Franz Schmidt - Die Kammermusik

  • Vorbemerkung: Die Frage ist immer, ob man Threads eröffnen sollte, die wahrscheinlich nur wenige Beiträge und untergeordnetes Interesse erzeugen. Aber dann denke ich mir immer dass Tamino beides ist: Diskussionsforum und Nachschlagewerk. Im Sinne des zweiten ist ein solcher Thread vielleicht wertvoll und ich habe mich in vergleichbaren Fällen schon oft gefreut, wenn es vorhandene Threads gab.


    Die Musik Franz Schmidts scheint mir unter Kennern und Liebhabern einen guten Stand zu haben, findet aber gleichzeitig öffentlich so gut wie gar nicht statt. Die Sinfonien sind immerhin einige Male eingespielt, zuletzt von den Järvis und auch Petrenko hat die 4. Sinfonie mit den Berlinern gespielt. In allen weiteren Gattungen sind die Beiträge Schmidts jedoch noch größere Randerscheinungen. Schade ist das schon, denn seine Kompositionen sind in aller Regel von großer Qualität und die Kammermusik halte ich für kennenswert.


    Ein Überblick über die Kammermusik Schmidts ergibt eine schmale Liste von sechs Werken:

    - Phantasiestücke nach ungarischen Nationalmelodien für Cello & Klavier (1892)

    - 2 Streichquartette (A-Dur, 1925 & G-Dur, 1930)

    - 3 Klavierquintette (G-Dur, 1926; B-Dur mit Klarinette, 1932 & A-Dur mit Klarinette, 1939)


    Wichtig dabei ist, dass sämtliche Klavierquintette für "die linke Hand allein" gesetzt sind. Der Grund ist der gleiche wie bei Ravel und weiteren Komponisten dieser Zeit: Auftraggeber ist der nach dem 1. WK einarmige Pianist Paul Wittgenstein. Auch Schmidts Klavierkonzert von 1934 ist für die linke Hand konzipiert. Von den Klavierquintetten gibt es Versionen für zwei Hände von Schmidt-Schüler Friedrich Wührer. Wittgenstein war damit einverstanden unter der Bedingung, dass abgedruckt wird: "Dieses Werk wurde vom Komponisten für Herrn Paul Wittgenstein für die linke Hand geschrieben; es wird heute mit dessen Zustimmung zweihändig vorgetragen."


    In diesem Thread werden einige der Werke vorgestellt und geschaut, welche Aufnahmen es gibt.


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    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Franz Schmidt - Grenzgänger zwischen den Stilen


    Diesen Link möchte ich mal kopieren. Er ist auch schon wieder achtzehn Jahre alt ... Im entsprechenden Thread finden sich noch ein paar andere kleine Beiträge zur Kammermusik.


    Doch der soeben eröffnete Faden ist auf jeden Fall wertvoll, denn viel Systematik oder tiefer Lotendes erfährt man dort zur Kammermusik nicht. Mittlerweile kenne ich neben den drei Quintetten - das einstündige dritte ist zum Hineinknien [;):)] wunderbar geeignet, zu den beiden ersten habe ich mich damals knapp geäußert - die Streichquartette, die ich aber viel seltener gehört habe bislang. Die offensichtlich sehr früh entstandenen Phantasiestücke habe ich noch nicht zur Kenntnis genommen. Ich unterstelle, dass hier der Personalstil nicht vergleichbar ausgeprägt ist. Aber ich weiß es nicht. Kannst Du etwas dazu sagen, werter Kollege Tristan?


    :cheers: Wolfgang

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  • Die offensichtlich sehr früh entstandenen Phantasiestücke habe ich noch nicht zur Kenntnis genommen. Ich unterstelle, dass hier der Personalstil nicht vergleichbar ausgeprägt ist. Aber ich weiß es nicht. Kannst Du etwas dazu sagen, werter Kollege Tristan?

    Die Phantasiestücke von 1892 haben klanglich in der Tat noch nicht so viel mit den hochinteressanten Quintetten zu tun. Einerseits ist die Thematik durch die ungarischen Lieder stark vorgegeben, andererseits werden sie eher hoch- als spätromantisch verarbeitet. Es sind relativ gefällige Werke mit 'ungefährlicher' Harmonik.

    Die Entstehungszeit liegt noch vier Jahre vor der 1. Sinfonie, die zwar auch noch recht romantisch klingt, in der aber eindeutig ein Stil Schmidts feststellbar ist.

