Erkki-Sven Tüür: Saxophonquartett 'Lamentatio'

  • Beim Schleswig-Holstein Musik Festival habe ich das Saxophonquartett sonic.art (Ruth Velten, Alexander Doroshkevich, Martin Posegga und Annegret Schmiedl) mit neuzeitlichen Werken gehört (Ich habe darüber berichtet. Besonders gut gefiel mir Erkki-Sven Tüür: Lamento.
    Es war ein fließendes Klangerlebnis und der Ton verschmolz zu fließenden Tongebilde, der in Richtung Orgel ging ohne sakral zu klingen. Das war ganz wunderbar und hat mich sehr bewegt.
    Kennt jemand dies Stück und teilt meine Empfindung?

  • Hallo JL,


    ich habe einmal bei einer Probe Bekannte von mir diese Stück üben hören dürfen. Es hat mir sehr gut gefallen. Vielleicht findet sich ja noch jemand, der mehr über dieses Stück mitteilen kann. Würde mich auch interessieren.


    Aber ich begrüße sehr deine Initiative, hier mal den Anfang zu machen mit einem Saxophonquartett.


    Es wird ja zunehmend mehr für Saxophonquartette komponiert, darüber hinaus gibt es sehr gute Arrangments älterer klassischer Werke, z.b. von Bachs Kunst der Fuge, für Saxquartette. Den Sound dieser Quartette mag ich sehr. Ich teile deine Assoziation, dass der Klang häufig in Richtung Orgel geht. Für Komponisten bietet diese Quartettform einige interessante Möglichkeiten.


    Zudem gibt es inzwischen eine Vielzahl ausgezeichnete professionelle, klassische Saxquartette, z.B. das Rascher-Q., benannt nach dem ersten deutschen klassischen Saxophonvirtuosen Manfred Rascher, der von den Nazis aus Deutschland vertrieben wurde, das Apollo-Q., das Rova-Q., spezialisiert auf Neue Musik im Grenzbereich zum Avantgarde-Jazz, und viele andere.


    Insofern interessiert mich auch an diesem Thread als Versuchsballon auch, ob es im Forum Interesse an dieser relativ jungen Quartettform gibt. Man könnte dann vielleicht parallel zu diesem Thread auch für den Anfang ein allgemeineres Thema "Klassische Saxophonquartette" eröffnen.


    :hello: Matthias

  • Ich habe mal bei Wikipedia nachgesehen http://de.wikipedia.org/wiki/Erkki-Sven_T%C3%BC%C3%BCr:
    Erkki-Sven Tüür (* 16. Oktober 1959 in Kärdla/Insel Hiiumaa, Estland) ist ein estnischer Komponist.
    Nach autodidaktischen Anfängen studierte Tüür von 1976 bis 1980 zunächst Flöte und Perkussion an der Musikschule Tallinn. Von 1980 bis 1984 studierte er Komposition bei Jaan Rääts an der Estnischen Musikakademie in Tallinn sowie privat bei Lepo Sumera.
    Von 1979 bis 1984 war er Komponist, Flötist, Keyboarder und Sänger des von ihm gegründeten kammermusikalischen Rockensembles In Spe, das schnell zu einer der beliebtesten Rockgruppen in Estland avancierte.
    Von 1989 bis 1992 unterrichtete er Komposition an der Estnischen Musikakademie.
    Erkki-Sven Tüür ist Mitbegründer des Festivals für Gegenwartsmusik Nyyd ("Jetzt").
    Auszeichnungen und Ehrungen
    Estnischer Kulturpreis 1991 und 1996
    Werke
    Zu Tüürs bedeutendsten Werken zählen Zeitraum, Action, Passion und Illusion. Tüür kombiniert moderne Elemente wie Cluster, Polyrhythmik, Atonalität und Klangschichten mit traditionellen Elementen wie Diatonik, Modalität und Dreiklangsharmonik, wobei ein Kernfaktor die Versöhnung zwischen musikalischen Welten ist.


    etwas ausführlicher https://www.edition-peters.de/…&idart=90&composer_id=451C. F. Peters Musikverlag:
    Erkki-Sven Tüür
    * 16.10.1959


    Der 1959 in Kärdla auf der estnischen Insel Hiiumaa gebürtige Erkki-Sven Tüür gehört zu den bemerkenswertesten Komponisten seiner Generation. Seine musikalische Ausbildung erfolgte zunächst autodidaktisch, dann an der Musikschule Tallinn (1976-80); später studierte er Komposition bei Jaan Rääts an der Musikakademie Tallinn sowie privat bei Lepo Sumera (1980-84).


