatte mich auch nicht überzeugt .. wie anders ist sein Schostakowitsch !!! Später auf CD eine ganze Reihe tolle GA mit Bernstein, Ormandy, Swetlanow, Mrawinsky (4-6), nochmal Karajan (alle verfügbaren auf DG-CD) und natürlich hammermässig Solti (Decca) .. aber was ich dann von Maazel hörte, hat mich total nicht ansprechen können ... alsbald wieder verhökert !


    8) Die Maazel-Aufnahmen können der Karajan-LIVE-Aufnahmen 1973 (gem. Beitrag 62) in keinster Weise das Wasser reichen ...

    Ich will aber keinesfalls sagen, dass Maazel für Tschaikowsky ungeeignet ist: Habe auch zwei CDs mit Maazel / Cleveland Orchestra (CBS) mit den Sinfonien Nr. 4 und 6, die sind aus ganz anderem Holz geschnitzt. Die Klavierkonzerte Nr. 1 - 3 mit Emil Gilels / New Philharmonia Orchestra / Maazel (EMI) gehören für mich zum Besten was man von Tschaikowskys KK hören kann !


    Offenbar gehen die Wiener PH und Tschaikowsky für mich nicht zusammen:

    Das hat sich auch bei Karajans späten Aufnahmen (DG) mit den Wiener PH gezeigt und Bernstein hat für seine späten DG-Aufnahmen gleich von vornherein zu den New Yorker PH gegriffen ... :pfeif:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    ich bin zwar nicht mit Karajans Tschaikowsky groß geworden, sondern zunächst mit den Sinfonien Nr.4 - 6 unter Sanderling (Nr.4) und Mrawinsky (5 & 6). Sie haben mein Interesse für Tschaikowsky zunächst geweckt. Doch dann kam Karajan. Ich meine seine Aufnahmen von Mitte der 1960er Jahre (DGG). Vor allem hat mich da seine Nr. 5 total mitgerissen; bis heute steht die für mich auf Platz 1. Von Solti habe ich Nr. 5 & 6, beide aus den 70ern (die späten kenne ich nicht).

    Ich gebe Dir recht, gegen diese Aufnahmen sind die von Maazel aus Wien keine echte Konkurrenz. Da kürzlich aber Maazel aus anderen Gründen mal wieder bei mir in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist (Schubert, Beethoven), habe ich mir aus dem Wiener Decca-Zyklus die Fünfte herausgegriffen (alle besitze ich sowie nicht) und war angenehm überrascht, obwohl sie gegen Karajan und Solti - da stimme ich Dir völlig zu - nicht mithalten kann. Zu zahm, zu wenig "Schmackes", wie man hierzulande sagt. Aber es ist eine ganz andere Sichtweise, und das Spiel der Wiener Philharmoniker ist nun einmal eine Klasse für sich.

    Karajans späte Digital-Aufnahmen von Nr. 4 bis 6 mit den Wienern fristen bei mir ein kümmerliches Dasein. Ich habe sie mal für kleines Geld gekauft, aber gleich nach dem ersten Hören in die hinteren Reihen verbannt. Er hätte sie sich sparen können (und ich mir auch:(!) Da können auch die Wiener nicht viel retten. Von Bernstein besitze ich übrigens nur die aus dem Rahmen gefallene Nr. 6 (DGG), die natürlich durch den ungewöhnlich langsamen Schlußsatz Aufmerksamkeit erregt und interessant ist. Seine früheren New Yorker Aufnahmen habe ich nicht.


    Aus der Gilels/Maazel-Reihe der Klavierkonzerte Nr. 1-3 habe ich nur die Nr. 2; das hat damit zu tun, daß ich von Gilels, diesem großartigen Künstler, die Nr. 1 mit Fritz Reiner (RCA) im Schrank habe, außerdem noch einen Live-Mitschnitt mit Mehta (CBS). Man kann einfach nicht alles haben.