    Letztlich sind die Phantasiestücke eine kompositorische Fingerübung eines 18jährigen, die sicherlich einen konkreten Anlass hatten (?). Schmidt war zu der Zeit Student am Wiener Konservatorium.


    Hier das erste Lied:

    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Auch die Kammermusik gehört zum Schönsten (bei großer Individualität!), was ich an spätromantischer Musik kenne (und ich kenne so einiges).

    Ich möchte die erlesen schönen drei Klavierquintette (im Original für die linke Hand), zwei davon mit Klarinette, empfehlen, in A, B und G. Ob das in A im Augenblick bei jpc bzw. amazon überhaupt erhältlich ist oder ob ich das letzte Exemplar weggekauft habe :], weiß ich nicht so genau. Außer den oben abgebildeten gibt es jedenfalls nicht sonderlich viele weitere Einspielungen.

    Durch und durch österreichisches Flair aus den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts, aber auch formal sehr differenziert gearbeitet.

    Da schließe ich mich ganz dem geschätzten Kollegen Wolfgang an!

    Ich bin ein großer Anhänger der drei Klavierquintette (zwei davon lassen sich ja auch als Klarinettenquintette betiteln). Alle drei gehören für mich zu den schönsten Kammermusik-Werken der zeitlichen Umgebung und sind wichtige Beiträge der Kammermusik des 20. Jh. Ich höre sie momentan alle drei wieder, gleich mehrere Male. Stilistisch trifft es größtenteils der 'heitere Ernst', teilweise überraschend eingängig, an anderen Stellen wieder wunderbar komplex und kontrapunktisch dicht. Alle drei Quintette bekommen hier noch einen eigenen Eintrag.


    Schaut man sich die diskographische Situation an, dann ist diese kein Luxus. Es gibt nur wenige Aufnahmen und diese teilweise auch nur noch antiquarisch.


    Das 1. Klavierquintett in G-Dur (Orfeo incl. Nr. 2), Decca ist nicht verfügbar:


    Das 2. Klavierquintett (Klarinettenquintett) in B-Dur ist in der Polo-Aufnahme nicht mehr verfügbar, aber in den Left Hand Anthologies:


    Das 3. Klavierquintett (Klarinettenquintett) in A-Dur (von cpo grade im Angebot), die Wiener Aufnahme nicht verfügbar:

    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Das 1. Klavierquintett in G-Dur entstand 1926 und wurde erst fünf Jahre später 1931 in Stuttgart uraufgeführt. Es sieht die übliche Klavierquintett-Besetzung (Klavier, 2 Violinen, Viola, Cello) vor. Das Klavier ist dabei auf Wunsch des Auftraggebers Paul Wittgenstein 'für die linke Hand allein' gesetzt. Eine zweihändige Version stellte Friedrich Wührer 1954 mit Einverständnis Wittgensteins her.


    Mir gefällt der heiter-forsche Grundklang der Komposition, in deren über halbstündiger Aufführungsdauer sich viele Schönheiten und tolle spätromantische Stellen entdecken lassen. Der Kopfsatz Lebhaft, doch nicht zu schnell beginnt recht modern und stellt ein rhythmisch interessantes und beschwingtes Thema vor. Der Hinweis auf Gershwin, den ich zu diesem Satz gelesen habe, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenngleich die Amerikanismen bzw. Jazz-Elemente bei Schmidt nur angedeutet sind. Dennoch ist das ein erstmal überraschender und spannender Gestus. Das häufig nahezu über den Streichklang fantasierende Klavier spielt die Stärken dieser Kammermusikgattung perfekt aus. Es folgt ein gesangliches Adagio. Die Viola stellt das Thema vor und wird dabei sehr reizvoll von den anderen Streichern umspielt - das Klavier schweigt zunächst. Das Thema erinnert an ein Wiegen- oder Abendlied, das ich aber nicht kenne. Der Mittelteil der dreiteiligen Liedform kontrastiert mit aufwühlender Stimmung stark. Das Scherzo (Sehr ruhig - Lebhaft) wird mit einem attraktiven, harmonisch interessant gestalteten walzerartigen Thema vom Klavier begonnen, zu Pizzicati-Begleitung der Streicher. Schnell wird daraus ein zunächst dreistimmiges Fugato mit verschlungener Stimmführung. Die Satzanlage ist recht eindeutig eine fünfsteilige ABABA mit kurzem B-Schluss. Es ist nachzulesen, dass es dem Hauptthema aus Felix Weingartners Sextett von 1904 ähnelt, welches Schmidt wohl kannte und auch aufgeführt hatte. Das Finale Sehr lebhaft wird von einem markant auftaktigen Thema kontrapunktischer Natur bestimmt. Es endet erwatbar furios.


    Je häufiger ich es höre, desto mehr wird es mir zu einem der liebsten Klavierquintette überhaupt und das will schon was heißen!


    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Das 2. Klavierquintett in B-Dur (manchmal auch 1. Klarinettenquintett in B-Dur) entstand 1932 und wurde im Jahr darauf uraufgeführt. Im Vergleich zum ersten Gattungsbeitrag ändert Schmidt die Besetzung und tauscht die zweite Violine mit einer Klarinette. Selbige wird in diesem Werk auch sehr bevorzugt behandelt, so dass die Gattungsbezeichnung hier wirklich fraglich ist - was wiederum natürlich nur von rein akademischen Interesse ist. Auf weite Strecken bekommt die Klarinette Raum sich auszusingen und wehmütig-tröstlich zu fantasieren. Der Klavierpart ist auch hier für Wittgenstein 'für die linke Hand allein'. Die Fassung für zwei Hände stammt auch hier von Friedrich Wührer. Das Quintett ist dreisätzig, der lange zweite Satz umfasst gewissermaßen langsamen Satz und Scherzo in einem.


    Mit einem verhaltenen Andante tranquillo entstehen Klangräume für die Klarinette, in der sie eine weitgesponnene Melodik entwirft. Der Satz wirkt durchgängig suchend und meist verträumt wehmütig. Ähnlich suchend und fast beiläufig verklingt er auch. Das Klavier darf den Doppelsatz Lento - Allegro vivace eröffnen. Die Musik klingt zunächst nach einem typischen spätromantischen Charakterstück für Klaviersolo. Aus dem langsamen und verträumten Beginn, der charakterlich sehr an den Kopfsatz erinnert, entwickelt sich ganz organisch ein tänzerischer Impuls. In Verzahnung der Sätze erscheint dieser Scherzo-Teil hier als B-Teil des langsamen Satzes. Das Klavier bremst den Bewegungsimpuls nach einiger Zeit wieder aus und kehrt zurück zu A. Dieser Ablauf wiederholt sich anschließend. Das Finale Allegro ma non troppo beginnt mit einem hüpfenden Klaviermotiv auf die Pizzicati der Streicher. Interessante Klänge erzeugt Schmidt durch ungewöhnliche Kombinationen der Besetzung: Pizzicati, hohes Klavier und Melodie in der Klarinette z.B. Der Satz wird anschließend kontrapunktisch verdichtet und steuert in einer Variation auf einen kraftvollen, teilweise fast gewaltvollen Höhepunkt zu, bei welchem das hüpfende Hauptthema eher als gravitätischer Choral erscheint.



    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Das letzte Werk dieser Besetzung ist das 3. Klavierquintett in A-Dur (oder: 2. Klarinettenquintett) aus dem Jahr 1938, uraufgeführt in Schmidts Todesjahr 1939. Wie das Vorgängerwerk besteht die Besetzung aus Klavier 'für die linke Hand allein', Klarinette und Streichtrio. Auch hier wurde eine von Wittgenstein abgesegnete Version zu zwei Händen von Friedrich Wührer angefertigt.

    Die Gestalt in der uns das Werk heute begegnet ist ein Kuriosum: Ein fünsätziges Riesenwerk mit einer Spielzeit von über einer Stunde und damit unter den längsten Kammermusikwerken, die ich kenne. Eine Aufführung dauert sogar noch einige Minuten länger, als bei Schuberts Oktett. Dies ist indes gar nicht die Intention Schmidts gewesen, der ein viersätziges Werk komponierte. Die Besonderheit: Der langsame Satz stellt ein Intermezzo für Klaviersolo dar, was eine durchaus ungewöhnliche Idee war. Allerdings befürchtete Wittgenstein, dass ein solcher Solosatz bei einem Kammerkonzert schlecht ankommen würde. Deshalb komponierte Schmidt ein Ersatz-Adagio, welches statt des Intermezzos aufgeführt werden konnte. In der heutigen Aufnahmepraxis steht es an vierter Stelle und wer nicht nachliest, hält es für den regulären langsamen Satz eines fünfsätzigen Werkes. Zieht man die Viertelstunde Aufführungsdauer dieses Satzes ab, so kommt die Originalversion des Quintetts auf eine immer noch sehr lange Aufführungsdauer von über 45 Minuten, wirkt aber nicht mehr so überdimensioniert.


