Param Vir (* 1952 in New Dehli)
BROKEN STRINGS (Gerissene
Saiten
Oper in einem Akt
Libretto von David Rutkin
Originalsprache: Englisch
Uraufführung 1992 in München.
Personen der Handlung:
Der König (Bass)
Musil (Tenor)
Drei Preisrichter (ein Tenor, zwei Baritone)
Elefant, Fisch, Pfau (magische Geschöpfe) Alt, Sopran, Tenor
Chor / Statisten: Hofgesellschaft, Dienerschaft, Zuhörer.
Ort und Zeit: Asien zu sagenhafter Zeit.
Einziger Akt.
In einem asiatischen Land, das nicht explizit genannt wird, weshalb die Geschichte in jedem Land mit einer Monarchie passiert sein könnte, besteht eine Vakanz im Musik-Bereich. Die königliche Kammer sucht also schon seit längerer Zeit einen Hofmusiker, ist aber bisher zu keinem Abschluss gekommen, obwohl sich wegen der gutbezahlten Stelle mit einem hohen ehrenvollen Anspruch viele Künstler beworben haben. Wahrscheinlich ist das aber dem König jenes Landes zuzuschreiben, der keinem der Bewerber den Posten zutraute, dem kein Bewerber zusagte.
Eines Tages kam aber ein Künstler an den Hof, der sein Saiteninstrument so einzigartig beherrschte und dessen Spiel von einer unglaublich effizienten Technik beseelt war, dass alle Zuhörer begeistert waren. Insofern hatte auch der Musiker, der sich Musil nennt, das Gefühl, Sieger zu sein und auch der Stelle sich sicher fühlte.
Plötzlich aber erschien ein alter, fast erblindeter Mann, der sich Guttil nannte, und der sich des Saiteninstruments annahm und es genauso schön und mit ebenso viel Schwung spielte, wie der junge Musiker. Und das zu hören war für den jungen Bewerber der Grund, den schon sicher geglaubten Posten des Musikers wieder vergessen zu müssen.
Doch was ist das? Kaum hat Guttil zu spielen begonnen, riss eine Saite, was den Spieler allerdings nicht störte, denn er spielte einfach weiter und entlockte dem Instrument trotz des Saiten-Verlusts ungewöhnliche Töne. Auch als dem alten Mann noch weitere Saiten rissen, blieb der Alte von dem Missgeschick unbeeindruckt.
Die Preisrichter, die das ganze Spiel natürlich verfolgten, waren, man konnte es ihren Gesichtern ansehen, schon mitleidig. Guttil aber spielt unaufhörlich weiter. Schließlich war nur noch eine Saite des Instruments heil und der Alte spielte immer noch weiter, entlockte dem Instrument schöne, aber ungewohnte Klangbilder, die einen Elefanten, einen Fisch und einen Pfau anlockten und zum Mitsingen veranlassen. Dann aber, man glaubt es kaum, tanzten Elefant, Pfau und Fisch zu den Klängen, die Guttil seinem Instrument entlockte.
Der König und die Preisrichter waren hin und weg und der junge Musiker sah seinen schon sicher geglaubten Posten in der Hofmusikkapelle endgültig verloren. Aber er konnte sich der Magie, die das Spiel des alten Musikers hervorrief, nicht entziehen, sah sich aber außerstande, Guttils Spiel für etwas Normales anzusehen; je weiter die Klangwelten von Guttils Spiel sich fortsetzten, umso mehr gewann er den Eindruck, dass hier etwas Unnatürliches im Gange ist, das hier mit Zaubertricks Musik gemacht wurde.
Der junge Musiker versuchte, es Guttuil gleich zu tun, zerriss die Saiten des Instrumentes, erreichte aber nicht das Wunder, wie der Alte zu spielen; das Instrument, das er in der Hand hielt, war im Grunde genommen zerstört.
Der König war inzwischen unruhig geworden und versuchte, das Spiel der Musiker zu beenden…
Anmerkungen:
Param Vir (* 6. Februar 1952 in Delhi) ist ein zeitgenössischer indischer Komponist.