    1979 gründete Tüür ein kammermusikalisches Rockensemble "In Spe", das bald zu den beliebtesten Rockgruppen in Estland zählte. Für dieses Ensemble engagierte sich Tüür als Komponist, Flötist, Keyboarder und Sänger.


    Von 1989 bis 1992 unterrichtete er Komposition an der Estonian Academy of Music.


    Mit den Anfängen der "Perestroika" wurde die Musik Tüürs zum erstenmal auch außerhalb von Estland aufgeführt. Sein erster durchschlagender Erfolg in Finnland (mit "Insula deserta" von 1989) führte zu einer Reihe von Auftragswerken, darunter "Searching for Roots: Hommage à Sibelius" (1990) für das Philharmonische Orchester Helsinki und "Architectonics VI" (1991) im Auftrag des Helsinki-Festivals. Später erhielt er weitere Kompositionsaufträge für das American Waterways Wind Symphony Orchestra, das Stockholmer Saxophon-Quartett, das Hilliard-Ensemble, den Piano Circus, das Grieg-Trio, den Kölner Rundfukchor und das Raschèr Saxophon-Quartett, das Symphonische Staatsorchester Estland, das Königliche Flandrische Philharmonische Orchester, das City of Birmingham Symphony Orchestra, das BBC National Orchestra of Wales, die Oper Dortmund (Oper: "Wallenberg"), das RSO Stuttgart, das Detroit Symphony Orchestra und Philharmonia Orchestra.


    Die wichtigsten Aufnahmen mit Werken Tüürs sind bei ECM erschienen.


    Seine Musik erklingt immer häufiger nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Nordamerika, Australien und Japan. Paavo Järvi, künstlerischer Leiter des Cincinnati Symphony Orchestras, ging im März 2004 mit Tüürs "Exodus" auf USA-Tournee, unter anderem mit einem Auftritt in der Carnegie Hall in New York.
    Tüürs Violin-Konzert wurde mit Isabelle van Keulen und dem BBC Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Paavo Järvi bei den BBC Proms im August 2003 in der Royal Albert Hall, London, aufgeführt.


    Zurzeit arbeitet er an einer ganzen Reihe von Kompositionsaufträgen, so unter anderem an einem Klavierkonzert, einem Akkordeonkonzert sowie einem umfangreichen Orchesterwerk.


    Werke von Tüür wurden bei vielen Festivals aufgeführt; so zum Beispiel bei Bang on a Can (New York), Border Crossings (Toronto), Musica (Strasbourg), Stockholm New Music, Vale of Glamorgan Festival, Berlin Festwoche, Salzburg Festival, Lockenhaus Chamber Music Festival, Luzern Festival, Klangspuren, Wien Modern, Gstaad Festival, Emerging Light (London), Huddersfield Contemporary Music Festival oder Musica Nova Helsinki.


    Zu den zahlreichen Preisen, die Tüür zugesprochenen wurden, zählen der Kulturpreis der Republik Estland (1991 und 1996) und der Art Prize of Baltic Assemble 1998.
    Heute lebt er als freischaffender Komponist abwechselnd in Tallinn und auf der Insel Hiiumaa.


    "Bei meinem kompositorischen Schaffen handelt es sich ausschließlich um das Verhältnis zwischen geistiger und emotionaler Energie sowie um die Möglichkeiten, diese zu lenken, zu konzentrieren, zu liquidieren und wieder ansammeln zu lassen. Meine Stücke stellen abstrakte, klingende Dramen dar mit vielen agierenden Personen und extrem dynamischen Handlungssträngen; sie entfalten sich innerhalb eines Raumes, der sich unablässig verschiebt, ausdehnt und zusammenzieht, aber nicht etwa wie ein feingliedriges Mosaik, sondern eher wie eine säulenhafte Skulptur.
    Ich hege ein starkes Interesse für die Verbindung von Gegensätzen - Tonalität/Atonalität, regelmäßig wiederkehrende Rhythmen/unregelmäßige komplexe Rhythmen, Besonnenheit/explosive Theatralik - und vor allem für die Art und Weise, wie sich diese Gegensätze allmählich durchdringen und gegenseitig ablösen.


    Seit etwa 2002 hingegen folgen meine neueren Kompositionen (Oxymoron, Meditatio, 5. Sinfonie, Noesis) einem anderen kompositorischen Ansatz: Ich habe eine Methode entwickelt, die ich „vektorielles Schreiben“ nenne, da das Prinzip der Stimmführung im weiteren Sinn den Projektionen von Vektoren in unterschiedliche Richtungen folgt. Gleichzeitig wird das zu Grunde liegende kompositorische Material durch einen bestimmten numerischen Code definiert, der wie ein Gen funktioniert, das die gesamte kompositorische Formung und alle möglichen Variantenbildungen und Transformationen erzeugt.
    Diese Technik erlaubt mir, eine sehr viel größere harmonische Varianz zu erreichen, ohne den Zusammenhalt des Werkes zu gefährden.“


    Website: http://www.erkkisventuur.com


    Bei C. F. Peters Musikverlag ist auch das Notenmaterial erhältlich.

