MESSIAEN, Olivier: SAINT FRANCOIS D´ASSISE

  • Olivier MESSIAEN
    SAINT FRANCOIS D`ASSISE

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    Libretto vom Komponisten.



    Uraufführung 28.11.1983, Paris, Palais Garnier. Musikalische Leitung: Seiji Ozawa.


    Weitere szenische Aufführungen bisher in Salzburg, Paris, Leipzig, San Francisco, Berlin, Bochum.


    Weitere konzertante Aufführungen bisher in Utrecht, Bonn, Madrid, Lyon, London, Edinburgh…


    Nächste geplante szenische Aufführung: 1. Juni 2008 (Premiere), Amsterdam,
    De Nederlandse Opera.


    Spielzeit ohne Pausen: ca. 260 Minuten




    Besetzung: [/B]


    L'Ange (Sopran)
    Saint François (Bariton)
    Le Lépreux (Tenor)
    Frère Lèon (Bariton)
    Frère Massée (Tenor)
    Frère Elie (Tenor)
    Frère Bernard (Bass)
    Frère Sylvestre (Bass)
    Frère Rufin (Bariton)



    Chor: 150 Sänger: S, S, Mezzo, A, A, T, T, Bar, B, B.


    Orchester:


    3 Piccoloflöten, 3 Flöten, 1 Altflöte, 3 Oboen, 1 Englischhorn, 2 Es-Klarinetten, 3 B-Klarinetten, Bass- und Kontrabassklarinette, 3 Fagotte, 1 Kontrafagott.


    Kleine Trompete in D, 3 Trompeten in C, 6 Hörner in F, 3 Posaunen, 2 Tubas, 1 Kontrabasstuba.


    Xylophon, Xylorimba, Marimba, Glockenspiel, Vibraphon.
    3 Ondes Martenot.


    Schlagzeug (5 Spieler)


    68 Streicher (16, 16, 14, 12, 10).



    1975 bat der Intendant der Opéra de Paris, Rolf Liebermann, Messiaen um eine Oper mit einem Sujet nach freier Wahl des Komponisten. Messiaen entschied sich nach kurzer Zeit dafür, eine Oper über Franz von Assisi zu schreiben, "dem Heiligen, der Christus am ähnlichsten war." Dabei stellt er in acht Tableaus die Stadien der wachsenden Heiligkeit der Titelfigur auf die Bühne. Die inhaltliche Ausrichtung der Oper fokussiert nahezu ausschließlich auf diesen Aspekt der imitatio Christi.
    Soziale und psychologische Aspekte dagegen sind weitgehend ausgeklammert.


    Messiaen komponierte die Particellversion der Oper zwischen 1975 und 1979. Die Orchestrierung und die Reinschrift erstellte er zwischen 1979 und 1983. Das Werk ist in seiner musikalischen Gestalt von fast maßlosem Anspruch. Es erfordert ein Orchester und einen Chor außergewöhnlicher Größe, dazu zahlreiche instrumentale Solisten, die üblicherweise in einem Orchester nicht vorkommen. Die Schreibweise ist anspruchsvoll und komplex und steigert die musikalischen Ergebnisse der vorangegangenen Werke Messiaens. Die Partitur wurde in acht Bänden herausgegeben und umfasst rund 2000 Seiten. Dem enormen musikalischen Anspruch des Werkes und dem Gegensatz zwischen Messiaens Libretto einerseits und den heute aktuell diskutierten gesellschaftlichen, psychologischen und religiösen Fragestellungen andererseits ist es zuzuschreiben, dass Aufführungen dieser Oper seltene, im Fachpublikum weltweit beachtete Ereignisse sind.



    Die Handlung


    1. Aufzug


    1. Bild: La Croix
    (eine Straße)
    Saint François und Bruder Leon sind unterwegs. Franziskus erklärt, dass die vollkommene Freude nur darin bestehen könne, das Leiden, das einem widerfährt, anzunehmen und dabei an das Vorbild Jesu Christi zu denken.


    2. Bild: Les Laudes
    (Der Innenraum der Klosterkirche)
    Franziskus singt während eines Gottesdienstes seinen Brüdern aus seinem Loblied auf die Schöpfung vor.


