Thomas Schmidt-Kowalski – ein mutiger Anachronist

  • Um zu vermeiden, dass das Werk von Thomas Schmidt-Kowalski allenfalls in Wulfs neuem Kitsch-Thread verschreddert wird, sehe ich mich veranlasst, dem „Zeitgenossen“ aus Oldenburg (*1949) einen eigenen Faden zu widmen. Er verdient es!


    Für ihn möchte ich gerne eine Lanze brechen, den manchmal belächelten (aber wohl umso mehr heimlich bewunderten) Hüter der romantischen Glut.


    Sein traditionsbewusstes Schaffen bezeichnen einige Musik-Puristen als eher "kitschrandständig", wenn nicht gar etwas „geschmacklos“.
    Ich gehöre nicht zu ihnen. Im Gegenteil. Seine Musik berührt mich sehr, und ich attestiere mir - ganz unbescheiden - nicht den schlechtesten Geschmack.


    Schmidt-Kowalski komponiert konsequent im romantischen Idiom, und ich kann seinen Sinfonien viel Nährendes abgewinnen. Obwohl man sie mit dem Heiligen Anton nicht vergleichen darf, hört man doch einige verblüffend brucknernahe Strecken, die erfüllt sind von berührender Schönheit: Ich gestehe unumwunden: Das Finale aus seiner 4. Sinfonie ist eines meiner „Inselstücke“, und auch den Schlusssatz aus der Dritten mag ich sehr gerne.





    Ohne Zweifel darf man mE seiner Musik eine gewisse Sinnlichkeit attestieren, auch wenn diese manchmal die Grenze zur Süsslichkeit überschreitet.
    Die romantischen Aufschwünge mögen der Gipfel des musikalischen Anachronismus darstellen, aber andererseits ist gerade die Konsequenz, mit der sich Schmidt-Kowalski dem „Neutönerischen“ verweigert, irgendwo bewundernswert.


    Gerne und interessiert frage ich deshalb: Wie steht Ihr zur Musik von Thomas Schmidt-Kowalski?


    Mit liebem Gruss aus Bern


    Walter

  • (khmm..........es freut mich, dass sich einige mutige Schmidt-Kowalski-Bekenner zu Worte gemeldet haben, und ich mit meinem anerkennenden Votum für seine Sache nicht stantepede in die Banausen-Ecke abgeschoben wurde...............:D :stumm: )


    Dieser wahrhaftig und bekennend anachronistisch komponierende Mensch verdient es, ernst genommen zu werden.
    Sein Anliegen scheint mir echt und redlich: Er will des Menschen Seele ergötzen! Hier ein Zitat aus dem Booklet zur Dritten Sinfonie:


    „Die Idee, den Weltkrisen der Gegenwart eine Musik entgegenzustellen, die diese Probleme in negativer Form unterstreicht, lehne ich ab. Vielmehr finde ich, dass heute eine Kunst wichtig ist, die gerade angesichts dieser Probleme Aufbauendes, positive Kräfte Evozierendes in die Welt bringen sollte. Musik ist für mich klanggewordener Urstoff der Seele. Man kann sie nicht begründen, nicht erklären, aber man kann sie beschreiben: Wenn Musik eine Sprache ist, dann die des Herzens: Wenn es mir gelungen ist „zu Herzen gehende Musik“ geschrieben zu haben, dann würde das mich sehr freuen.“


    Dieses (im besten Sinne) naive Statement nehme ich dem Komponisten sehr wohl ab.


    Mein Herz hat seine Musik jedenfalls berührt: Das grossflächige Finale der Dritten etwa ist eine Musik, in der meine (was-das-auch-immer-ist-) Seele, die in diesen harten Zeiten der notwendenden Krise durchaus nach Harmonie dürstet, ungeniert und ungehemmt baumeln darf.


    Man möge doch einmal den einordnenden Verstand ausschalten und vorurteilsfrei den Umstand vergessen, dass diese Komposition erst vor 9 Jahren entstanden ist. Und man höre diese Musik weder mit gebrahmsten oder verbrucknerten, noch gar mit verwebernten Ohren, sondern (wenn denn überhaupt Kategorien bemüht werden sollen) vielleicht wie ein neu zu entdeckendes Werk eines Felix Draeseke, Richard Wetz oder Julius Röntgen: In solchen Kategorien kann sie sehr wohl bestehen, und das ist doch schon mal `was!


    Aber irgendwie ist auch der Vergleich mit den „Kleinmeistern“ der Spätromantik unangemessen.
    Man lasse diese Klänge einfach unvoreingenommen auf sich wirken: Das ist weder Romantik noch contemporäre Musik, sondern ein musikalisches Zeugnis eines ehrlich um die Harmonie der Menschheit besorgten Zeitgenossen!


    Ich meine, wer im 3. Satz der Dritten (bei 6.55 ff. in der Naxos-Aufnahme) nicht Hühnerhaut kriegt, mag sich fragen lassen, wie seriell abgebrüht (d.h. abgestumpft) er/sie wohl schon ist...


    Zugegeben, der langsame Satz der Vierten erinnert etwas an Mahlers Adagietto aus dessen "Fünfter", aber so what!
    Ich empfinde Schmidt-Kowalskis anrührendes Statement ehrlicher und weniger „süsslich“ als das gustavsche Vorbild.
    Die Frage “Darf man das“ finde ich obsolet angesichts der Tatsache, dass mir persönlich diese Musik gut tut, besser, als die plakativen Klangwerdungen mahlerschen Schielens nach Anerkennung der Salon-Damen-Welt ... (Na ja, ich gebe zu: das ist üble Polemik eines verzweifelten Musikliebhabers, dem sich die Klangwelt Mahlers einfach nicht erschliessen will :D)


    Schmidt-Kowalski ist beileibe nicht mein Lieblingskomponist, aber als gelegentliches seelenbalsamierendes Korrektiv zu Krenek, Simpson und Pettersson taugt er allemal.


    Mit freundlichem Gruss aus Bern


    Walter

  • Aber lieber Walter,


    genau deswegen ist doch Dein Schmidt-Kowalski wunderbar geeignet auch irgendwann in meinem thread genannt zu werden, der ganz klar als Verteidigungsthread gedacht ist. Ihr haut meinen Schmidt-Kowalski? Na und?? ;)


    :hello:
    Wulf


    P.S. Allerdings verstehe das leicht "devot" daherkommende Vergleichsverbot mit dem "heiligen Anton" nicht - so nimmt man doch den Komponisten nicht ernst, auch wenn er vielleicht nicht die Innovationskraft eines Anton Bruckners besaß, oder??

  • Ach, liebster Wulf,


    ich will „meinen" Schmidt-Kowalski doch überhaupt nicht hauen lassen, zumindest nicht in Deinem Thread, denn dort gehört sein Werk nicht hin! (gegen den Thread habe ich selbstverständlich nichts einzuwenden, wurde doch meine causa S.-K. tatsächlich indirekt durch Deinen Faden animiert).


    Devot finde ich meine Vergleichs-Inhibitation zu Bruckner nicht.
    Aber eigentlich muss ich fragen: devot wem gegenüber? Meine Bewunderung für Bruckner ist umfassend. Aber: wer auch immer es schafft (wie Schmidt-Kowalski) mich ehrlich an das Idiom Bruckners zu erinnern, hat meine volle Anerkennung.


    Gruss aus Bern, Walter

  • Lieber Walter,


    ich wusste ehrlich gesagt nichts von Deiner umfassenden Bruckner-Bewunderung.
    In Allgemeinen habe ich desöfteren den Eindruck, daß bei der Vorstellung eines Komponisten zu schnell die "Ordne Dich den Säulenheiligen unter" - Karte gezogen wird, um einer Meinungshoheit zu gefallen und so den Komponisten interessant zu machen bzw. aufzuwerten. Aber ich gehe da vielleicht zu schnell von einem überall verankerten hierachischen Denken aus und berücksichtige nicht, daß es durchaus DEINE Einschätzung war, die Dich zu diesem Urteil hat verleiten lassen. Insfoern: Entschuldigung :angel: Ich gelobe Besserung.


    :hello:

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  • Lieber Wulf


    mag sein, dass ich etwas „schwerfällig von Begriff“ bin, denn es wird mir nicht einsichtig, weshalb Du Dich zu einer Entschuldigung genötigt fühlst: Alles kowalski, mann!


    Ich verehre Herrn Bruckner nicht weniger und nicht mehr als Herrn Müller von nebenan, der im Strassendienst seine Aufgabe erfüllt (vielleicht diesen gar noch mehr).


    Aber in musikalischen Dingen ist mir der Anton aus St. Florian schon sehr wertvoll.


    Was nun den Herrn Schmidt-Kowalski betrifft, erahne ich bei ihm eine ähnliche Inspirationsquelle, wie bei Antonen`s:
    "Musik zum Lobpreis des Daseins", wobei er mE. nirgendwo in seinen schriftlichen Erläuterungen explizit einen „göttlichen“ Bezug reklamiert, dessen sich Bruckner – zeitgebunden – bekanntlich nicht scheut, (was auch mich bei ihm zuweilen unangenehm berührt, deshalb stehe der „Heilige Anton“ bitte in fettesten Anführungszeichen).


    Anton Bruckner ist nun einmal eine Referenz in Sinfonie-Sachen. Und wenn mich die Toncocktails eines S.-K. an Bruckner erinnern, möchte ich damit nicht sagen, er sei ein Epigone des St. Florianers, und seine Bemühungen seien zweitrangig. Im Gegenteil: ich bin phasziniert ob der Tatsache, dass mich das Einfühlen in die Klangwelten seiner 3. und 4. Sinfonie in ähnliche Sphären versetzt, wie wenn ich mich mit den Geschöpfen von Bruckner „vereinige“.


    Dieser Mann hat das Potential zu sinfonischer Grösse, beherrscht die Instrumentation und ist bewegt von Demut gegenüber der musikalischen Tradition, und ich habe keine Ahnung, ob er adaequat gewürdigt und gefördert wird.


    Zugegeben: Er hält die Spannung nicht durchwegs auf dem selben hohen Niveau, es gibt Abstürze ins Gefällige, Seichte, vielleicht gar Belanglose.
    Aber, Hand aufs Herz, gibt es das nicht auch bei Bruckner, wenn ich etwa an die nervigen Burschikositäten in seinen Scherzi erinnern darf...


    Ich finde einfach das Phänomen bemerkens- und bedenkenswert, dass ein Zeitgenosse die Chutzpe hat, so zu komponieren, als ob die letzten hundert Jahre im Orkus (der Atonalität) verschwunden wären... Das mE beeindruckende Resultat legitimiert ihn dazu.


    Mit liebem Gruss aus Bern


    Walter

  • Hallo miteinander,


    ich habe mir eben die Symphonien 3 & 4 von Thomas Schmidt-Kowalski angehört, und ich muss zugeben, sie haben mir gefallen. Zweifelsohne hoch-romantisch und bisweilen auch süßlich, aber die Grenze zum Kitsch sah ich doch nie überschritten. Ich habe zwar keine Hühnerhaut bekommen, aber ich habe mich bei dieser Musik wohlgefühlt, und das ist doch was. Die habe ich nicht das letzte mal gehört.


    rolo

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

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