    Einmal editiert, zuletzt von JL ()

  • Das Werk heißt Lamentatio (Aufgabe für die Moderatoren: Der Thread-Titel müßte also umbenannt werden!)
    Es ist im Auftrag des Stockholm Saxophon Quartets entstanden. Diese Gruppe ist wirklich eine der besten Addressen für moderne Sax-Q.-Kompositionen. Sie haben es auch noch im Repertoir, aber wohl auf ihren vielen CDs nicht eingespielt - eigentlich merkwürdig. Es gibt jedoch Rundfunkaufnahmen. Ich hoffe, da komme ich demnächst über schwedische Freunde dran.


    2003 schrieb Tüür ein weiteres Werk für Sax-Q. und diesmal + gemischten Chor im Auftrag des Kölner Rundfunkchors und des Raschèr-Quartett, Meditatio. Das Raschèr-Q. hat es auch eingespielt, jedoch mit dem Estonian Chamber Choir unter der Leitung von Paul Hillier:



    Die CD habe ich bei mir sogar gefunden. Meditatio ist auch ein sehr schönes Werk, das seinem Titel entspricht, dabei aber keinesfalls langweilig wird.


    :hello: Matthias

  • Auf der Website von Sonic.art gibt es ein Tonbeispiel für Saxophonquartett unter http://www.sonicartquartett.de/deutsch.html . Dort sind auch die Konzerttermine zu finden.
    Nach Berlin und Umgebung kommen sie allerdings bis Ende September nicht. Dafür im September nach Bad Segeberg. Ich habe nach dem Programm gefragt.


    Das Konzert am 23.9.08 wird vom Konzert-Ring Bad Segeberg veranstaltet und findet im Bürgersaal des Rathauses statt.
    (Lübecker Str.9).
    Auf dem Programm stehen folgende Werke:


    György Ligeti 6 Bagatellen
    Alexander Glasunow Quartett op. 109
    Florent Schmitt Quartett op. 102
    Claude Debussy Quartett op.10


    Das Lamentatio ist also leider nicht dabei.


    Auch wenn es mitten in der Woche ist, will ich versuchen hinzugehen.

  • Hier ist ein Trio mit Klavier, Flöte und Saxophon: http://de.youtube.com/watch?v=xthrhJCTsnY
    Pierrot Lunaire Ensemble Wien® plays E.S.Tüür


    Die Aufnahme ist zwar nicht so gut, aber ich finde man bekommt einen Eindruck von der Ausdruckskraft von Tüür. Auch dieses Trio gefällt mir sehr gut.


    Vielleicht weiß hier ja jemand, ob und wenn ja wo Werke von Tüür noch aufgeführt werden.

  • Es gibt eine sehr gelungene Aufnahme u.a. der Lamentatio durch das sonic.art Saxophonquartett.


    Hier eine Besprechung, dreist geklaut von der Website des Schallplattenmanns:


    Quelle: http://schallplattenmann.de/a1…Levy-Neuwirth-Xenakis.htm


    Unbedingt mal reinhören !


    Viele Grüße,


    Bernd

  • Das Saxophonquartett "Lamentatio" (laut Stowasser: Wehklagen, Heulen) widmete der Komponist dem Gedenken der 852 Opfer des Untergangs der Fähre Estonia am 28. September 1994. -


    Ich konnte im Rahmen der Sendung "Neues vom Klassikmarkt" des SWR2 einen Ausschnitt des Werkes hören, in der Aufnahme mit dem sonic.art Saxophonquartett und war tief beeindruckt. Lediglich der relativ hohe Preis der CD und die momentanen Sammelprioritäten halten mich momentan vom Kauf ab. (Wehe, ich sehe die CD irgendwo im Einzelhandel ... )


    Ich kenne von Tüür die 4. Sinfonie in der Aufnahme mit Paavo Järvi (und die anderen Stücke, die auf dieser CD drauf sind) und kann nur dafür werben. Man hört zwar an einigen Stellen, dass Tüür mal Schlagzeuger in einer Rockband war ("In Spe"), trotzdem (oder deswegen?) ist es eine tolle Musik.

  • Das geht mir auch so. Ich denke oft an dieses Konzert und verfolge was alles zum Thema E.S. Tüür passiert. Ein Konzert mit Werken habe ich in hamburg aus beruflichen Gründen verpasst. Aber ich bleibe am Ball.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose