Ich starte einmal ein neues Thema. Wolfgang Rihms Werke für Klavier solo füllen etwa eine 3 CD Box und spannen sich über einen Zeitraum von fast 50 Jahren. Die ersten erhältlichen Kompositionen sind von 1966, als Rihm vierzehn Jahre alt war, und die letzte, die ich habe, heißt "Rembrandts Ochse, plötzlich im Louvre" aus dem Jahre 2014. Man merkt schon ein wenig am Titel, dass es eher eine Gelegenheitskomposition ist, dem Rihmschen Kompositionsstrom entsprungen. Ab dem Jahre 2000 scheinen Rihm reine Klavierkompositionen nicht mehr so stark zu interessieren.
Wolfgang Rihm habe ich noch als Schüler, damals im Radio mit einer Klavierkomposition kennengelernt. Ich liebte damals (heute auch noch ) Klavierkompositionen und war aus dem Häuschen, einen Komponisten kennenzulernen, der ein paar jährchen älter als ich war ...... und bekannt! Selbst Die Protagonisten neuer Musik, Stockhausen und Boulez, waren für mich alte Männer . Es war also das Erlebnis, dass Komposition etwas ist, was geschieht ....
Was geschah aber nun?
Es geschahen Klavierstücke vier und fünf, letzteres frisch komponiert. Das war alles ganz anders als Stockhausens Klavierstücke, wo man sich konzentriert hinsetzen musste, um der Musik folgen zu können. Hier sprach jemand direkt und einfach. Für mich die erste Musik, die in meinen Ohren dem Serialismus folgte.
Zitat von Wolfgang RihmAber ich suche nicht die Kultiviertheit im Klang. Ich suche das Rumoren im Klang. Eigentlich suche ich einen viel unschöneren Klang als Du ihn hast. Mit der Geräuschhaftigkeit Deiner Klanglichkeit entsteht eigentlich ein viel schönerer Klang als mit der ins Fortissimo getriebenen, formalen, banalen philharmonischen Situation bei mir.
Wolfgang Rihm zu Helmut Lachenmann im Seminar 1982, Auseinandersetzung um den Begriff „Struktur“ (IMD-M-26686)
Das kann man an seinen Klavierstücken (aus der früheren Zeit) direkt erfahren. Eines der meistgespielten Klavierstücke von Rihm ist sein fünftes "Tombeau". Ich möchte, bevor ich versuche, meine Eindrücke zu schildern, die sich übrigens in den letzten 50 Jahren auch verändert haben, das Stück einmal vorstellen.
Es spielt Jaroslav Novosyolov in einer Aufzeichnung aus dem Jahre 2021. Er lässt sich erstaunlich viel Zeit nach dem ersten Fortissimo-Akkord. Wenn man die Geduld aufbringt, hat das auch eine Wirkung. Vielleicht kan man ja das Neue an diesem Werk nachvollziehen. Die Uraufführung spielte Herbert Henck 1976 auf den Darmstädter Ferienkursen
Nach den Bernstein Lectures stellt sich die Frage, welche Rolle Tonalität oder Atonalität in diesem Werk spielt?