Nachdem ich 2010 in der Arena di Verona einen musikalisch und szenisch grandiosen Trovatore erlebt habe, versuchte ich gestern erneut mein Glück in der Arena dieser wunderschönen mittelalterlichen Stadt und erlebte einen Abend der musikalisch eine Riesenenttäuschung war. Was der 25-jährige Dirigent Andrea Battistoni da am Pult des Arena-Orchesters zusammenbraute, war einfach nur unwürdig. Leidenschaftslos, spannungsarm und unpräzise ist fast noch eine Untertreibung. Ich fragte mich zeitweise, wie man es fertig bringen kann, eine so farbige und reich instrumentierte Partitur derart farblos und langweilig, ja fast unbeteilgt runterzuspulen. Grobe Wackler in der Rätselszene trugen das ihrige zum negativen Eindruck bei. Aber auch bei den Solisten bestand kein Grund zur Freude. Carlo Ventre als Calaf war eine Schande. Eine heisere, belegte Stimme ohne Höhe und heldnischen Glanz, die mit der Partie völlig überfordert war. Teilweise hatte man den Eindruck, Ventre würde lediglich seinen Part markieren. Gänzlich ohne Eindruck war das Non Piangere Liu, beim (wiederholten!) Nessun Dorma hätte ich mir lieber Paul Potts gewünscht als diesen Sänger. Auch darstellerisch blieb Ventre blass und unbeteiligt. Erst im Alfano-Schluss legte er sich stimmlich etwas ins Zeug - zu spät nach diesem ärgerlichen Abend. Als Liu blieb Amarilli Nizza weitgehend blass. Es gelang ihr nicht annähernd, die herzergreifende Geschichte der unglücklich liebenden Sklavin irgendwie fassbar zu machen. Immerhin sang sie ihre Rolle mehr oder minder solide, um in der Sterbenszene mit ein paar schönen Momenten in Erinnerung zu bleiben. Einzig Giovanna Casolla in der Titelrolle vermittelte soetwas wie darstellerische Größe. Auch stimmlich überzeugte mit ihrem für die Arena etwas zu kleinem, aber schönem Sopran und sicheren Höhen. Durch eine fulminante Rätselszene gelang es zumindest ihr, etwas an Spannung und Leidenschaft zu verbreiten, ein positiver Eindruck der sich Alfano-Schluss fortsetzte. Es ist schon seltsam wenn sich der Kaiser Altoum von Carlo Bosi in seinen kurzen Auftritten mehr Aufmerksamkeit verschafft wie der erste Tenor des Abends. Blass und unbeteiligt auch das Ping-Pang-Pong-Trio von Leonardo Lopes-Linaro, Paolo Antognetti und Saverio Fiore sowie der schwerfällige Timur von Marco Vinco. Der düstere Mandarino von Nicolo Ceriano machte seine Sache dagegen mehr als ordentlich. Der Chor der Arena di Verona sang prächtig, litt jedoch deutlich unter dem grottenschlechten Dirigat.
Kommen wir zum angenehmeren Teil des Abends: Die Inszenierung und das Bühnenbild Franco Zeffirellis, bereits an der Met und Scala erbrobt und auf DVD gebrannt, erwies sich einmal mehr als idealer Rahmen für Puccinis letzte Oper. Der erste Akt spielt vor einer monumentalen, düsteren Palastmauer, die mit phantasievollen furchteinflösenden chinesischen Fabelwesen und v.a. Drachen bemalt ist. Rechts und links davon befinden sich zwei Türme, die eher orientalisch als chinesisch anmuten und vielleicht ein Hinweis auf den persischen Ursprung des Turandot-Stoffes sind. Auf ihnen stehen der Mandarin und die stumme Erscheinung der Turandot im ersten Akt. Zahlreiche Akrobaten und Trickkünstler befinden sich auf der Bühne und liefern ein prächtiges Spektakel im völligen Einklang mit der Musik ab. Der Chor selbst ist hier eine düster gewandete, gesichtslose Masse. Traumhaft und poetisch war der Mondchor mit seinen zahlreichen chinesischen Lampionen und den weiß gekleideten Kindern inszeniert. Man fühlte sich auf eine wunderbare Weise in ein märchenhaft-antikes China versetzt und kann voll die Symbiose aus Musik und vollendeter Bühnenkunst geniessen! Für die Ping-Pang-Pong-Szene wurde vor der bedrohlich wirkenden Palastmauer ein phantasievoll-bunter Pavillon gebaut dessen poetische Farbkomposition wunderbar zur Musik dieser Szene passte. Zur Rätselszene wurde dieser wie von Zauberhand abmontiert, die Wand öffnete sich und man sah einen prächtigen Märchenpalast in herrlichen Farben. Ein wirklich überwältigender Moment, der grossen Szenenapplaus bekam. Die prächtigen bunten Kostüme der Oscarpreisträgerin Emi Wada waren ein Fest für die Augen, wie auch die ganze Rätselszene. Ich wünsche mir solche szenischen Momente öfters zu erleben. Der dritte Akt spielte wieder vor der Palastmauer. Auch hier wurde erneut ein großes Spektakel im völligen Einklang mit der Musik geboten. Lius Sterbenszene war librettogetreu und berührend umgesetzt, zum Schlusschor des Alfano-Schlusses öffnete sich die Palastmauer erneut und zeigte den prächtigen Märchenpalast. Eine wirklich wunderschöne, traumhafte Inszenierung, der die Chance genommen wurde, durch adäquate Sänger voll zur Geltung zu kommen.
Ein italienischer Freund, der mit mir die Vorstellung besuchte, meinte, dass die Arena bei solch populären Stücken wie Turandot oder Aida keinen großen Wert auf gute Sängerbesetzungen legt, da diese populären Titel ohnehin gut verkauft werden, während etwas"unbekanntere" Werke wie der Trovatore, es nötig hätten mit Stars (wie 2010) zu locken. Wie auch immer: Schade! Diese Inszenierung hat wirklich bessere Sänger verdient!