Nachdem ich vorschnell agiert hatte und bereits am 1. März auf den Geburtstag von Hansy von Krauss hingewiesen habe, möchte ich das jetzt korrigieren und heute, da die wunderbare Sängerin 108 Jahre alt geworden wäre, meinen Beitrag in die korrekte Tagesrubrik stellen. Ich hoffe, man verzeihe mir.
Sehr gerne komme ich 'Stimmenliebhaber's' Ermunterung nach und möchte hier an eine Sängerin erinnern, die demnächst - am 6. März genau - ihren 108. Geburtstag feiern könnte. Es ist die Sopranistin Hansy von Krauss. Das Licht der Welt erblickte sie am 6. März 1913 in Wien. Ihr Vater war der Kammersänger und spätere Spielleiter der Wiener Staatsoper Hans Duhan. Ihre Halbschwester war die Schauspielerin Eva-Maria Duhan, die von 1958 bis 1990 dem Ensemble des Basler Theaters angehört hatte. - Hansy von Krauss wurde an der Ballettakademie Wien durch Gertrud Bodenwieser zur Tänzerin ausgebildet. Gesangsunterricht erhielt sie privat bei Paul Ulanowsky und Anton Tausche, ebenfalls in Wien. "Nebenbei wurde ich in französischer Sprache ausgebildet, um die Staatsprüfung an der Wiener Universität zu machen, was mir auch mit 17 Jahren gelang" schreibt sie in einer autobiographischen Skizze für das Jahrbuch des Stadttheaters Zürich (1936/37). "Aber meine Lust zum Theater brach immer wieder durch. Durch ein reizendes Erlebnis wurde mir eigentlich der Weg zur Bühne gewiesen. Als ganz junges Ding sah und hörte ich 'Zarewitsch' mit Kammersänger Bollmann und in meiner Begeisterung drang ich bis zu ihm vor und lernte dabei auch Meister Lehár kennen. Mein Glück war kaum zu beschreiben, und als ich sogar einen Klavierauszug von Meister Lehár selbst bekam, hatte meine Freude keine Grenzen. Ich lernte sofort ein Lied daraus und als ich es halbwegs auswendig konnte, ging ich zu Meister Lehár, um ihm vorzusingen. Und trotzdem ich mit meiner Jungmädelstimme die Töne nur sehr schüchtern herausbrachte, riet er mir unbedingt meine Stimme ausbilden zu lassen." Und so kam es dann auch: Nach knapp drei Jahre Gesangsunterricht debütierte Hansy von Krauss 1933 am Stadttheater Gablonz, trat im Sommer 1934 im Stadttheater Franzensbad auf, wurde für 1934/35 ans Stadttheater Innsbruck engagiert. Für 1935/36 folgte eine Verpflichtung an das Neue Operettentheater Leipzig von wo sie 1936 ans Stadttheater Zürich wechselte und während drei Jahren dort d i e ausserordentlich beliebte Operettendiva war. Obwohl sie dann 1939 ans Stadttheater Bern engagiert wurde und dort - mit kurzem Unterbruch bis 1956 blieb, kehrte sie während vielen Jahren immer wieder zu Gastspielen ans Stadttheater Zürich zurück. Gastspiele gab sie auch an der Königlichen Oper Amsterdam, am Stadttheater Augsburg, an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf sowie am Staatstheater am Gärtnerplatz München. Hans von Krauss konnte man mit Recht eine Diva nennen: Nicht nur, dass sie eine blühende Stimme ihr eigen nannte, sie konnte wirklich auch Dialoge sprechen, sich auf der Bühne bewegen mit Grazie und Würde, wie man das heute kaum mehr sieht. Und sie konnte tanzen, nicht nur Walzer! In Bern fand sie im Tenor Walter Lederer einen kongenialen Bühnenpartner. Er wurde für einige Zeit auch ihr Gatte. Beide waren in einer Weise populär und beliebt, wie das heute immer seltener wird. Hansy von Krauss sang von Paul Abraham bis Carl Michael Ziehrer in unzähligen Operetten jeweils die Hauptpartie. In ihrem Opernrepertoire tauchen - nach meinen Unterlagen - bisher nur drei Werke auf: Giulietta in Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen" (Bern 1940/41), Marina in Wolf-Ferraris "Vier Grobiane" (Bern 1943/44) und die Titelpartie in Gustave Charpentiers "Louise" (Bern 1950/51). "Am liebsten habe ich natürlich Lehár-Partien gesungen" bekannte sie im Juni 2008 in einem Interview. Ihre Lehár-Partien waren Frasquita, Friederike, Angèle Didier im "Graf von Luxemburg", Lisa in "Das Land des Lächelns", Hanna Glawari, die Fürstin Maria Anna Elisa in "Paganini", Elisabeth in "Schön ist die Welt", Sonja im "Zarewitsch", Zorika in "Zigeunerliebe" und natürlich auch Giuditta, die sie am Stadttheater Bern in der Saison 1941/42 unter Leitung von Franz Lehár sang. Vielen Operetten verhalf sie in Uraufführungen zum Erfolg: so etwa Leo Ascher's "Hochzeitswalzer" (Prinzessin Marie, Stadttheater Zürich 4. 12. 1937), Josef Beer's "Polnische Hochzeit" (Jadja, Stadttheater Zürich 3. 4. 1937), Ralph Benatzky's "Herzen im Schnee" (Margret Smith, Stadttheater Zürich 19.12.1936), Paul Burkhard's "Drei mal Georges" (Florence, Stadttheater Zürich 3. 10. 1936), Emmerich Kálmán's "Arizona Lady" (Lona Farrell, Stadttheater Bern 14. 2. 1954), Carlo Loebnitz' "Mannequin des Glücks" (Liliane, Stadttheater Bern 6. 8. 1945), Hans May's "König der Zigeuner" (Pamela, Stadttheater Zürich 16. 10. 1937 - Dirigent: Hans May) und Victor Reinshagen's Operetten "Grete im Glück" (Yvonne Vallière, Stadttheater Zürich 7. 11. 1936) und "Tanz um Daisy" (Daisy Dumont, Stadttheater Zürich 31. 12. 1938). Hansy von Krauss verabschiedete sich 1956 als Gabriele in Johann Strauss' "Wiener Blut" von der Bühne. Das Berner Publikum liess sie höchst ungern ziehen. Wie die Sängerin im Interview von 2008 berichtete, habe sie "Ovationen selten erlebten Ausmasses" erhalten. Höchst bedauerlich, dass von dieser ausserordentlich bemerkenswerten Sängerinnen-Persönlichkeit keine Tonaufnahmen zu existieren scheinen. Hansy von Krauss starb im Dezember 2008 im Altersheim Hofmatt in Uettligen bei Bern.
Beste Grüsse von Buralicchio