Schostakowitsch: Lady Macbeth von Mzensk - welche ist die beste Aufnahme?

  • Die neue Reihe lief bisher ziemlich mäßig an ("Eugen Onegin" wenig Resonanz, "Pique Dame" gar keine). Vielleicht liegt es auch daran, dass zu den romantischen Opern das Meiste bereits gesagt ist (?). Aufgrund des neuen Interesses an der Moderne nun also ein Versuch mit einer Oper der Moderne: "Lady Macbeth von Mzensk" (1934).


    Obwohl die erste Einspielung erst 1964 (laut anderen Angaben 1963) erfolgte (unter Prowatorow) und es sich noch dazu um die heute verpönte Zweitfassung "Katerina Ismailowa" (umgearbeitet 1955—1962) handelte, gibt es mittlerweile doch eine ganz beachtliche Anzahl an Aufnahmen. operadis-opera-discography.org.uk listet insgesamt zwanzig, allerdings ist die aktuellste dort von 2008. Seither hat sich doch einiges getan. Die erste Aufnahme der Erstfassung war nach meinen Informationen die berühmte EMI-Einspielung von Mstislaw Rostropowitsch von 1978. Seither setzte sich die Urfassung unaufhaltsam durch, seit den 1990er Jahren auch allmählich in Russland.


    Welche ist eures Erachtens die beste Aufnahme von "Lady Macbeth von Mzensk"? Da es sich hier um einen Sonderfall handelt, sollte man zudem noch die beste von "Katerina Ismailowa" ermitteln, müsste man doch ansonsten sämtliche Ostblock-Aufnahmen ignorieren.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Prowatorow... :untertauch:
    Weil die Zweitfassung...
    Ich weiß: Die Erstfassung vorzuziehen, ist die politisch korrekte Herangehensweise, und sie hat tatsächlich große Verdienste: Sie ist ungezügelter, an vielen Stellen origineller im Orchestersatz, wo die Zweitfassung eine Glättung bedeutet. Ich habe lange Zeit der Erstfassung den Vorzug gegeben, aber in letzter Zeit habe ich zunehmend das Gefühl, daß Schostakowitsch die Umarbeitung sehr absichtlich vorgenommen hat. Bitte bedenken: Die "Nase" ließ er unangetastet, hier vertraute er darauf, daß für dieses Meisterwerk ganz so, wie es ist, die Zeit kommen würde.
    Die "Lady Macbeth" hat vor allem Stellen, an denen die Singstimmen schon etwas gar eigenwillig geführt werden. So ein bißchen justament anders, als man es erwarten würde. In der "Katerina" ist das wesentlich kantabler gemacht.
    Die Prowatorow-Aufnahme liebe ich, weil sie mit ungeheurer Intensität gemacht ist. Ich habe das Gefühl: Ja, so ist es "richtig", so gehört das. Und wenn im letzten Bild der Bläserchoral ganz rauh losbricht und der Chor der Gefangenen dieses unendlich traurige und unendlich schöne Lied anstimmt, dann spürt da jeder, worum es geht.
    Es gibt sicher Aufnahmen, die besser gesungen sind und in denen das Orchester edler klingt, aber ich kenne keine, die an Intensität an die Prowatorow-Einspielung heranreicht.

    ...

  • Ich habe in den 60ern in Wien (Staatsoper) die Uraufführung der "Katerina Ismailowa" erlebt, bei der Schostakowitsch anwesend war. Später erst habe ich die erste Fassung gehört, die mir auf Anhieb besser gefallen hat.

    Was ist der Unterschied zwischen der SPD und der Titanic? Die SPD kann den Eisberg jetzt schon sehen!

  • Und ich dachte schon, ich sei ein Exot, wenn ich die Prowatorow-Aufnahme nominieren würde. Tatsächlich kann ich mir nicht vorstellen, dass man die in dieser Oper eben nicht unwichtigen orchestralen Stellen packender herüberbringen kann als hier. Dazu äußerte ich mich auch schon an anderer Stelle. Die authentische Sängerbesetzung gefiel mir soweit sehr gut. Besonders den Sinowi von Wjatscheslaw Radsijewski möchte ich hervorheben. Von vornherein einen Bogen um diese historische Einspielung zu machen (die allererste), halte ich jedenfalls für grundfalsch.


    Interessant in dem Zusammenhang, dass Du, Edwin, davon ausgehst, dass es gar kein Druck von außen war, der Schostakowitsch zur Umarbeitung brachte. Man liest da ja häufig Dinge wie: Um das Werk nochmal auf der Bühne erleben zu können, habe er sich dazu durchgerungen, eine Entschärfung vorzunehmen. Der Verweis auf "Die Nase" ist hier wirklich erhellend. Davon habe ich die Einspielung von Roschdestwenski, die wohl auch nie mehr erreicht wird. Diese entstand 1975, also im Todesjahr des Komponisten. Womöglich wäre also auch die Erstfassung der "Lady Macbeth" um diese Zeit durchaus aufgeführt worden, hätte es nicht eben die Umarbeitung gegeben. In gewisser Weise zeugt es ja sogar von Respekt, wenn sich die Sowjetunion bis zuletzt an den letzten Willen des Meisters hielt und die Letztfassung spielen ließ.


    Von der Wiener Aufführung der "Katerina Ismailowa" unter Jaroslav Krombholc existiert übrigens ein (mäßig klingender) Mitschnitt von 1965. Die Besetzung lässt aufhorchen: Dvorákova, Stolze, Schöffler, Terkal, Equiluz. Gesungen wird auf Deutsch.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões