Joseph Haydn (1732-1809)
L'incontro improvviso (1775)
Dramma giocoso per musica
Bernhard Berchtold, Elisabeth Breuer,
Anna Willerding, Annastina Malm,
Markus Miesenberger, Rafael Fingerlos,
Michael Wagner
L'Orfeo Barockorchester
Michi Gaigg
Zitat von jottpezehEine Besonderheit der Partitur, welche sie von denen der Mozart’schen Entführung oder auch der Schauspielmusik zu Voltaires Zaïre des „Salzburger Haydn“ Johann Michael unterscheidet, ist die merklich weniger militärisch konnotierte Verwendung der sogenannten ‚türkischen Musik‘. So trägt hier die Letztere – durch eine spezielle Art der Instrumentierung bedingt – mitunter deutliche Züge osmanischer Fest- oder Tanzmusik, wie sie unter anderem in den Zeremonien nahöstlicher Derwischorden Verwendung fand.
Durch Zugabe von Castagnetten und anderem passend gemachtem Schlagwerk, das so nicht erkennbar im Manuskript steht (vielleicht auf separierten Beiblättern?), klingt das ganz verlockend und aufgelockert; insgesamt eher lyrisch, aber mit tollen ausführenden Stimmen durchwachsen. Zum Teil orchesterseits etwas übertrieben maniriert.
Besonders, daß hier auch ein Englischhorn mitwirken darf: im Terzett „Mi sembra un sogno“ zum Beispiel. Ich mag den Klang dieses Instrumentes wirklich besonders gern und bin immer hocherfreut, wenn das seltene Instrument meine Ohren umschmeichelt (z.B. auch Sinfonie Hob. I:22 oder Mozart KV 580a).
Personell begegnen wir hier bereits dem Bruder von Osram: die kleinere Leuchte Osmin, die auch schon bei Glucks La rencontre imprévue (Die Pilger von Mekka, 1764) zu verorten war und später in Mozarts Entführung zu noch heute bestehendem Weltruhm gelangte. Die Rolle besticht musikalisch durch monotone Tonfolgen, allenfalls in geringfügigem Ambitus umspielt, was der Musik das passende orientalische Kolorit nach damaliger Vorstellung verschafft (und nach meiner persönlichen Meinung damit auch die subfontanelle Möblierung Osmins vollumfänglich erfasst).
Das Libretto der am 29. August 1775 auf Schloss Esterháza in Szene gegangenen Oper stammt von Karl Frieberth (1736-1816) und fußt auf Louis Hurtaut Dancourts (1725-1801) Libretto zu Glucks Opéra comique. Das Sujet schreit gerade danach, modern umgesetzt zu werden - ein Auszug aus der wikipedischen Werkbeschreibung:
ZitatEin Lagerhaus mit verschiedenen Waren und Lebensmitteln
Der Qalandar („Calandro“) und seine Unterderwische rauchen Tabak, trinken Wein und besingen fröhlich ihr schmarotzerhaftes und heuchlerisches Leben (Introduktion: „Che bevanda, che liquore“).
Man sollte dann allerdings die Rezitative gegen Gossen-Rap ersetzen.
Die Ouvertüre war lange Zeit verschollen, so daß man sich 1936 bei einem ersten Wiederbelebungsversuch der Oper „in unserer Zeit“ wohl anderer Musik bedienen musste. Das Autograph wurde erst später entdeckt (die passende Ouvertüre von H. C. Robbins Landon identifiziert) und 1962/63 im Rahmen der Haydn-Gesamtausgabe publiziert.
Das Autograph ist freundlicher Weise bei der IMSLP einsehbar.