Eugen Onegin an der Staatsoper Unter den Linden

  • Ich hatte mich lange auf die Premiere von Tschaikoskys Eugen Onegin in der Staatsoper Berlin am vergangenen Samstag (27.9.) gefreut……Leider war nur der musikalische Teil der Vorstellung (mit Abstrichen) erfreulich! Aber der Reihe nach….:


    Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
    Inszenierung | Bühnenbild | Lichtkonzeption: Achim Freyer


    Larina : Katharina Kammerloher
    Tatjana: Anna Samuil
    Olga: Maria Gortsevskaya
    Filipjewna: Margarita Nekrasova
    Eugen Onegin: Roman Trekel
    Lenski: Rolando Villazón
    Fürst Gremin: René Pape
    Triquet: Stephan Rügamer
    Saretzki: Viktor Rud
    Ein Hauptmann: Fernando Javier Radó
    Freyer Ensemble/Staatskapelle Berlin/Staatsopernchor


    Die Bühne zeigt eine schräge weiße (schwarz ab der Szene in Gremins Haus) Fläche, auf der die Personen wie die Hamster im Laufrad immer wieder die selben Bewegungsabläufe vollführen, einziges Requisit sindStühle. Interaktion zwischen den Personen (die man schwerlich „handelnd“ nennen kann) fand nicht statt, es mussten aber immer Alle Darsteller auf der Bühne sein. Wer hier die Handlung nicht vorher kannte, hatte keine Chance zu verstehen, was in der Oper eigentlich passiert (außer natürlich anhand der Obertitel). Ich bin wahrlich kein Verfechter dessen, dass ALLES, was im Libretto steht, auch eins zu eins auf der Bühne dargestellt wird. Aber wie soll man die Eifersucht Lenskis verstehen, wenn kein Ball und damit auch kein Tanz stattfindet und wie das Duell, wenn sich die Kontrahenten gar nicht gegenüber stehen?!??!
    Die Monotonie des Ganzen wurde durch die schwarz/dreckig weißen Kostüme und die maskenhaft geschminketen Gesichter verstärkt.
    Sehr passend der Zwischenruf aus dem Publikum noch vor der Pause: „Herr Freyer, hier geht es um Leidenschaft, nicht um Langeweile“ (sinngemäß wiedergegeben).


    Offensichtlich lähmte die Inszenierung auch die Sänger, die auch stimmlich teilweise gehemmt wirkten.
    Anna Samuil, die wie ich fand letztes Jahr in Salzburg eine wunderbare Tatjana gesungen hat, konnte aus dem starren Korsett nur schwer ausbrechen und blieb in der großen Briefszene doch eher blass. Dies änderte sich zum Glück in der Schlusszene mit Onegin, in der sie ihren Sopran voll leuchten ließ.
    Villazon „pfiff“ zum Glück in seinen zwei großen Arien auf das Regiekonzept und legte große Leidenschaft in die Musik. Man merkt deutlich, dass er jetzt offensichtlich weit ökonomischer mit der Stimme umgeht, die Spitzentöne sind generell etwas gedeckter.
    Rene Pape fühlte sich anscheinend ebenfalls nicht wohl in dieser Produktion, man merkte, dass er wenigstens ansatzweise so etwas wie Darstellung versuchte. Trotzdem (oder vielleicht deswegen) war seine Arie für mich der Höhepunkt des Abends (auch wenn er ab und zu dazu neigt, Töne von unten anzuschieben).
    Die absolute Enttäuschung des Abends war Roman Trekel in der Titelrolle. Ihm fehlten sowohl die Farben als auch die Höhe für diese Rolle.
    Die weiteren Rollen waren alle gut besetzt, insbesondere der Alt von Margarita Nekrasova in der Rolle der Filipjewna ließ aufhorchen und bekam zu Recht viel Applaus.
    Barenboim und die Staatskapelle versuchten, das Ganze mit sehr viel Schwung (für den Chor in der Anfangszene offensichtlich etwas zu viel Schwung :D ) zu retten. Der Staatsopernchor agierte (mit Ausnahme der Unsicherheiten im ersten Bild) gewohnt souverän und klangschön.