    Der Kopfsatz beginnt klanglich äußerst reizvoll mit hüpfenden Klaviertönen samt Streicher-Pizzicati. Auf diesen Klangteppich exponiert die Klarinette eine träumerische und erneut ein wenig suchende Melodie, die schnell von den anderen aufgenommen wird. Die Charakteristik des Satzes steht damit fest: Elegante Wehmut, ein heiterer Ernst. Herrlich schwärmerisch und verschlungen entspinnt sich der Gesang in diesem langen Satz, der immer wieder kleine solistische Stellen des Klaviers vorsieht. Ist das vorangegangene B-Dur-Quintett klanglich mehr ein Klarinettenquintett, so liegt hier eindeutig ein Primat des Klaviers vor. Es folgt als langsamer Satz das angesprochene Intermezzo des Soloklaviers. Es beginnt mit in sich verschlungenen Akkorden und einer geheimnisvollen Aura. Daraus entwickelt sich eine Art Lied ohne Worte, oder auf Grund des deklamatorischen Charakters vielleicht ein Gedicht ohne Worte. Das an dritter (zweiter) Stelle stehende Scherzo beginnt mit ähnlichen Intervallen wie das verklungene Intermezzo, nur dass der Klavierpart schneller und deutlich unruhiger wirkt. Die vermittelte Stimmung erinnert teilweise mehr an einen Totendanz (sozusagen ein Danse maccabre), als an einen Wiener Tanzsatz. Das nachkomponierte Adagio steht bei den verfügbaren Aufnahmen stets an vierter Stelle, das Scherzo wird also durch die beiden langsamen Sätze gerahmt. Interessanterweise beginnt auch der nachkomponierte Satz mit einem ausgedehnten Klaviersolo - eine Idee von der Schmidt scheinbar nicht lassen wollte. Eine Klagefigur gibt den schwermütigen und lastenden Grundcharakter des Satzes vor. Ein großer Gegensatz entsteht dadurch zum reizvollen Variationsfinale (Finale, Variationen über ein Thema von Josef Labor). Das Thema des Wittgenstein-Lehrers Labor wird von der Klarinette vorgestellt und entpuppt sich als lieblicher und eingängiger Gesang. Auch hier gehört die erste Variation dem Klavier solo. Die Dominanz des Klaviers in diesem Werk fällt immer wieder auf. Bemerkenswert ist ferner die Ungherese-Variation, bei der Schmidt noch einmal zündend seine Vorliebe für magyarische Melodien auslebt.



    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Vielen Dank für Tristans differenzierte Besprechungen und auch die Hinweise auf die jeweils eine Aufnahme, die ich nicht kenne (1). Ich glaube zwar nicht, dass ich da noch ergänzend kaufen werde, aber anhören kann man sich die Einspielungen vielleicht auch anderweitig.


    Vielleicht ist die Serie Left Hand Legacy ebenso anderweitig interessant. Mal schauen!


    Beim dritten Quintett meine ich mich auch an gewisse deutliche Unterschiede zwischen Linos und dem alten Wiener Ensemble zu erinnern. Qualitätsunterschiede waren es wohl nicht. Aber ich bin da nicht gar so kritisch. Die wesentlich neuere Aufnahme mag noch etwas besser klingen.


    (1) Beim B-Dur-Werk sind es logischerweise zwei - denn die Orfeo-Produktion enthält ja G-Dur UND B-Dur. :pinch:;)

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  • Beim dritten Quintett meine ich mich auch an gewisse deutliche Unterschiede zwischen Linos und dem alten Wiener Ensemble zu erinnern. Qualitätsunterschiede waren es wohl nicht. Aber ich bin da nicht gar so kritisch. Die wesentlich neuere Aufnahme mag noch etwas besser klingen.

    In der Tat, lieber Wolfgang, gibt es da alleine schon einen Unterschied, der ins Auge fällt: Die Wiener Aufnahme dauert nochmal ganze zehn Minuten länger! Alleine der 1. Satz ist fast sechs Minuten länger. Ich frage mich, ob die irgendwo eine Wiederholung spielen... :/


    Ich gehe mal davon aus, denn auch bei dieser englischen Aufnahme, ist der Kopfsatz fünf Minuten länger, als bei Linos. Der Rest ist sehr ähnlich, so dass sich hier 69 Minuten Aufführungsdauer ergeben. Dass die Wiener weit über 70 Minuten benötigen liegt an der insgesamt langsameren Lesart.

