Wie nähern sich die Forumsteilnehmer einem neuen Werk

  • Musik nebenbei und während des Arbeitens (Vorbereitens, Korrigierens, Lernens etc.pp.) höre ich gern - aber nicht bei neuen Werken!!! :beatnik:
    Denen nähere ich mich mit Respekt, quasi in einem zeremoniellen und rituellen Akt: Volle Konzentration und in ganzer Länge bewusst. Dumm ist es dann nur, wenn das gehörte nicht wirkt, dann mache ich entweder doch was anderes nebenbei oder den teleton: Querhören :D


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Franz Laier
    "Ich schiebe die CD in den Player und schaue mal, was in mir passiert"


    oder


    Zitat

    "Ich lese zuerst eine kurze Beschreibung zu dem Werk und versuche das gelesene im Werk nachzuvollziehen."


    Salut,


    bei mir sind beide Fälle zutreffend - aber ich würde das nicht als Zugangverschaffen bezeichnen. In der Regel besorge ich mir Werke aus Mozarts näherem [oder ferneren] Umkreis, die irgendwie [selten nicht] mit Mozart zu tun haben. Ich habe also bereits darüber gelesen, zumeist Erwähnungen in Briefen oder Zeitzeugenberichte. Da interessiert mich natürlich besonders, ob die abgegebene Meinung auch auf mich zutrifft. Einen "Zugang" habe ich zu all diesen Werken, was nicht heißt, dass ich sie alle mag - aber meistens waren es hocherfreuliche Erlebnisse.


    Eher selten greife ich zu einer Einspielung einer mir unbekannten Händeloper oder vergleichbarem... auch hier hatte ich meist ein glücklichen Händchen und "verstand" mich gleich mit meiner neuen Freundin, heißt: es gefiel mir [überaus].


    Zitat

    Ich lege die CD rein und Spiele zuerst den kürzesten Satz des Werks (also zumeist das Scherzo oder Menuett), da kann ich dann ruhig auch nebenbei etwas tun, zum Beispiel am Computer sitzen und schreiben so wie ich gerade
    Habe ich mir jenen Satz dann erschlossen wende ich mich dem Kopfsatz zu.
    Da heisst es dann wirklich aufmerksam und konzentriert zuhören.


    Das funktioniert aber spätestens beim Live-Konzert nicht mehr... ich versuche stets, Live-Konzerte zu simulieren: Also "richtige" Lautstärke, "richtige" Reihenfolge [ansonsten könnten vom Komponisten gewollte Effekte verloren gehen oder mißverstanden werden].


    Um die Frage zu beantworten, wie ich mich einem neuen [ = bisher unbekannten] Werk "nähere":


    Völlig unbekannte Werke als Neuerwerbungen laufen bei mir zumeist ganz nebenbei, auch im Auto, wo ich abgelenkt bin. Wenn dann das Werk stärker ist, als die notwendige Konzentration auf z.B. den Verkehr - hat es gewonnen, ansonsten idR verloren... es ist also eine Art [nicht ganz] "zufälligen Entdeckens", so wie man Forellen im Teich aussetzt, um sie anschließend angeln zu können.


    Wie bereits an anderer Stelle in diesen Sphären vermerkt, muß zunächst das [neue] Werk auf sich aufmerksam machen, bevor es auch nur einen Funken Interesse bei mir weckt. Dann aber wird es meinstens so stark verinnerlicht, dass ich in allen denkbaren Lebenssituationen an bestimmte Stellen aus diesen Werken denke und sie ggfs. vor mich hinpfeife [sind sind dann ein Teil von mir geworden]. So flöte ich beispielsweise seit über 20 Jahren jeden Morgen beim Schuhezubinden den 6/8-Teil auf KV 491 III...


    :pfeif:


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Wie bereits an anderer Stelle in diesen Sphären vermerkt, muß zunächst das [neue] Werk auf sich aufmerksam machen, bevor es auch nur einen Funken Interesse bei mir weckt. Dann aber wird es meinstens so stark verinnerlicht, dass ich in allen denkbaren Lebenssituationen an bestimmte Stellen aus diesen Werken denke und sie ggfs. vor mich hinpfeife [sind sind dann ein Teil von mir geworden]. So flöte ich beispielsweise seit über 20 Jahren jeden Morgen beim Schuhezubinden den 6/8-Teil auf KV 491 III...


    Seltsamerweise trifft das sogar auf mich Musikdummy zu: höre im Kopf oft Sachen, die ich jahrelang nicht mehr zu Ohren bekommen habe. Das hängt sich dann irgendwo in die Weiten der Katakomben der Gehirnwindungen ;)
    Und dann muss der Badewannentenor natürlich auch manchmal mitsingen bzw. pfeifen :D


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Wenn ich mir zu einem Werk Zugang verschaffen möchte, dann esse ich erstmal was - auf nüchternen Magen tendiert meine Bereitschaft, die Widerstände zu überwinden, die mir ein Musikstück entegegen bringt, gegen Null. Sollte sich das Problem beim Spielen oder Hören danach nicht von selbst erledigt haben, dann gibt es noch ein paar weitere Möglichkeiten. Am liebsten lasse ich mir von jemandem, der das betreffende Stück oder den Komponisten liebt, hemmungslos vorschwärmen - am besten live: ich will glänzende Augen, zum Himmel erhobene Hände etc. sehen. Begeisterte Menschen lassen mich selten kalt und das überträgt sich dann manchmal auch auf die Musik. Hilft das nicht oder ist gerade kein begabter Schwärmer verfügbar, dann lese ich, wobei mir ausführliche begeisterte Kommentare von Zeitgenossen eines Komponisten besonders wichtig sind. Es gibt aber auch den rein intellektuellen Zugang. Leere Quinten in der mitteralterlichen Musik habe ich erst zu schätzen gelernt, nachdem ich erfuhr, dass die Zeitgenossen fasziniert von der Idee waren, dass dieses reine Intervall aus einfachsten Teilungsverhältnissen einer Saite zu gewinnen ist. Denn das galt als ein Beweis für die Existenz Gottes, der ja alles "nach Maß Zahl und Gewicht" geordnet haben soll.

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.