Puccini Turandot ( Hamburg 08.05.2012 )

  • Wie schon bei Aida und Manon Lescaut legte auch hier Carlo Montanaro ein unnötig rasches Tempo vor, nur mit dem unterscheid zu den beiden vorrangegangenen Werken ging die Rechnung hier zumindest einigermaßen auf.
    Es wurde ein spannender und elektrisierender Opernabend,was nicht zu letzt an den Protagonisten auf der Bühne lag.
    Ich wüßte jetzt aus dem Stehgreif keinen Sänger des Timur ( auf Studiooperngesamtaufnahmen ) den Alexander Tsymbalyak an diesem Abend nicht mit seiner wunderbaren runde vollen Stimme in den Schatten gestellt hat.
    Mirjam Tola war eine Liu, die bei ihrer ersten Arie sicherlich ein wenig zu unbeteiligt wirkte, dafür aber im dritten Akt um so ergreifender ang.
    Von der Stimme her machte sie klar hier steht kein kleines scheues Mäuschen sondern eine emanzipierte Frau und ebenbürtige Gegnerin für Turandot,die weiß was sie will und dieses auch durchsetzte .
    Ihre Stimme hatte Kraft, Volumen und Durchsetzungsvermögen, denn das Orchester wurde klanglich kaum zurückgenommen.
    Carl Tanner war ein Calaf mit eher baritonalem Timbre der aber dennoch zu überzeugen verstand, auch wenn ich eher den tenoralen Typ Sänger in dieser Rolle bevorzuge.
    Catherine Foster siegte hier auf ganzer Linie, sie steuerte ihren strahlenden höhensicheren Sopran ohne zu forcieren klanggewaltig durch alle Klippen dieser Partie, die es nun wirklich in sich hat.
    Während sie in der Walküre und auch in der Götterdämmeurng eher ökonomisch singen mußte ( im Siegfried hingegen konnte sie alles geben ), wegen der länge der Rollen, konnte sie hier von ersten bis zum letzen Ton alles ohne ihr Stimmebänder zu überfordern aus dem vollen schöpfen und das Tat sei auch.

  • Zitat

    Während sie in der Walküre und auch in der Götterdämmeurng eher ökonomisch singen mußte ( im Siegfried hingegen konnte sie alles geben ), wegen der länge der Rollen, konnte sie hier von ersten bis zum letzen Ton alles ohne ihr Stimmebänder zu überfordern aus dem vollen schöpfen und das Tat sei auch.


    Mein lieber Sven!


    Ich kenne keine Sängerin, die in der Rolle der Turandot nicht an die Grenze ihrer Stimme gehen muß. Diese Partie ist zwar nicht so lange wie Walküre und Götterdämmerung, dafür gehört diese Partitur zu den schwierigsten einer Sopranistin. Ich hatte das Glück, zu einer "Turandot" in Bonn im Matinee ein Interwiew mit Birgit Nilsson verfolgen zu können. Diese Künstlerin äußerte sich so ähnlich über diese Rolle, die ihr immer alles abverlangt hätte.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Sven,
    danke für den interessanten Bericht! Könntest du noch ein paar Worte zur Inszenierung sagen und ob diese erträglich ist?
    Viele Grüße
    Figarooo

  • Ich war selber zur Wiederaufnahme am 26.04 in der Hamburger Turandot: Die sängerischen Leistungen würde ich ähnlich gut beurteilen, wie Sven. Besonders Fr.Foster, die mich schon als Brünnhilde überzeugt hat, konnte in der Titelpartie reüssieren. Montanaros Dirigat war wie immer mit vollem Körpereinsatz und stellenweise vielleicht sogar etwas "overpaced". Der insgesamt hervorragenden Wiederaufnahme vor ausverkauftem Haus tat dies aber keinen Abbruch :jubel:


    Die Inszenierung von Gian-Carlo del Monaco, Sohn des hier eventuell nicht ganz unbekannten Tenors Mario del Monaco :pfeif: , hat schon ihre Jahre auf dem Buckel: Premiere war am 09.10.1983. Ich selber habe diese Turandot vor Jahrzenten schon mehrfach in illustren Besetzungen mit Gwyneth Jones und Lando Bartolini gesehen. Typisch für eine Turandot ist das Bühnenbild (Peter Sykora) sehr zentralisiert: Ein Treppenaufstieg in der Mitte (die Blutflecken im Laufe der Jahre schon etwas verblasst und zusätzlich mit den abgeschlagen Köpfen der bereits am Rätsel gescheiterten geschmückt) für den Auftritt der Prinzessin, sowie links und rechts vier weitere rampenartige Treppen für den Chor. Insgesamt recht düster in schwarz, jedoch nicht "Splatter"-mäßig, sondern m.E. durchaus angemessen.


    Der Auftritt der drei Minister zu Beginn des zweiten Aufzuges findet in einem großen weißen Raum (einer Art Büro) statt, der zum Szenenwechsel wieder vollständig im Unterboden verschwindet - schön, eine funktionierende Bühnenmaschinerie zu haben! Das war in Hamburg nicht immer so :hahahaha: Der Ausgang des Raumes ist soetwas, wie ein Tresortür; dass dürfte etwas mit der Gefangenheit der Handelnden unter den Zwängen der machtvollen Prinzessin zu tun haben. Und ganz klassisch gibt es bei Ping, Pang und Pongs "Ho una casa nell'Honan" einen kleines Modellhaus als Requisit.