    3. Bild: Le Baiser au Lépreux
    (Ein Hospital nahe Assisi)
    Ein Leprakranker lehnt sich gegen seine Krankheit auf. Er beginnt mit Franziskus ein Gespräch über seine Erkrankung, über die Ablehnung und den Ekel, den seine Pfleger ihm entgegenbringen.


    Franziskus erklärt, wenn der innere Mensch schön sei, werde er durch die Auferstehung verklärt. Ein Engel erscheint und spricht zu dem Kranken:
    „Lêpreux, ton coeur t`accuse,
    mais Dieu est plus grand que ton coeur.“ (Dein Herz klagt dich an, aber Gott ist größer als dein Herz.) „Mais Dieu est tout Amour, et qui demeure dans l`Amour demeure en Dieu, et Dieu en lui.“


    Nachdem der Engel gegangen ist, küsst Franziskus den Kranken, der daraufhin geheilt wird.


    Der Chor teilt mit: „An die, die viel geliebt haben, sei gesagt: Alles ist vergeben.“


    2. Aufzug


    4. Bild: L`Ange Voyageur
    (Das Kloster auf dem Alverna-Berg)
    Ein Engel klopft an der Klosterpforte an – mit äußerster Sanftheit, aber er verursacht einen ungeheuren Lärm. Frère Massée stellt zutreffenderweise fest, dass er nicht von hier sein kann, wenn er auf eine so fremdartige Weise anklopft. Der Engel wünscht den Vikar des Ordens, Frère Élie zu sprechen, und befragt ihn zu seiner Haltung zur Prädestination: „Hast du den alten Menschen zurückgewiesen, um den Neuen Menschen zu finden, und um dein wahres Gesicht zu entdecken, das von Gott durch die Gerechtigkeit und die Heiligkeit der Wahrheit vorhergesehen wurde?“


    Élie beschimpft den Engel als Angeber und schiebt ihn zur Tür hinaus. Der Engel klopft erneut an, wie gehabt, und wünscht, seine Frage an Frére Bernard zu stellen. Dieser antwortet, dass er nach seinem Tod Christus gegenüberstehen möchte. Auf dessen Frage, wessen Bild und wessen Inschrift es gewesen sei, der er gedient habe, möchte er antworten, dass es seine, Christi, sei. Der Engel lobt diese Antwort und erklärt, dass er geplant hatte, Franziskus persönlich zu sprechen, ihn aber nicht stören wollte, und dass er jetzt zu Franziskus sprechen werde, allerdings auf eine bessere Art und Weise als mit Worten.


    5. Bild: L`Ange Musicien
    (gleicher Ort wie 4. Bild)
    Franziskus lobt die Schöpfung mit Passagen aus seinem Sonnengesang.
    Er bittet Gott darum, ihm einen Vorgeschmack der Seligkeit im ewigen Leben zu geben.
    Ein Turmfalke ruft. Der Engel erscheint, umgeben von einem Lichtschein. Er trägt eine Viola und einen Bogen bei sich und schwebt zu Franziskus hinüber.


    Der Engel erklärt, dass Gott uns durch das Übermaß an Wahrheit blende, dass aber die Musik uns zu Gott durch den Mangel an Wahrheit trage. Er, Franziskus, habe zu Gott durch die Musik gesprochen, und Gott werde ihm durch die Musik antworten. Er weist auf die Besonderheiten dieser Musik hin: „Connais la joie des bienheureux par suavité de couleur et de mélodie… Entends cette musique qui suspend la vie aux échelles du ciel, entends la musique de l`invisible…“


    Das magische Engelskonzert erklingt, Franziskus verliert schließlich das Bewusstsein, der Engel verschwindet. Leon, Massée und Bernard finden Franziskus bewusstlos vor. Nachdem er wieder wach geworden ist, schildert er ihnen, was geschehen ist. Die Brüder, glauben, am Himmel eine rätselhafte Erscheinung zu sehen.


    6. Bild: Le Prêche aux Oiseaux
    (Nahe dem Eremo delle Carceri , einem kleinen Klosterbau in einer steilen Waldschlucht am Monte Subasio, in Umbrien, Mittelitalien, oberhalb von Assisi.)
    Frére Massèe berichtet Franz von seinen ornithologischen Beobachtungen, und Franziskus erklärt ihm die Details.


    Er richtet eine Predigt an die Vögel, rühmt ihre Freiheit, ihre Schönheit und ihren Gesang, und segnet die Tiere. Nach einem Moment des Schweigens stimmen die Vögel ein vielstimmiges Konzert an. Danach fliegen die Vögel in die vier Himmelsrichtungen davon.


