Klassikaufnahmen mit historischen Klavieren - Welche Vielfalt

  • Liebe Klassikfreunde,


    Während heutzutage üblicherweise fast alles mit Steinway eingespielt wird (er gibt allerdings auch hier Ausnahmen) gab es in der Pionierzeit des Hammerklaviers eine breite Palette von Klavierbauern, welche ihren Instrumenten teilweise interessante Detaillösungen angedeihen ließen und zudem noch eine eigene Klangphilosophie vertraten.
    Wenn auch heute nur mehr wenige Namen bekannt sind, so gibt es doch eine Reihe von Aufnahmen wo solche Exoten Verwendung fanden. Aber auch der (einstige) Mainstream im Klavierbau ist nicht uninteressant.
    So lade ich die Spezialisten und Freunde alter Klaviere ein, solche Aufnahmen hier vorzustellen.


    Ich beginne sogleich mit einer meiner Lieblingsaufnahmen:


    Ludwig van Beethoven:
    Klavierkonzerte Nr 4 und 5
    Arthur Schoonderwoerd


    Über die Aufnahme ist an anderer Stelle bereits geschrieben worden, ich begnüge mich hier, das Klavier zu beschreiben. Für diese Aufnahme wurde ein Hammerflügel des Wiener Klavierbauers Johann Fritz eingesetzt, welcher etwa 1807-1810 entstand. Die instrumente von Johann Fritz ähneln in etlichen Details jenen von Anton Walter, sodaß nicht von der Hand zu weisen ist, er hätte sich dort Anregungen geholt. Gelernt hat Fritz indes bei Gottfried Mallek d. J. in Wien. 1806 Gründete er eine eigne Werkstätte in der Laimgrube an der Wien, welche aber des öfteren übersiedelte...
    Seine Spuren lassen sich bis 1834 verfolgen - die genauen Lebensdaten sind unbekannt....
    Es sind einige Instrumente aus seiner Hand erhalten geblieben, das für die Aufnahme verwendete stammt aus der Privatsammlung von Arthur Schoonderwoerd.....



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aufnahmen mit "historischen" Instrumenten haben sich bei Beethoven eher langsam durchgesetzt, weil doch viele Musikfreunde eher dem fülligen bis donnernden Ton heutiger Instrumente den Vorzug geben.
    Als Beispiel für eine überzeugende Einspielung auf "historischem" Hammerklavier wird gerne die Serie von Beethoven-Klavierwerken mit Ronald Bräutigam herangezogen. D´accord.

    Aber irgendwie klingt dieser Flügel (Nachbau eines Hammerklaviers von Conrad Graf um 1819 - ausgeführt von Paul McNulty )doch sehr "modern" und vertraut - ein wenig geschönt (?)wobei ja seine Flügel in gewisser Weise tatsächlich das Bindeglied zwischen den ersten Hammerklavieren und jenen des "romantischen" Typus waren.
    Wie dem auch sei: das Ergebnis kann sich hören lassen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Die Aufnahme der Bagatellen Ludwig van Beethovens mit Ronald Brautigam auf einem historischen Instrument wurde gerade auf die Vierteljahresliste 4/2011 des "Preises der Deutschen Schallplattenkritik" gesetzt.

  • Hier dürfen auch die Brahms-Aufnahmen mit Harry Rittner erwähnt werden:



    FonoForum 10 / 08: "Auf dem Streicher-Flügel von 1851 gleichen sie vollends einer fernen Vision der Entfesseltheit … Hardy Rittner aber kann sich kaum als Feuerkopf produzieren unter dem historisch matten Schleier. In diesem gedämpften Milieu der Pianissimo-Valeurs bewegt sich das rastlos-elegische Finale ganz herrlich seiner fantastischen Auflösung entgegen. Dank der leichtgängigen Mechanik des Flügels lässt er die 32stel-Girlanden des Molto-sostenuto-Schlusses wunderbar frei verwehen."

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Einer der ersten kompletten Zyklen von Mozarts Klavierkonzerten auf "Originalinsrtrumenten! isr hen von Malcolm Bilson für Archiv-Produktion. Fast alle Aufnahmen wurden auf einem Nachbau von Mozarts Konzertflügel (heute Geburtshaus Mozarts in Salzburg - Getreidegasse) gemacht. Mozarts Flügel stammt von Anton Walter um 1780, der Nachbau entstand knapp 200 Jahre späte von Philip Belt USA. Ein oder zwei Aufnahmen wurden ebenfalls auf einem Nachbau eines Walter-Flügels eingespielt - Die Kopie stammt von Derek Adam, der Besitzer dieses Instruments ist Christopher Hogwood, der diesen Flügel liebenswürdigerweise zur Verfügung gestellt hat.
    Bei ihrem Erscheinen war die Kritik über dies Aufnahmen eher geteilter Meinung, wogegen sie heute durchwegs als ausgezeichnet betrachtet werden.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Gleich fünf verschiedene Hammerflügel verwendet Paul Badura-Skoda in seiner Gesamteinspielung der Klaviersonaten Franz Schuberts (1797-1828). Die Instrumente stammen aus der eigenen Sammlung des Pianisten. Spannend ist es, die unterschiedliche Klangcharakteristik der Hammerflügel zu vergleichen.