    Das Publikum spendete Sängern und Orchester viel Beifall, beim Inszenierungsteam herrschte Uneinigkeit. Da versuchten sich Bravo- und Buh-Rufer gegenseitig zu übertönen, der Großteil des Publikums spendete „höflichen Beifall“.
    Fazit: Mein Wahlspruch ist immer, dass ich Inszenierungen schlecht finde, wenn sie die Musik stören. Das war hier eindeutig der Fall!!!
    Ich habe schon konzertante Aufführungen erlebt, in denen mehr Leben war, als in dieser Inszenierung. Das hat diese Oper sicher nicht verdient!


    LG
    Rosenkavalier


    PS: Mich würde mal interessieren, was unsere Kanzlerin von dem Ganzen hielt, die war nämlich lt. Presseberichten auch da (ich hab sie aber nicht gesehen).

  • Habe heute auch die Kritiken dazu in der Zeitung gelesen, dort wird durchweg ähnlich beurteilt, auf jeden Fall nicht gut.


    Schade, dass man Opern immer wieder so total vermurksen kann. Irgend ein Regisseur will sich durch etwas Besonderes hervorheben und bringt es am Ende nur zu solch einem Müll. Gott sei Dank kann man an der Musik nichts ändern (oder gibt es das auch schon?()

  • Hab heute die Kritiken gelesen in der SZ, AZ, Welt und im Tagesspiegel Berlin.
    Nun ich werde selber am 12.Oktober in den Onegin gehen,
    bin nun äußerst gespannt, hatte nur die Bestzungsliste
    angeschaut und Karten bestellt.
    Wait and see... :pfeif:

    mucaxel

  • Zitat

    Original von mucaxel
    Hab heute die Kritiken gelesen in der SZ, AZ, Welt und im Tagesspiegel Berlin.
    Nun ich werde selber am 12.Oktober in den Onegin gehen,
    bin nun äußerst gespannt, hatte nur die Bestzungsliste
    angeschaut und Karten bestellt
    .
    Wait and see... :pfeif:


    Das war auch mein Beweggrund........


    LG
    Rosenkavalier

  • Onegin


    Pape hat sich doubeln lassen,er kam erst zu seiner Arie persl auf die Bühne.
    Ich weiss ja nicht,was ihr von Freyer erwartet,das war vorauszusehen.
    Nur die Sänger machen noch keine gute Aufführung,die Regie sollte stimmen.


    Rita

  • Ich war in der Onegin-Aufführung vom 19. Oktober und muß Rosenkavalier leider recht geben. Zwar war das, was auf der Bühne geschah, irgendwie faszinierend anzusehen, aber die Musik und das Drama wurden durch diese Pantomime im Zeitlupentempo ziemlich in den Hintergrung gedrängt. Die Idee der Inszenierung war, dass alle Menschen in vorbestimmten Bahnen ihr Leben abwickeln, in immer wieder kehrenden Zyklen, deshalb auch eine Choreografie, die sich 4 oder 5 mal auf der Bühne wiederholt. Die schwarz-weißen Gewänder habe ich als das nach aussen gekehrte Bild des Inneren des Menschen gedeutet, weiß steht für mich für die Konventionen und die Zwänge, die uns von der Gesellschaft auferlegt werden und schwarz für die Seele und deren Empfindungen. Alle sind in fleckigen schwarz-weißen Gewänder gekleidet, ausser Tatiana, die ganz schwarz erscheint, als Zeichen, dass sie ganz der Liebe geöffnet ist und dass die gesellschaftlichen Regeln für sie nur zweitrangig sind. Onegin ist ganz in weiß, als blasierter Frauenschwarm, dessen Seele keine Liebesregungen mehr kennt. In jedem Zyklus reicht Lenski (warum er?!?) Tatiana immer wieder einen weißen Brautschleier, den sie jedes mal abstreift und wegwirft. Im letzten Akt erscheint auch Onegin ganz in schwarz, er wird sich seiner Liebe für Tatiana bewusst. In dem Moment, in dem Tatiana ihn andgültig abweist und sich für Gremin entscheidet, hat ihr Kleid plötzlich die weiße Farbe und der verhasste weiße Schleier bleibt auf ihrem Haupt und verbirgt ihr trauriges Gesicht. Ich weiß nicht, ob meine "Erkenntnis" wirklich der Absicht des Regisseurs entspricht, aber er soll gesagt haben, dass er es dem Zuschauer überlässt, seine Choreografie zu deuten. Villazon jedenfalls soll gesagt haben, dass er nicht so recht verstehe, was er da macht, aber dass er sich als ein Teil einer großen Skulptur betrachtet.