Param Vir wurde in Delhi geboren. Seine Mutter war eine Dichterin und angesehene Sängerin, sein Vater Elektronikingenieur und Mathematiker. Virs prägende Jahre im Elternhaus waren von indischer klassischer Musik bestimmt. Im Alter von 9 begann Vir, Klavierunterricht zu nehmen; mit 14 Jahren folgte Kompositionsunterricht. Auf diesem Weg kam Vir erstmals mit zeitgenössischer westlicher Musik in Kontakt. Diese Einführung in die Komposition entfachte in dem Jungen eine große Leidenschaft und bestimmte von nun an sein kreatives Wirken.
Virs frühe Kompositionen weckten das Interesse von Peter Maxwell Davies, der ihn 1983 mit einem Stipendium zur Dartington Summer School einlud. Unter der Ermutigung von Maxwell Davies zog Param Vir 1984 nach London, um Komposition zu studieren. Der Ortswechsel zahlte sich sofort aus. Innerhalb von drei Jahren gewann Vir den Benjamin Britten Kompositionspreis (Aldeburgh), den Kucyna International Composition Prize (Boston), den Tippett Composition Award (Dartington) und den Performing Right Society Composition Prize (London).
Seit den 1990er Jahren hebt Vir sich als Opernkomponist von beträchtlichem Talent und hoher Originalität heraus. Seine beiden einaktigen Opern - Broken Strings und Snatched by the Gods - waren von Hans Werner Henze für die Münchner Biennale 1992 in einer Inszenierung von Pierre Audi und der niederländischen Oper in Auftrag gegeben worden. Im folgenden Jahr erhielt Param Vir den Ernst von Siemens Kompositionspreis (München). Der Erfolg dieser beiden Opern zeigt sich an den zahlreichen Aufführungen beispielsweise der Almeida Opera (1996), der Scottish Opera (1998), der Berliner Staatsoper (1999) und der Musikwerkstatt Wien (1999). Im Jahr 2001 wurde die ursprüngliche Pierre Audi-Produktion von Muziektheater Transparant wiederbelebt und in Antwerpen, Rotterdam und Rouen aufgeführt. Param Virs erste abendfüllende Oper Ion wurde von der Aldeburgh Almeida Opera in Auftrag gegeben. Sie wurde beim Aldeburgh Festival im Jahr 2000 erstaufgeführt. Die erste vollständige Produktion der Oper wurde 2003 in einer Koproduktion zwischen dem Musiktheater Wales, den Berliner Festwochen und Opera National du Rhin aufgeführt. Die Premiere startete in der Saison 2003/2004 mit einer Reihe von sieben Aufführungen, bevor sie bei den Berliner Festspielen, im Linbury Studio des Royal Opera House, in Covent Garden und auf einer Tournee durch Großbritannien aufgeführt wurde.
Das große Orchesterwerk Horse Tooth White Rock, das auf dem Leben des tibetischen Heiligen Milarepa aus dem 11. Jahrhundert basiert, wurde 1994 vom BBC Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Peter Maxwell Davies in Auftrag gegeben und uraufgeführt. Es wurde unter anderem vom BBC Symphony Orchestra bei den BBC Proms 2005 aufgeführt.
Weitere bemerkenswerte Werke sind Ultimate Words - Infinite Song for Bariton Solo, Percussion Sextett and Piano, das im Auftrag des Berliner Festivals 1997 entstanden ist. Das Stück ist von den Schriften des dänischen Widerstandshelden Kim Malthe-Bruun aus dem Zweiten Weltkrieg inspiriert. Das Theatre of Magical Beans wurde 2003 von der Birmingham Contemporary Music Group in Auftrag gegeben und von einem Kritiker als „virtuoses und äußerst erfreuliches, lebensbejahendes Werk“ beschrieben. Es folgte 2005 Hayagriva, das im Amsterdamer Muziekgebouw vom Schönberg Ensemble uraufgeführt wurde. 2006 gab das BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Alexander Rumpf die Uraufführung von Between Earth and Sky. Das Stück ist inspiriert von Anish Kapoors Chicagoer Skulptur Cloud Gate. Es wurde vom Sunday telegraph hochgelobt: „Selbst in einer ruhigen, verzückten Reflexion am Ende wird die Musik von einem strukturellen Rückgrat gehalten, das eine fruchtbare Beschäftigung mit Kapoor suggeriert“.
In Bezug auf seine Oper Ion formuliert Param Vir sein künstlerisches Credo: „Mein Gefühl von Zeit trennt nicht Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft; für mich ist das alles Gegenwart, so Param Vir. Wirkliche Kunstwerke transzendieren Zeit und Ort.“
© Manfred Rückert und Wikipedia