Othmar Schoeck (1886 – 1957)
PENTHESILEA
Oper in einem Aufzug op. 39
Libretto: Othmar Schoeck und Léon Oswald, nach dem Trauerspiel von Heinrich von Kleist
Entstehung: 1923 – 1925, rev. 1927
Uraufführung: 08.01.1927, Dresden
Dirigent: Hermann Kutzschbach
Erstaufführung der rev. Fassung: 15.05.1928, Zürich
Verlag: Musikhaus Hüni, Zürich, später: Bärenreiter, Kassel
Dauer: ca. 80 Minuten
Das Werk ist Werner Reinhart gewidmet
Personen:
Penthesilea, Königin der Amazonen – Mezzosopran
Prothoe, Fürstin der Amazonen – Sopran
Meroe, Fürstin der Amazonen – Sopran
Die Oberpriesterin der Diana – Alt
Achilles, König des Griechenvolks – Bariton
Diomedes, König des Griechenvolks – Tenor
Ein Herold – Bariton
Priesterin – Mezzosopran
Deklamation: Hauptmann, 1 Priesterin, 1 Amazone
Chor: Griechen, Amazonen, Priesterinnen, Rosenmädchen
Orchester:
2 Piccoloflöten
3 Flöten
1 Oboe
1 Englischhorn
6 Klarinetten in B
2 kleine Klarinetten in Es
2 Bassklarinetten
1 Kontrafagott
4 Hörner
4 Trompeten
4 Posaunen
1 Tuba
Pauke
Kleine Trommel
Große Trommel
Becken
Triangel
Rute
Tamtam
Xylophon
Hammer
2 gestimmte Gläser
Donnermaschine
Knarre
2 Klaviere
4 Solo-Violinen
Streicher (Viola, Violoncello, Kontrabass)
Bühnenmusik hinter der Szene:
3 Trompeten in C
Stierhorn
Die Handlung:
Schlachtfeld bei Troja
Konsequent ist in der Oper alles verdichtet auf den Liebeskonflikt der beiden Protagonisten Penthesilea und Achill, den Kampf der Geschlechter und die Wechselspannung von Liebe und Hass: im Kampf wird die Amazonenkönigin von Achill besiegt. Dieser hat sich in sie verliebt und will sie nun für sich gewinnen. Daher gibt er sich der aus einer Ohnmacht erwachenden Penthesilea als ihr im Kampf unterlegen aus, denn er weiß, dass sich laut Amazonenrecht eine Kriegerin nur mit dem Mann vereinen darf, den sie siegreich bezwang. So basiert das beginnende Liebesglück auf einer Täuschung und hält nur so lange, bis Penthesilea die Wahrheit über ihre Niederlage erfährt und ihre Liebe in Hass umschlägt. In ihrer Gekränktheit kann sie für Achills Angebot eines erneuten Zweikampfes nur Verachtung empfinden und erkennt nicht, dass er waffenlos kommen wird, um sich von ihr besiegen zu lassen. So tötet und zerfleischt sie ihn in blinder Raserei.
Über das Werk:
Hans Corrodi, Autor der ersten Schoeck-Biographie (1956), schlug im November 1923 dem Komponisten als Opernstoff das Trauerspiel „Penthesilea“ von Heinrich von Kleist vor. Schoeck war von der Idee sogleich fasziniert. Innerhalb einer Woche hatte er Penthesileas Hauptmotiv komponiert, dazu einen den Achilles charakterisierenden Akkord und zwei weitere für Prothoe. So habe er, wie er erklärte „die Klangatmosphäre des Werkes festgelegt“, was für ihn im Vordergrund stand. „Damit sei die Oper praktisch komponiert, sie müsse nur noch ausgearbeitet werden“. Während Hans Corrodi ein Libretto für Schoeck zu schreiben begann, kannte dieser bereits große Partien des Kleistschen Stücks auswendig. Ein paar Tage später hatte Schoeck das Penthesilea-Motiv endgültig so komponiert, wie es in der Oper auch erscheint. Eine Woche danach entschied er, die ganze Exposition fallen zu lassen, denn die Oper sollte „vorrüberrauschen wie im Sturmwind“. Corrodi wollte diesen drastischen Konzeptionsänderungen nicht zustimmen, durch die jetzt in einem explosiven Akt all das zusammengedrängt war, was er für drei Akte geplant hatte. Das hatte zur Folge, dass die Zusammenarbeit ins Stocken geriet und später komplett beendet wurde. Zu Beginn des Jahres 1924 hatte er die Librettofrage neu überdacht und entschlossen, sich Kleists originalen Text mit Léon Oswalds Hilfe selbst zu kürzen. Bis März lag der Text fertig vor. Im April begann Schoeck mit der Komposition und schloss diese am 28.12.1925 ab. Die Uraufführung am 08.01.1927 war ein Erfolg, wenn auch kein überwältigender. Der Applaus dauerte an die zehn Minuten mit 18 Vorhängen.
Unter Beibehaltung der originalen Verse, mit einer für das Musiktheater notwendigen Straffung, zollte der Komponist den oft unvermittelt wechselhaften Stimmungen der Kleistschen Sprache Respekt: „Die eigentliche Melodie bilden die Verse Kleists, die Musik gibt dazu nichts als Harmonie und Rhythmus“. Diese stilbildende Dominanz der Verse führte zu ihrem eigentümlichen Erklingen, indem sie oft schroff zwischen ekstatischem Gesang, lyrischem Arioso, Deklamation, Rezitativ und reiner Sprache changieren. Entsprechend verhält sich der Orchesterklang, auch wenn er überwiegend in einem ruhelos dramatischen Deklamationsstil gehalten ist.
An die Elektra von Richard Strauss und Igor Strawinsky anknüpfend, schrieb Schoeck eine Partitur, in der das Orchester mit nur vier Geigen, aber einer massiven Cello- und Kontrabass-Sektion besetzt ist, in der neben zwei Klavieren, Bühnentrompeten und einem Stierhorn zehn Klarinetten erklingen. Der Grundcharakter der Musik ist dementsprechend gellend, metallisch, abweisend. Die Kleistverse hat Schoeck stark gekürzt, aber wortgetreu erhalten. Die Oper wirkt in ihrer Dramatik zerklüftet und komprimiert zugleich.
Davidoff