    Die Kostüme (ebenfalls P.Sykora) spiegeln durchaus das chinesische Flair und die Zeitlosigkeit der Szene wieder; dominierende Farben sind schwarz und rot. Prinzessin Turandots Vater Altoum gemaht mich allerdings in seinem Gewand an einen schlecht kostümierten Titurel :no: Eine wahre Augenweide hingegen Il Carnefice als wahrlich furchteinflössender Sumo-Ringer :hahahaha:



    Insgesamt eine eigentlich unverwüstliche Inszenierung, die niemandem wehtut, die aber auch nie langweilt und sich so vermutlich noch weitere 30 Jahre im Repertoire halten wird :jubel:


    Bilder auf der Internetpräsenz der Staatsoper Hamburg.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Danke für die ausführliche Schilderung der Inszenierung. Ich habe im vergangenen Herbst wohl eine ähnliche Inszenierung von del Monaco/Sykora in Zürich gesehn und was das Bühnenbild betrifft sah es wohl ähnlich aus. Düster-symmetrisch und sehr monumental-statisch. Idiotisch fand ich die dabei die zusätzliche Idee Calaf, Liu und Timur als heutige Menschen zu zeigen, die per Zeitmaschine in eine chinesisch-antike Vergngenheit gebeamt wurden und am Schluss fuhr das Bühnenbild zu Gunsten einer Projektion der Skyline von Schanghai auseinander und plötzlich trugen alle Alltagsklamotten, während Turandot und Calaf mit Champus anstießen (letzteres fand ich angesichts des vorausgehenden Tods der Liu besonders unpassend...) Finden sich in der Hamburger Inszenierung ähnliche Mätzchen?

  • Habe mal ein bisschen Bild-Recherche betrieben und tatsächlich scheint mir die Zürcher Inszenierung zumindest von der Konzeption des Bühnenbildes ähnlich angelegt zu sein. Die angesprochenen "Mätzchen" gibt es in Hamburg zwar nicht, aber die geschilderte Champus-Szene bebildert m.E. letztlich auch nur das Grundproblem dieser Oper an sich: Die durch einen Kuss hervorgerufene plötzliche Einsicht(?) Turandots und der musikalisch überwältigende, aber auch plakativ-triumphale Alfano-Schluss suggerieren trotz Lius Tod ein Quasi-Happy-End - Das ist toll! Aber es passt nicht ... Jedoch, wie anders?


    Natürlich: In erster Linie konnte Puccini die Oper nicht vollenden, weil er vorher starb - so banal ist oft der Weltenlauf. Aber angenommen, er wäre nicht gestorben ... wäre ihm ein glaubwürdigerer Schluss gelungen? Auf youtube gibt es den Berio-Schluss zu sehen, welcher musikalisch vollkommen anders ist. Alles viel weniger Eindrucksvoll, aber vielleicht glaubwürdiger!?


    Übrigens: Die Hamburger Turandot wurde hier im Forum schonmal diskutiert.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Habe mal ein bisschen Bild-Recherche betrieben und tatsächlich scheint mir die Zürcher Inszenierung zumindest von der Konzeption des Bühnenbildes ähnlich angelegt zu sein. Die angesprochenen "Mätzchen" gibt es in Hamburg zwar nicht, aber die geschilderte Champus-Szene bebildert m.E. letztlich auch nur das Grundproblem dieser Oper an sich: Die durch einen Kuss hervorgerufene plötzliche Einsicht(?) Turandots und der musikalisch überwältigende, aber auch plakativ-triumphale Alfano-Schluss suggerieren trotz Lius Tod ein Quasi-Happy-End - Das ist toll! Aber es passt nicht ... Jedoch, wie anders?


    Natürlich: In erster Linie konnte Puccini die Oper nicht vollenden, weil er vorher starb - so banal ist oft der Weltenlauf. Aber angenommen, er wäre nicht gestorben ... wäre ihm ein glaubwürdigerer Schluss gelungen? Auf youtube gibt es den Berio-Schluss zu sehen, welcher musikalisch vollkommen anders ist. Alles viel weniger Eindrucksvoll, aber vielleicht glaubwürdiger!?


    Übrigens: Die Hamburger Turandot wurde hier im Forum schonmal diskutiert.


    Das stimmt natürlich - aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mit dem Berio-Schluss gar nichts anfangen kann. Der Alfano Schluss hat wenigstens den Vorteil, dass Alfano Puccini noch persönlich kannte und deshalb als Zeitgenosse wenigstens stilistisch einen passendes Schluss schrieb - auch wenn v.a. das große Duett deutlich anders klingt, als das,was von Puccini stammt!
    Mich würde sehr interessieren, was du vom orginalen Alfano-Schluss hältst, da ja der gängige Schluss in seiner meist gespielten Form eigntlich von Toscanini stammt, der das Material Alfanos ja teilweise diffus zusammengestrichen hat. Hier dauert alles etwas länger bis zum Kuss, und deshalb ewas glaubwürdiger - andererseits ist der Schlusschor hier noch prunkvoller!
    http://www.youtube.com/watch?v=7Z1EPZ2mlq4
    http://www.youtube.com/watch?v=3M-lvEWlF4A&feature=relmfu

  • Ihre Grenzen hat Cathrine Foster eindeutig in der Walküre überschritten, im zweiten Aufzug blaß, im dritten gut.
    In der Götterdämmerung verhielt es sich andersherum, da war sie im letzten Aufzug ( die Stimme war ausgepowert ) indiskutabel, weil stimmlich so gut wie nicht mehr präsent.
    Offenbar ist es bei ihr weniger eine Frage der Partitur, wann sie ihre Grenzen überschritten hat, sondern des Zeitrahmens.