Serielle Musik: Was ist das eigentlich .... und kommt das jetzt auch noch?

  • Der Thread über serielle Musik findet, den Klickzahlen nach, mehr Zuspruch als die anderen. Das verblüfft mich schon. Ich habe gerade eben noch einmal das Klarinettenquintett von Milton Babbitt gehört und würde mit diesem Komponisten hier fortsetzen. Wer brav die Videos vorher geschaut hat, weiß also, dass dieser Komponist den berühmten Ausspruch getan hat, dass es ihn nicht interessiere, wer zuhöre. Das ist selbstverständlich eine Entstellung. Babbitt war sich nur klar darüber, dass seine Musik wenig Zuhörer haben wird. Aber ist das ein Grund, nicht zu komponieren ?


    Hier also ein Film über den Komponisten von Robert Hilferty. In dem Film sagt an irgendeiner Stelle Leon Botstein provokativ gegen Babbits Art der musikalischen Verdichtung, dass Musik von der Wiederholung lebe. Stimmt das?


  • Mit Bezug auf Milton Babbitt, der ja einige Zeit in Princeton auch Mathematik gelehrt hat und dessen Musik sehr direkt durch mathematische Konstruktionen getrieben ist:


    Wer Zweifel hat, ob etwas, dem Mathematik zugrundeliegt, schön sein kann und für den Bertrand Russel eine Autorität ist ;),


  • astewes Nur ein kleiner Kommentar eines Mitlesenden: Vielen Dank für diesen Thread, in dem ich ganz viel Neues lerne. Ich schaute mir auch brav die Videos an und suchte "Eclat" bei YouTube. Ich muss gestehen, dass mich diese Musik so überhaupt nicht anspricht und ich gegenwärtig nicht erkennen kann, was mir zukünftig daran gefallen könnte.

    ABER: Ich freue mich meine musikalische Bildung zu erweitern und ich freue mich über ehrliche musikalische Begeisterung anderer, denn ich weiß, wie sehr Musik begeistern kann.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • astewes Nur ein kleiner Kommentar eines Mitlesenden: Vielen Dank für diesen Thread, in dem ich ganz viel Neues lerne. Ich schaute mir auch brav die Videos an und suchte "Eclat" bei YouTube. Ich muss gestehen, dass mich diese Musik so überhaupt nicht anspricht und ich gegenwärtig nicht erkennen kann, was mir zukünftig daran gefallen könnte.

    ABER: Ich freue mich meine musikalische Bildung zu erweitern und ich freue mich über ehrliche musikalische Begeisterung anderer, denn ich weiß, wie sehr Musik begeistern kann.

    Danke für den netten Kommentar. Ich glaube, dass es ein Thema der eigenen musikalischen Bildung ist, wie leicht oder schwer einem diese Musik beim Rezipieren fällt. Der Pianist und Musiktheoretiker Charles Rosen erzählt ein einer Stelle, dass er einen ganzen Tag lang Musik von Milton Babbitt einstudiert hätte und am Tag drauf nichts mehr wiedererkannt hat :P. Diese Musik ist ungeheuer dicht und durch das Fehlen von Wiederholungen wird eben auch die Wiedererkennung zu einem Thema. Übrigens waren Rosen und Babbitt befreundet ...


    Hier ein Vortrag des alten Rosen über Modernismus ... sehr lustig! Etwa ab 12'' beginnt Rosen



    Ich fand Webernsche Streichquartettmusik damals für mich eine Erleuchtung. Aber die Klavierwerke Schoenbergs in der Version von Pollini sind sicher auch ein smarter Beginn, wenn man zwischendrin noch einmal Luft holen will ...


    Ich persönlich finde schon das Interesse wichtig. Durch einige Diskussionen hier im Forum habe ich angefangen, wieder etwas Chopin zu hören.


    Das hier häufig gebrachte Argument des Schönen oder Unschönen halte ich in der Form, wie es auftaucht, für weitgehend substanzlos. Da ist einfach vieles bloße Gewöhnung. Ganz im Gegenteil bemühe ich mich, beim Hören von Chopin zum Beispiel, sogenannte "schöne" Stellen auszublenden und mich wieder auf die Musik zu konzentrieren, um die Funktion dieser Stellen besser zu verstehen. Übrigens habe ich das jetzt auch bei Verdi versucht. (Ein ganz ähnliches Problem)

  • Die Frage ist also ob Rezipieren und Genießen das gleiche sind (natürlich nicht) bzw. werden können. Das Rezipieren interessanter und auch ungewöhnlicher Musik führt halt noch nicht unbedingt zur Liebe bzw. mindestens Zuneigung zur selben. Allerdings ist Genuss etwas, das gelernt werden kann. Mein Ziel ist es - als Genussmensch - natürlich neue Genüsse aufzutun ;). Im Ernst: Ich pflege keine Abneigungen, sondern bemühe mich von Zeit zu Zeit um Horizonterweiterung. Und ein erweiterter Horizont führt oft genug - im Sinne des letzten Satzes - zu neuen Leidenschaften.

    Das ist mithin einer der Hauptgründe für meine Anmeldung im Forum, neben dem gleichberechtigten (will sagen mit der Prämisse gleichen Interesses) Austausch: Ich freue mich wenn ein paar Leute Moscheles hören nachdem ich über ihn schreibe und ich freue mich noch mehr, wenn ich Anregungen zur Erweiterung von Horizont und Leidenschaft erhalte. Das ist hier schon mehrfach geschehen, wird noch häufig geschehen und mir auch immer wieder zur Neuen Musik führen.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

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  • Die Frage ist also ob Rezipieren und Genießen das gleiche sind (natürlich nicht) bzw. werden können. Das Rezipieren interessanter und auch ungewöhnlicher Musik führt halt noch nicht unbedingt zur Liebe bzw. mindestens Zuneigung zur selben.

    Das sehe ich genauso. Selbstverständlich gibt es auch bei mir Musik, die sich verschließt und eventuell auch verschlossen bleibt. Aber wie Du sagst, kann (muss nicht) weiteres Rezipieren durchauch später auch zum Genießen führen.


    Tatsächlich sind es aber eher positive Beiträge, die motivieren. Und natürlich auch Beiträge, die auf spannende Strukturen und Stellen hinweisen. Die ermöglichen beim wiederholten Hören, die Konzentration anders zu verteilen. Das ändert nicht selten auch das Erlebnis.


    Übrigens gibt es nur ganz wenig Kunst, die mir meine Anstrengung bei der Rezeption nicht irgendwann reich belohnt hat. Und nicht selten war dieses Ereignis überwältigender, je größer die dahinterliegende Anstrengung war. Wie gesagt, nicht immer hat das funktioniert, aber doch sehr häufig :)

    Im Ernst: Ich pflege keine Abneigungen, sondern bemühe mich von Zeit zu Zeit um Horizonterweiterung. Und ein erweiterter Horizont führt oft genug - im Sinne des letzten Satzes - zu neuen Leidenschaften.

    Das unterschreibe ich sofort.

    Das ist hier schon mehrfach geschehen, wird noch häufig geschehen und mir auch immer wieder zur Neuen Musik führen.

    Da wünsche ich weiterhin viel Erfolg und Freude.

  • Tatsächlich beschäftigen sich immer noch Kollegen, meist in reibender Auseinandersetzung, mit serieller Musik. Der ganz unten verlinkte Artikel setzt sich mit einer etwas pauschalen und wahrscheinlich nicht übermäßig intelligenten These eines Linguisten der Harvard Universität und Kolumnisten der New York Times auseinander der im April mit diesem Artikel


    Classical Music doesn't have to be Ugly to be Good


    Twitterstürme entfachte. Leider wohl nur lesbar für Abonnenten der NYT (Das Abo hatte ich vor drei Jahren aufgegeben .... :()


    Dafür scheint aber der Artikel der VAN offen lesbar zu sein. Der Autor gibt u.a. auch acht Beispiele für "non ugly" serielle Musik an.


    So schön seriell



  • Ich habe ein Interview von Wolfgang Schaufler mit Pierre Boulez aus Anlass wohl des 55. Jahrestages der Uraufführung von Le marteau gefunden. Übrigens hat er dieses Werk nach eigener Aussage gar nicht mehr so häufig angefasst.


    https://musiksalon.universaled…boulez-ueber-boulez?pdf=6

  • Ich adressiere Schönberg unter Serialismus, auch, wenn es streng genommen falsch ist. Auf der anderen Seite liefert seine 12-Ton-Musik eine wichtige Wurzel für den Serialismus.


    Der ziemlich bekannte Dirigent und Komponist Leonard Bernstein gab sich viel Mühe, moderne Musik verständlich zu machen. Wir hören hier einen Ausschnitt aus seinen Lectures, der Schoenberg zum Thema hat.


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