    Beste Grüße von Tristan2511


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    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Nun, lieber Kollege, das ist mir auch schon aufgefallen, dieser zeitliche Unterschied, aber ich habe das dann ad acta gelegt.


    Wenn man die Partitur hätte, wäre es wesentlich einfacher als mit dem Versuch einer Hörkontrolle. Ich schaue mal.


    EDIT: Bei imslp finde ich nichts, in der Tube bislang nichts. Das ist schlecht.


    Aber eigentlich hast Du die Dinge mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor - einem geringen - schon geklärt!

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  • Neben den drei Klavierquintetten hat Schmidt zwei Streichquartette geschrieben.

    * 1. Streichquartett in A-Dur (1925)

    * 2. Streichquartett in G-Dur (1929)


    Ich empfinde die beiden Werke als recht unterschiedlich. Nr. 1 klingt relativ unbeschwert und elegant und leicht wehmütig. Damit lehnt es sich an das fast zeitgleich entstandene 1. Klavierquintett in G-Dur an. Nr. 2 hingegen


    Das 1. Streichquartett in A-Dur entstand als erstes größeres Kammermusikwerk Schmidts 1925, also zu einer Zeit, in der bereits die 3. Sinfonie konzipiert wurde, beide Opern komponiert waren und ein Großteil der Orgelmusik am entstehen war. Kammermusik war für Schmidt folglich - sieht man vom wenig repräsentativen Jugendwerk der Phantasiestücke für Cello und Klavier ab - nicht unbedingt der erste oder naheliegendste Zugriff auf Musik. Es ist mit etwa 38 Minuten Spieldauer unter den längeren Streichquartetten.

    Der Gestus des Kopfsatzes (Anmutig bewegt) ist mit Fin-de-siecle-Wehmut ganz gut umschrieben, auch wenn diese Zeit bereits vorbei war. Die elegant fließende Musik ist fein gewoben und wird bei aller Wehmut niemals düster. Im Adagio entwickelt sich zu tupfender/klopfender Begleitung ein relativ expressiver Gesang der ersten Violine. Nach einem viel bewegteren B-Teil verbinden sich beide Elemente auf effektvolle Weise. Das Scherzo, sehr lebhaft wirkt mit seinem mechanischen Beginn was wie eine Toccata. Der gesamte Satz ist kontrapunktisch durchgearbeitet. Es folgt ein relativ inwendiges Finale (Ruhig fließend). Allerdings fließt es durchaus nicht die ganze Zeit weiter, wie etwa der Kopfsatz. Stattdessen finden sich Inseln ('sehr langsam') mit Akkorden die weder hymnische noch choralartige, sondern beinahe tragische Höhepunkte bilden.


    Das 2. Streichquartett in G-Dur komponierte Schmidt vier Jahre später, 1929. Es unterscheidet sich bei gleicher Aufführungsdauer im Ausdruck doch deutlich vom Erstling. Der Kopfsatz (Molto tranquillo) ist wesentlich expressiver und harmonisch progressiver gestaltet, das elegante Fließen kommt weniger zur Geltung. Der Stimmungsgehalt ist freilich ähnlich, man muss dieser Musik Wehmut, vielleicht auch Fatalismus bescheinigen. Besonders das fast schleppend beginnende Adagio klingt sehr modern. Eine traurige, etwas liedhafte Melodie wird von der ersten Violine zu teilweise liegenden Tönen der tieferen Streicher exponiert. Wie sich dieses Thema zum Ende des Satzes hin steigert und äußert ausdrucksstark nun von der zweiten Violine zu sehr expressiven Umspielungen der ersten Geige ausgesungen wird ist für mich eine der großartigsten Stellen bei Schmidt überhaupt! Das nachfolgende Scherzo verbleibt dem Stimmungsgehalt und der Harmonik nach im Gestus der ersten beiden Sätze. Der unruhige Satz ist keine heitere oder tänzerische Insel, sondern ein teilweise fahles und mystisch klingendes, fiebriges Charakterstück. Ein verhältnismäßig kurzes Finale (Allegro) ändert an der Grundstimmung nichts mehr. Es wirkt durch das einsetzende Fugato strenger und ein wenig gezügelter, als die vorherigen Sätze.



    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Zu den Streichquartetten liegt nur noch die Aufnahme des Franz Schubert Quartetts vor. Diese finde ich aber sehr zufriefenstellend!


    Vom A-Dur-Quartett gab es noch diese Aufnahme Wiener Konzerthausquartetts, aber sie is vergriffen.


    Weitere Aufnahmen sind mir nicht bekannt.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)