"Don Giovanni" Aalto Essen

  • stefan herheims "don giovanni" im essener aalto ist keine minute langweilig.
    die 3 1/4 stunden vergehen eigentlich viel zu schnell,zumal auch auf einem hervorragenden niveau gesungen wird.
    schwer vorstellbar,das "don giovanni" zur zeit irgendwo in D besser gesungen wird.
    einen einzelnen sänger rauszupieken,wäre fast unfair,dennoch möchte ich helen donath erwähnen,die mit einer spielfreude an die sache geht,dass man sie dafür u.f. ihren gesang abbusseln möchte.
    und das in der rolle der zerlina.
    eigentlich hätte man sich ein junges liebespaar erwartet,aber nein,stefan herheim stellt das liebespaar doppelt auf die bühne.pantomimisch dargestellt von einem jungen paar und singend(u.spielend)von einem alternden gebrechlichen paar mit helen donath u. dem ebenfalls grossartig singenden marcel rosca.
    durch das ganze fegt unermüdlich diogenes randes als don giovanni und "zieht sie alle in den beichtstuhl".
    viele kritiker bezeichneteten diesen "don giovanni"(zurecht),als beste mozartinszenierung des zu ende gegangenen mozartjahres.(3 wochen zu spät)
    eine wahre bilderflut bricht auf den zuschauer herein und die ideen scheinen herheim nicht auzugehen.
    streng religiöse besucher seien gewarnt,DG geht nicht zimperlich um.
    und das ganze passt wunderbar in wort u. bild.
    herheim hält bis zum schluss durch und das essener publikum zu 99,9% auch und wird mit einer herausragenden produktion belohnt.
    lg yago


    http://www.essen.city-map.de/city/db/040303031100.html

    Einmal editiert, zuletzt von yago ()

  • ja ich muss dir beipflichten yago! Ich finde Don Giovanni ist unsere derzeit beste Inszenierung. Und Stefan Herheim ist ein toller Regisseur, er bleibt keiner Frage eine gute fundierte Antwort schuldig und er arbeitet gut und gerne mit dem Chor, was diese Inszenierung sehr belebt! Hier kommen wir eben nicht, unsere 10Takte zu singen wie ansonsten bei Giovanni, hier wird Mozarts Spätwerk zur grossen Choroper und wir sind vom Anfang bis zum Ende dabei!
    Auch ich finde die Idee des Alterspärchens genial und Helen Donath grandios!
    Schön ist auch der Einfall den Bischoffshut in eine Narrenkappe zu verwandeln! Don Giovanni ist die personifizierte Scheinheiligkeit bis ins kleinste Detail! Ja zimperlich darf man nicht sein bei dieser Inszenierung, aber wer begreift, worum es geht, erkennt dass dieses Regiekonzept brillant ist. Genial fand ich auch, dass bei der Premiere Stefan Herheim für Diogenes Randes szenisch eingesprungen ist und einen herrlich süffisant diabolischen Giovanni spielte! So bekam man gleich nochmals einen authentischen Eindruck wie der Regisseur sich die Rolle gedacht hat!


    LG Azucena

  • Wer den Don Giovanni in Essen besuchen möchte: Am Samstag 20.9. ist Wiederaufnahme! Gefolgt von weiteren 4 Terminen am 27.9 / 18.10. / 28.12 und 4.1. allerdings leider nicht mehr in der Premierenbesetzung, aber H.Donath, A.Hermann,A. Svilpa und M.Rosca sowie B.Robein sind noch "Urbesetzung" H.Trinsinger singt jetzt den Giovanni , M.Haag den Komtur und A.Lubchansky Donna Anna.