    Gesanglich hat mich Roman Trekel am wenigsten beeindruckt. Anscheinend war er gerade von einer Erkältung genesen, damit wäre seine nicht so tolle Gesangsleistung zu erklären. Aber auch sonst war er sehr farblos.
    Tatiana hat schön gesungen, aber sie hat sicher auch unter der Regie gelitten, es schien mir wirklich schwer, sich gleichzeitig auf den Bewegungsablauf zu konzentrieren und auch nuanciert zu singen. Ihr Vortrag in der Briefszene war mir zu eintönig und insgesamt etwas zu laut gesungen.
    Lieider hat in dieser Aufführung nicht Rene Pape gesungen, sondern Christoph Fischesser, der aber auch nicht schlecht war.
    Stimmlich positiv zu erwähnen sind die Amme, die Mutter und Olga, alles sehr russisch klingende Stimmen.
    Gesanglich eher ein Latino, schien Villazon überhaupt keine Probleme mit der Regie zu haben. Er hatte die schwerste Choreografie, weil er sich dauernd in die Knie lassen mußte (im Zeitlupentempo!) und vorne an der Bühne angekommen, sich sogar hinlegen und räkeln mußte. Dabei sang er mit der Konzentration, als ob er in einem Aufnahmestudio für eine CD gesungen hätte und nicht indem er in den unmöglichsten Stellungen verharren musste. Er schien zum Schluss auch den meisten Spaß daran gehabt zu haben, obwohl er bis zum Ende der Oper auf der Bühne sein mußte, sogar als Leiche mußte er weiter wandeln. Gremin und Tatiana hatten Doubles, die auf der Bühne waren, während sie nicht zu singen hatten. In der vorletzten Vorstellung war es dann für Villazon wieder so weit, eine Atemwegsinfektion hat ihn singunfähig gemacht. Es wurde ein russischer Tenor geholt, der vom Rand sang, währen Villazon spielte, trotz Behandlung mit Antibiotika. Ich muß sagen, dass ich über seine sehr gute stimmliche Verfassung überrascht war, nachdem er bei seinem Salzburger Romeo nicht immer ganz souverän geklungen hatte. Vielleicht ist die Partie des Lenski kürzer und leichter, aber seine Stimme klang sehr sauber, völlig unangestrengt, es gelangen ihm alle Feinheiten und die hohen Töne waren strahlend und bombensicher. Klar war er der Star des Abends, zumal sicher viele seinetwegen gekommen waren, trotz der völlig ungewöhnlichen Regie.


    Barenboim hat toll dirigiert und der Musik eindrucksvolle Akzente gegeben. Er hat so zu sagen eine tolle Background-Musik für ein Pantomime-Balett gemacht, in dem zufällig hinter den grotesken Masken auch Stimmen zu hören waren. Man hat immer wieder Buh-Rufe gehört, so auch als Barenboim nach der Pause zurückkam. Da drehte er sich zum Publikum um und sagte "Liebes Publikum, ich kann ihnen versprechen, es wird nicht besser!"