Johann Adolf Hasse (1699-1783):
ENEA IN CAONIA
Serenata
in zwei Teilen
Libretto von Luigi Maria Stampiglia
Originalsprache: Italienisch.
Uraufführung 1727 in Neapel.
Personen der Handlung:
Jlia (Sopran)
Enea (Alt)
Andromaca (Mezzosopran)
Eleno (Sopran)
Niso (Tenor)
Ort und Zeit: Griechische Mythologie, nach dem trojanischen Krieg.
Das
Handlungsgerüst.
Die Liebesgeschichte der von Aeneas
verlassenen Dido, die etliche Komponisten von Purcell bis Berlioz zu
Opern und Kantaten inspiriert hat, ist sicherlich jedem Musikfreund
gegenwärtig, doch sie ist nur eine von vielen Stationen auf den
abenteuerlichen Irrfahrten des trojanischen Helden, die sogar
teilweise an identische Schauplätze führen, die auch Odysseus sah.
Das alles ist in der Aeneis von Vergil nachzulesen, die allerdings nicht so berühmt wurde, wie die Epen Homers. Des Aeneas Aufenthalt in Chaonien, das zu Epirus gehört (was heute zum Teil in Albanien liegt), ist in dieser Erzählung sozusagen ein ruhiges Intermezzo, denn Aeneas trifft hier auf alte Bekannte: z.B. Andromache, die Witwe Hektors, die jetzt mit Helenus, Sohn des Priamus, vermählt ist, und der ihm den Weg nach Italien mit allen vorausgehenden Irrungen weissagen lässt.
Diese Episode aus dem 3. Buch der Aeneis, die Stampiglia als Vorlage für die Serenata benutzt hat, enthält kaum Handlung, keinerlei Konflikte und außer den gemeinsamen traurigen Rückerinnerungen an das zerstörte Troja. keine starken Emotionen, ist also per se kein Opernstoff. Der Librettist Luigi Maria Stampiglia, der dem Vergil ansonsten genau folgt, hat deshalb eine Figur hinzuerfunden – die Jägerin Jlia, in die sich Nissus, Aeneas’ Begleiter, verliebt, ohne bei ihr anzukommen, denn sie ist fest entschlossen, sich der Liebe, die sie als Tyrannei empfindet, nicht auszusetzen.
Das Stück kommt mit nur wenigen handelnden Personen aus und hat kaum Aktionen. Die Musik will gefallen - und das tut sie, weil es den Interpreten zahlreiche Möglichkeiten gibt, zu brillieren, ohne dass die komponierte Virtuosität zum Selbstzweck wird. Hasse hatte auch vollkommen den „dolce stil nuovo“ übernommen, der sich durch Eleganz und Einfachheit, melodischen Reichtum und abwechslungsreiche Formverläufe auszeichnet.
Wir, als Zuschauer (oder Hörer), werden Zeuge wie Aeneas in Chaonien, einem Teil von Epirus, von König Helenus und seiner Gattin Andromache, gastfreundlich aufgenommen wird. Hier wird Aeneas die Fahrt nach Italien und die Gründung Roms, des neue Troja, vorhergesagt. Auf der Bühne treffen Aeneas und sein Waffenbruder Nisus mit der trojanischen Jägerin Jlia zusammen, einer bescheidenen Waldbewohnerin Chaoniens. Wie schon erwähnt, hat Stampiglia diese Person erfunden, und sie stellt eine Verbindung zwischen dem Fremden (Aeneas) und den Gastgebern (Helenus und Andromache) her. Außerdem gibt es kurze Komplikationen zwischen Jlia und Nisus, die aber folgenlos bleibt, weil Jlia sich nicht mit Liebesdingen zu beschäftigen denkt.
Zweierlei ist noch zu beantworten: Erstens: wer Auftraggeber der Serenata war, und zweitens: wo sie uraufgeführt wurde. Ondrej Macek hat mit einer Forschungsarbeit ein plausibles Szenario entwickelt: nämlich den Besuch von Violante Beatrix, Tochter des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern und Witwe des toskanischen Erbgroßfürsten Ferdinando de Medici im November 1727 in Neapel. Die königliche Dame war in Begleitung des Kurfürsten von Köln, ihrem Neffen Clemens August von Bayern, der vom Papst gerade zum Bischof geweiht worden war. Dass sie im Libretto als Widmungsträger der Serenata nicht erwähnt wurden, dürfte eine Vorsichtsmaßnahme des Vizekönigs gewesen sein, denn die Medici und Violante Beatrix waren den Habsburgern nicht gerade freundlich gesinnt.
Auch die Interpreten der Uraufführung sind unbekannt geblieben, dürften aber wegen der durchaus ambitionierten Musik Spitzenleute gewesen sein. Das Booklet der cpo-Aufnahme (die an fünf Tagen im Teatro di Villa Torlonia in Rom stattfand und von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland mitfinanziert wurde) gibt nähere Hinweise, die hier wegen des Umfangs der Erklärungen ausgespart werden müssen. Auch der Musik wegen und interpretatorisch ist Enea in Caonia eindeutig ein Gewinn für das Repertoire in der Diskographie, vor allen Dingen von Johann Adolf Hasse.
(Extrakt aus dem Beiheft der cpo-Einspielung)