    3. Aufzug


    7. Bild: Les Stigmates
    (Auf dem Alverna-Berg, nachts)
    Franziskus bittet Gott um zwei Dinge: Bevor er stirbt möchte er die Leiden erfahren, die Gott in der Gestalt Jesu Christi in seiner Passion erdulden musste. Und er möchte in seinem Herzen die Liebe erfahren, die Gott für die Menschen empfand, um eine solche Passion zu ertragen.


    Die Szene hellt sich auf, ein bleiches und fremdartiges Licht erscheint.


    Gott erklärt mit der Stimme des Chores, dass Franz, um Christus noch ähnlicher zu werden, die fünf Wundmale Christi am Kreuz ertragen müsse, sein Leiden annehmen, und über sich noch weiter hinauswachsen, um so zu einer zweiten Hostie zu werden.


    Ein riesiges schwarzes Kreuz erscheint. Gott teilt mit: „Ich bin das Alpha und das Omega. Ich bin das Nachher, das vorher war. Ich bin das Vorher, das Nachher sein wird…“ Ein rot-violettes Leuchten entflammt die Szenerie. Vier Lichtstrahlen schießen aus dem Kreuz und verletzen Franziskus an den Händen und Füßen. Ein fünfter Lichtstrahl verletzt die rechte Seite des Heiligen.


    Plötzlich wird es sehr klar. Die gesamte Szenerie ist in ein Rot-Orange getaucht. Das schwarze Kreuz beginnt, golden zu funkeln. Der Chor ruft Franziskus an: „François!...“ Franziskus antwortet. Der Chor teilt ihm mit, dass er das Kreuz getragen habe, und dass es jetzt ihn tragen werde.



    8. Bild: La Mort et La Nouvelle Vie
    (Im Innern der Portiuncola-Kapelle)
    Franziskus nimmt Abschied. Er spricht zu den Kreaturen des Raumes und der Zeit, zum Alverna-Berg, dem Wald, den Felsen, zu den Vögeln, zu allen seinen Brüdern… Der Engel erscheint erneut und ruft Franz die Heilung des Leprakranken in Erinnerung. Neben dem Engel steht der geheilte Leprakranke aus dem dritten Bild, schön und prachtvoll gekleidet.


    Franziskus stirbt im Kreise seiner Mitbrüder.


    Der Chor weist auf die Auferstehung hin und zitiert 1. Korinter 15: Die Sterne am Himmel sind ganz anders beschaffen als die verschiedenen Geschöpfe auf der Erde; die Schönheit der einen ist nicht mit jener der anderen zu vergleichen. Die Sonne hat ihren eigenen Glanz, anders als das Leuchten des Mondes oder das Glitzern der Sterne. Selbst die Sterne unterscheiden sich in ihrer Helligkeit voneinander. Genauso könnt ihr euch die Auferstehung der Toten vorstellen. Unser irdischer Leib ist wie ein Samenkorn, das einmal vergeht. Wenn er aber auferstehen wird, ist er unvergänglich. Was begraben wird, ist unansehnlich und schwach, was aufersteht, lässt Gottes Herrlichkeit und Kraft erkennen..


    Ein Licht erscheint und wird langsam heller und heller. Als seine Helligkeit unerträglich zu werden scheint, fällt der Vorhang.

  • Saint François d'Assise
    (Der heilige Franziskus von Assisi),
    Oper (Scènes Franciscaines) in 3 Akten (8 Bildern)
    von Olivier Messiaen.
    Text vom Komponisten.
    Uraufführung: 28.11.1983 Paris, Opéra, Salle Garnier,
    mit José van Dam • Christiane Edna-Pierre • Kenneth Riegel • Michel Sénéchal • Philippe Duminy • Georges Gautier • Jean- Philippe Courtis,
    Dirig. Seiji Ozawa.

    Es folgten Aufführungen in Salzburg, Leipzig, Berlin, Amsterdam, San Francisco, erneut in Paris und bei der Ruhrtriennale (Bochum).
    Am 1. Juli 2011 wurde die Oper in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Aktionskünstler Hermann Nitsch (Inszenierung) und Kent Nagano (Dirigent) in München erstaufgeführt.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)