  • Mich wundert es ja, dass ich über meine derzeitige Lieblings-Inszenierung in NRW hier noch nichts geschrieben habe:
    Vier mal habe ich inzwischen den Don Giovanni von Stefan Herrheim in Essen gesehen und habe mich nie gelangweilt, im Gegenteil: Es bleibt spannend wie beim ersten Mal. Am ehsten lässt sich dieser Giovanni mit dem derzeitigen Parsifal in Bayreuth vergleichen, auch diese Arbeit von Herrheim.
    Sein Don Giovanni treibt ausgerechnet in einer Kathedrale sein Unwesen. Der fantastische Raum von Thomas Schuster lebt im wahrsten Sinne des Wortes diesen Don Giovanni mit Drehbühne, helfenden Mönche und zum Leben erwachenden Statuen aus.
    Der Libertin fungiert irgendwo zwischen Dämonenwesen, einem Bild entsprungenem Heiligen und dem Sexualtrieb des Priesters Leporello. Bei seinen Anfangszeilen, wo er sich über die Arbeit beschwert, für einen „der es nicht zu schätzen weiß“, fragt man sich unwillkürlich, welchen Arbeitgeber er denn jetzt meint. Nach Giovannis Höllenfahrt - eine Art Exorzismus, der erneut die Verbindung zwischen Leporello und Don Giovanni unterstreicht wie kaum je zuvor - da sind es wieder die Übertitel, die provozieren, wenn Leporello singt: „Ich suche mir einen besseren Herren“.
    Herheim lässt in seiner Inszenierung einiges an Kirchenkritik mitschwingen, wird dabei aber nie beleidigend, sondern projiziert alles auf seinen gottlosen Verführer. Da schwingt viel Satire mit, wenn Leporello mit der Gottesmutter tanzt und im Kelch der Eiskonfekt serviert wird. Wirklich provokant wird es, wenn Leporello und Giovanni mit Weihrauch und Weihwasser die Gäste begrüßen: Viva la liberta“ stellt man sich wohl anders vor. In der Pause, nach einem blendend inszenierten Finale, geht schnell die große Diskussion los. Eine kritische Stimme sei hier zitiert: „Die Champagnerarie hat er ja ordentlich gesungen, aber ich konnte einfach nicht klatschen, da er ja den Priester in einen Narren verwandelt hat“. Wenn man dieser Inszenierung etwas vorwerfen kann, dann ist die Vielschichtigkeit, die einen fast dazu zwingt, mehrmals diesen Don Giovanni anzusehen. Und da wäre noch diese kleinen aber doch auffälligen Eingriffe in das Libretto von Da Ponte, die aber im Sinne der Inszenierung gestattet seien. Herheims Inszenierung bietet übrigens mehr als nur Kritik und Satire, sondern lässt auch das Heitere, Menschliche im Drama aufblitzen, wenn sich Zerlina und Masetto in alter und junger Erscheinung auf der Bühne befinden. Dieses Spiel über die Zeitebenen hinweg funktioniert überraschend gut und Herheim beendet es auch noch im ersten Akt um es nicht zu übertreiben. Und es funktioniert vor allem, weil man mit Helen Donath und Marcel Rosca zwei Künstler auf der Bühne hat, die völlig uneitel mit dem Älter werden kokettieren und das gleichzeitig mit ihren Stimmen widerlegen. Und gerade die Stimmkultur von Helen Donath dürfte manch jüngere Kollegin neidisch machen.
    Sängerisch war der Giovanni immer ordentlich bis sehr gut besetzt: Immer dabei waren Almas Svilpa (super als Leporello), Beah Robein (Elvira) Marcel Roca und Helen Donath sowie Andreas Herrmann. Als Giovanni hbae sowohl den Bass Diogenes Randes gehört, ein wenig besser auf Grund seines Timbres gefiel mir Bariton Heiko Trinsinger mit dämonischer Präsenz. Aber der eigentliche Star der Aufführungen waren immer die Essener Philharmoniker unter der wundervollen, sängerfreundlichen Leitung von Stefan Soltesz. Da funkelten alle Instrumenten-Klassen, dermaßen präsent hat man sogar einzelne Achtel-Noten bis oben auf den zweiten Rang selten gehört. In Essen wird der geradezu überirdische Klang Mozarts entfacht, vor dem sich am Ende sogar die Inszenierung selber verbeugt.