    Um noch einmal auf Tschaikowskys Maazel zu kommen: Kennst Du seine DGG-Aufnahme von 1960 mit den Berliner Philharmonikern? Die ist durchaus empfehlenswert, aber nicht einzeln auf CD erschienen.


    Dazwischen gibt es noch Aufnahmen von EMI mit den Berliner PH, die mich bei einer meiner ersten Vergleichhörsitzungen aber nie begeistern konnten

    Volle Zustimmung! Ich habe davon die Fünfte, die keinen Vergleich zu seiner DGG-Version von 1966 aushält. Gekauft habe ich die (ganz günstig) nur wegen der "Zugabe", die Ouvertüre 1812 mit dem Londoner Philharmonia Orchestra von 1959, die es sonst nicht einzeln gab.


    Mit den Wiener Philharmonikern habe ich noch die Sinfonien Nr. 4 & 6 unter Claudio Abbado von 1975 (DGG). Die habe ich aber eine gefühlte Ewigkeit nicht gehört, so daß ich mich da mit einem Urteil zurückhalte.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Um noch einmal auf Tschaikowskys Maazel zu kommen: Kennst Du seine DGG-Aufnahme von 1960 mit den Berliner Philharmonikern? Die ist durchaus empfehlenswert, aber nicht einzeln auf CD erschienen.

    Da kommen wieder alte und angenehme Gefühle aus meiner Klassik-Anfangsphase in Erinnerung. Damals hatte ich es noch vermieden Dopplungen zu kaufen. An Vergleichshören hat man damals noch nicht gedacht .... So ergab es sich, dass mein Tschaikowsky-Einstieg aus der Karajan-Doppel-LP mit den Sinfonien Nr.5 und 6 (DG, 1964) und die Sinfonie Nr.4 ist eine HELIODOR-LP mit Maazel/Berliner PH (1960) bestand.

    Erst später gesellten sich zwei 3LP-Eurodisc-Boxen mit Swetlanow für die Sinfonien Nr.1 -3 / 4 - 6 dazu. :cheers: In allen Fällen ein höchst gelungener Tschaikowsky - Einstieg !


    Kurz zu Bernsteins Tschaikowsky:

    Du schreibst, dass Du die Bernstein-Aufnahmen mit den New Yorker PH (SONY) nicht hast. Von der Emotion her, so überbordend wie die späteren sehr breiten DG-Aufnahmen (hier nur Nr. 4 - 6).

    Bernstein legte bei den CBS-Aufnahmen noch ein "normales" Tempo vor, was ich eindeutig als Vorteil ansehe - sehr schöne Interpretationen, die alleine schon für die CD-Sammlung ausreichen würden ... gerade auch die Sinfonien Nr. 1 bis 3 mit Bernstein gehören zum Schönsten, was die Diskographie davon her gibt ... altersbedingt sind die Aufnahmen aber klangtechnisch lange nicht so gut, wie sein späterer DG-Hammerwahnsinn !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • mein Tschaikowsky-Einstieg aus der Karajan-Doppel-LP mit den Sinfonien Nr.5 und 6 (DG, 1964) und die Sinfonie Nr.4 ist eine HELIODOR-LP mit Maazel/Berliner PH (1960) bestand.

    Lieber Wolfgang,


    bei mir kam Karajan etwas später. Mein Einstieg für die Nr. 5 & 6 war Mrawinsky mit dem Leningrad PO (Best.Nr. LPM 18333 u. 18334 (natürlich noch Mono), während auch ich die Nr. 4 mit der von Dir genannten HELIODOR-Platte mit Maazel kennengelernt habe, die war bereits Stereo. Ob ich Sanderlings Nr. 4 (mono) überhaupt auf LP hatte, ist mir gar nicht mehr geläufig. Die Sinfonien Nr. 4 bis 6 wurden später von der DGG sämtlich mit Mrawinsky neu in Stereo eingespielt (1960), die habe ich auf CD.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).