W. A. Mozart: LA BETULIA LIBERATA

  • Zitat

    Original von der Lullist
    könnte mal jemand von den Mozartspezialisten ein Thread über "La Betulia Liberta" eröffnen?


    Ich bin seit einiger Zeit sehr fasziniert von diesem Werk und würde gerne mehr über die Entstehungsgeschichte erfahren.


    Da isser schon: :]


    Wolfang Amadé Mozart [1756-1791]


    LA BETULIA LIBERATA


    Azione sacra in due parti
    Text von
    Pietro Metastasio [1698-1782]


    La Betulia Liberata [Das befreite Betulien] KV 118 [74c] entstand unter dem Eindruck der ersten Italienreise der Mozarts etwa Anfang 1771 in Mailand oder Padua. Die furchtbare, aber fruchtbare Reise förderte u.a. die erste Seria Mithridate KV 87 [74a] zu Tage - welch ein geniales Werk! Auftraggeber dieses Oratoriums war Giuseppe Ximenes de Princi d'Aragona. Der Mann aus Padua war Musikliebhaber und wurde köstlich von Mozart bedient. Ximenes war ein dem Baron van Swieten vergleichbarer Mäzen, welcher oftmals Akademien veranstaltete, in welchen für gewöhnlich Kantaten und Oratorien vorgetragen wurden. Wann genau Mozarts Werk uraufgeführt wurde - und wo - kann nur eingegrenzt werden, denn die Feststellung dessen gleicht einem kleinen Krimi: Es galt zunächst als nicht gesichert, daß mit dem Oratorio, von welchem im Brief Leopold Mozarts vom 14. März 1771 die Rede ist, La Betulia Liberata gemeint ist. Glücklicher Weise gibt aber ein erst wieder aufgefundener Brief Leopold Mozarts vom 19. Juli 1771 die Bestätigung [mittlerweile ist die Auffindung dieses Briefes auch bereits wieder ein paar Tage her...]. Nun bleibt noch ungeklärt, wann das Werk uraufgeführt wurde. Köchel nahm an, das Oratorium sei erst nach der Rückkehr in Salzburg vollendet worden und dann erst in der nächsten Saison, 1772 also, erstmals öffentlich aufgeführt worden. Ein aus Padua stammendes Libretto von 1771 hingegen, auf welchem der Name Giuseppe Calegaris als musikalischer Autor mit alter Tinte eliminiert wurde, gibt wohl einen guten Hinweis darauf, daß das Werk doch noch 1771 zu Padua gegeben wurde. Calegari, geboren eines unbekannten schönen Tages zu Padua, gestorben daselbst im Jahre 1808, komponierte offenbar zudem eine Oper mit dem klangvollen Namen Il dissoluto Punito, welche Mozart ja bekanntlich auf ein Libretto des Textdiebes Lorenzo da Ponto ebenfalls komponierte. Um jetzt einen schönen Bogen zu bekommen, ist die Tonart d-moll dienlich, die nämlich Mozarts Oratorium und dem Don Giovanni als Grundtonart dient.


    Das Werk besteht aus zwei Teilen und entspricht dem üblichen Aufbau eines neapolitanischen Oratoriums: Nach einer Ouvertura folgen im Wechsel Arien und Rezitative - Teil I und Teil II schließen jeweils mit einem Schlußchor ab. Der Chor hat, bis auf einen kurzen Einwurf im 1. Teil, nichts weiter zu melden.


    Die Personen sind:


    Ozia, Principe di Betulia [Tenor]
    Giuditta, Vedova di Manasse [Alt]
    Amital, Nobile donna israelita [Sopran]
    Achior, Principe degli Ammoniti [Baß]
    Coro degli abitanti di Betulia sowie
    Cabri und Carmi, Capi del Popolo


    Metastasios Dichtung hält sich recht genau an die biblische Vorlage, die ich an dieser Stelle nicht zitiere.


    Am beeindruckendsten für mich persönlich ist noch vor der wunderbaren Ouvertüre der Schlußchor Lodi al Gran Dio, in welchem Mozart den Choral "Meine Seele ergebet den Herrn" bzw. "Gott sei uns gnädig und barmherzig" verarbeitet. Dieser Choral gehört zu meinen persönlichen Lieblingen und wurde auch vielfach von Bach und Blees bearbeitet:



    Mozart eröffnet diesen Schlußchor mit einer quasi zweiten Stimme, dem Orchester, "unterlegt" den Choral in e-moll [rhytmisch leicht verändert und an das Textmetrum angepasst] und erzielt damit einen gar zauberhaften Effekt! Nach einer kurzen Überleitung [eine wahrhaft verrückte Rückung!] vom e-moll des Andante gelangt Mozart zum strahlenden D-Dur [Allegro], mit dem das Werk endet. Dieser Schlußchor diente mir seinerzeit als Dauerbeschallung, während ich Noah Gordons "Der Medicus" las. Irgendwie passte dieser Chor auf wundersame Weise dazu.


    Als Einspielung habe ich derzeit "nur" die Einspielung mit Peter Schreier [Ozia, Tenor], Hanna Schwarz [Giuditta, Alt], Ileana Cotrubas [Amital, Sopran], Walter Berry [Achior, Baß], dem Salzburger Kammerchor und dem Mozarteum-Orchester Salzburg unter der Leitung von Leopold Hager.


    Die Aufnahme ist ganz wunderbar, schon wegen des "Medicus"-Erlebnisses - dennoch wünsche ich mir noch eine passende HIP-Einspielung.


    Und jetzt bist Du dran. :D


    :hello:


    Ulli


    Quellen: NMA, KV, Booklet der Complete Philips Edition

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Ulli,


    Schon die Tatsache, daß Hanna Schwarz hier mitarbeitet, macht für mich dies eine einmalige Aufnahme.
    Es war das erste Mal (damals noch die LP-Ausgabe), daß ich ihre Stimme hörte... Und ich war sofort begeistert. Mag man tausendmal sagen, daß sie eine Mezzo ist, aber was sie in diesen beiden wunderbaren Altarien von Giuditta "Del pari infeconda" und "Prigionier, che fa ritorno" hören läßt, ist so ungemein eindrucksvoll, daß es vielleicht alle anderen Interpretationen überragen wird.
    Sie hat übrigens eine Eigenschaft mit Ferrier gemeinsam: im tiefen Register bleibt die Stimme warm und hat sie Volumen. Wirklich, cumma sum laude. :jubel: :jubel: :jubel:



    LG, Paul

  • Oh vielen Dank.


    Ich kannte das Werk bis vor kurzem gar nicht.
    Eine HIP Einspielung kann ich Dir nur indirekt nennen :D


    Denn ich habe einen wunderbaren Radiomitschnitt mit den "Talens Lyriques" unter Christophe Rousset, leider nie auf CD erschienen.



    ich glaube es gibt zur Zeit auch keine HIP Aufnahme, eine oberflächliche Recherche hat jedenfalls nichts ergeben.
    Generell scheint es von diesem Meisterwerk nicht viele Aufnahmen zu geben - seltsam....