    Daniel Schöfftos Wien 1810
    Georg Hasska Wien 1815
    Conrad Graf 432 Wien 1823
    Conrad Graf 1118 Wien 1826
    J.M. Schweighofer 1846


    Auf http://www.outhere-music.com kann man das Booklet herunterladen. Darin sind die Hammerfügel abgebildet.


    Das Bild auf dem Cover zeigt das Ölbild, das Wilhelm August Rieder 1875 nach einem Aquarell aus dem Jahr 1825 gemalt hatte.
    Zitat aus Wikipedia: "Während seines Akademiestudiums kam Rieder in den Freundeskreis der Maler und Dichter um Franz Schubert. Schubert und Rieder waren gleichaltrig und standen bald in freundschaftlichem Verhältnis. Rieder hatte in seiner Wohnung ein Klavier zur Verfügung, Schubert jedoch nicht. Er bot Schubert an, das Klavier zu benützen, da er bald dessen großes Talent erkannt hatte. Schubert machte davon in einem Umfang Gebrauch, der Rieder bald unbequem wurde. So verabredeten beide ein Zeichen. Waren an einem bestimmten Fenster die Vorhänge zugezogen, wollte Rieder seine Ruhe haben." Spannend wäre in diesem Zusammenhang zu wissen, um welches Instrument es sich gehandelt hatte.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Bei ihrem Erscheinen war die Kritik über dies Aufnahmen eher geteilter Meinung, wogegen sie heute durchwegs als ausgezeichnet betrachtet werden.

    Geteilter Meinung kann man zu diesen Aufnahmen immer noch sein. Bilson gibt sich große Mühe, seine Aufnahmen der Mozart-Sonaten (bei Hungaroton 1989) zeigen sein Können, aber Gardiner verpfuscht leider alles mit seiner oberflächlichen Begleitung.
    Christopher Hogwood hat mit dem Pianisten Robert Levin gezeigt, wie es besser geht (z.B. K271 & K414 bei L'Oiseau-Lyre/Decca 1994).
    Als Gesamtaufnahme auf historischen Instrumenten ist van Immerseel mit Anima Eterna (Channel Classics 1990/91) mir immer noch die liebste...


    Fidix

  • Geteilter Meinung kann man zu diesen Aufnahmen immer noch sein. Bilson gibt sich große Mühe, seine Aufnahmen der Mozart-Sonaten (bei Hungaroton 1989) zeigen sein Können, aber Gardiner verpfuscht leider alles mit seiner oberflächlichen Begleitung.


    Genau das war in der damaligen Kritik der Knackpunkt. Es wurde sinngemäss behauptet, Bilsons Interpretationsansatz sei "akademisch - trocken"(wörtlich erinnere ich mich natürlich nicht mehr nach so langer Zeit - zudem kann man das wohlwollender formulieren - das hiesse dann "korrekt und uneitel") Gardiner wurde damals nicht in Zweifel gezogen, war er doch gerade erst von Philips zu DGG "gewechselt" - damals einer der Superstar für Barockmusik, Frühklassik und HIP-Klassik schlechthin. Dennoch - Die Aufnahmen scheine sich nicht allzu gut verkauft haben, denn ich schaffte es nicht die Serie zu vollenden. Nachdem ich eine längere Kaufpause eingelegt hatte waren die CDs aus Regalen und Katalogen verschwunden. Inzwischen sind etliche Aufnahmen auf historischen Instrumenten erschienen. So niemand anderer sich berufen fühlt, werde ich demnächst einiger weitere hier vorstellen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lubimov spielte zuletzt sehr empfehlenswert die letzten drei Klaviersonaten Beethovens bei Zig Zag ein und ist nun zum Label Alpha gehoppt, nachdem er anfangs bei Erato und dann bei ECM war. Hier spielt er auf einem Erard-Flügel.



    Beethoven: Klaviersonaten
    Alexei Lubimov
    Alpha

    Gruß ab


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    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke