Hamilton Harty - irische Klänge eines Weltdirigenten

  • Liebe Taminos,


    mit dem Titel dieses Threads habe ich mich etwas schwer getan. War er nun eine dirigierender Komponist mit einem Nebenjob als Klavierbegleiter oder etwa ein komponierender Dirigent mit demselben Nebenjob? Ihr seht der Mensch scheint ein Multitalent zu sein. Die Rede ist von


    Sir Hamilton Harty
    (1879-1941)



    Herbert Hamilton Harty wurde am 4. Dezember 1879 im kleinen Ort Hillsborough in Irland geboren. Sein Vater war der Organist der Dorfkirche und so kam Harty schon früh in den Kontakt mit der Musik. Von diesem erhielt seinen ersten Musikunterricht im Klavier- und Violaspiel sowie in Kontrapunkt. Natürlich spielte Harty auch auf der Orgel des Dorfes herum und so folgte er seinem Vater und wurde Organist in verschiedenen Gemeinden. Insbesondere seine Stelle in Bray spielte eine wichtige Rolle in Harty's Leben. Bray lag nur wenige Meilen von Dublin entfernt und so konnte der musikbegeisterte junge Mann zum ersten Mal dort ein Orchester spielen hören - es beeindruckte ihn zutiefst und bald sah man Harty nur noch mit kleinen Zweigen dirigierend durch die Straßen ziehen. Sein Wunsch war geweckt, er will Dirigent werden. Einen Helfer fand er in Michele Esposito, einem in Italien aufgewachsenen, in Irland lebenden Komponist, Pianist und Professor an der Royal Irish Academy of Music. Er, seine große Klavierbegabung anerkennend, riet ihm seinen Weg als Begleiter zu machen. Ein zugegeben guter Ratschlag des heute vergessenen Musikers, denn Harty wurde schnell einer der gefragtesten Begleiter Irlands. Doch begriff er auch, dass nur London ihn zu einer wirklich wichtigen Stellung in Musikleben brachte, weshalb er 1901 in die Britische Hauptstadt zog. Auch hier war er als Begleiter sehr gefragt und bald wollten möglichst alle Sänger mit ihm zusammenarbeiten. Ebenfalls begann er nebenbei zu komponieren, sodass nach einigen unbedeutenden kleinen Werken 1904 Harty's Irish Symphony entstand und bei einem Wettbewerb für eine Irische Komposition den ersten Preis erhielt und vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Harty verwendet bei dem Werk original Irische Themen, die er jedoch gekonnt und äußerst effektvoll mit eigenen Melodien verknüpft und eine herrliche Klangwelt schafft. Dieser Sinfonie verdankt er es auch, dass er erstmals ein Orchester beim Musik-Festival in Dublin dirigieren durfte. Als weitere Werke folgten sein Violinkonzert für Joseph Szigeti, die Tondichtung With the wild Geese, die Ode to a Nightingale sowie die Kantate The mystic trumpeter. Neben seiner Kompositionsarbeit kam er immer mehr zum Dirigieren und bald durfte er Klangkörper wie das London Symphony Orchestra dirigieren. Auch wurde er für Carmen und den Tristan in Covent Garden gebucht, doch Harty resümierte später selbst, dass er für die Oper nicht zu gebrauchen sei. Dennoch waren seine Konzertkritiken gut, sodass sein Weg bald zum Hallé Orchester führte, welches er als fester Dirigent ab 1920 zum führenden Orchester des Landes machte - und mit dazu sich selber zum führenden Dirigenten. Immer mehr Dirigate bestimmten seinen Terminkalender, immer mehr Komponisten erhofften sich mit seinen Konzerten den Durchbruch. Harty wurde u.a. von Elgar hochgeschätzt und als idealer Interpret für seine Werke angesehen. 1932 wurde Harty auch beim LSO verpflichtet, was die Hallé's ihm übelnahmen, weshalb der Vertrag nicht verlängert wurde. 1934 folgte eine Konzerttournee nach Australien, doch Harty's Gesundheit nahm stark ab. Es wurde ein Hirntumor festgestellt, der zwar operiert werde konnte, jedoch die Entfernung eines Auges als Folge hatte. Weitere Konzerttourneen außerhalb Europas folgten - u.a. in die USA, doch Harty merkte, dass er immer schwächer wurde. Noch einmal Griff er zur Feder und komponierte sein letztes großes Werk The children of Lir, nach einer alten Irischen Sage, die scheinbar persönliche Bedeutung für ihn hatte und als sein bestes Werk angesehen wird. Während des Kriegs wurde Harty's Ville fast komplett zerstört, sodass der beliebte Musiker sogar eine Zeit lang fast obdachlos war. Auch kam der Krebs wieder - nach 1940 zeigte sich Harty nicht mehr in der Öffentlichkeit. Er starb am mit 61 Jahren am 19. Februar 1941 in Hove und wurde in seinem geliebten irischen Heimatort Hillborough begraben. Eine Plakette am Geburtshaus erinnert noch heute an seinen berühmten Musiker.




    Hamilton Harty's Bedeutung: Harty war zu seiner Zeit der gefragteste Dirigent Großbritanniens und dirigierte alle wichtigen Klangkörper dieses Landes. Dank zahlreicher Aufnahmen und seinem Ruf als der Berliozexperte war er auch schnell im Ausland bekannt, was zu zahlreichen Konzerttourneen außerhalb Englands führte. Auch machte er aus dem Halléorchester das "beste Orchester Großbritanniens" wie die Zeitungen immer wieder berichteten. Seine Konzerte waren das kulturelle Ereignis des Jahres. Zahlreiche Tonaufnahmen dokumentieren sein Schaffen als Dirigent, Komponist als auch Pianist.
    Als Komponist war er letztendlich nicht ganz so erfolgreich, obgleich seine Kompositionen bei den Proms und anderen Konzerten gespielt wurden - meist aber eben unter seiner eigenen Leitung. In seinen Werken fängt er die Irische Seele wie kein anderer der Irischen Komponisten ein. Am bedeutungsvollsten sind seine Orchesterwerke in denen er Volksweisen mit eigenen Melodien und einer fantastischen Orchestrierung zu Kunstwerken voller Heimatliebe macht, die dich in der Harmonieführung und ihm Rhythmus deutlich zeigt.


    Während seine Kammermusikwerke eher unbedeutend sind, haben seine eigenen Orchesterwerke sowie seine Bearbeitungen ( insbesondere Händel ) großen Reiz und haben alle eine herrliche Melodieführung inne. Dazu später mehr.


    Beste Grüße
    Christian





  • Lieber Christian, das ist ein sehr schöner Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Ich wusste bislang sehr wenig über diesen bedeutenden Mann. Bekannt war mir aber, dass er sich für Berlioz einsetze. Da Du Dich so intensiv mit Harty beschäftigt zu haben scheinst, kannst Du sicher noch einige diskographische Hinweise und Tipps für Aufnahmen aus dem Ärmel schütteln. Was ist aus Deiner Sicht zu empfehlen? Gibt es von Berlioz nur diese einmal bei Pearl erschienen CD mit kurzen Orchesterstücken? Ich habe schon selbst versucht, einiges zu ermitteln. Aber sicher weißt Du noch viel mehr.


    Dank und Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo Rheingold,


    als Dirigent hat Harty selber 49 Platten aufgenommen (u.a. nahe zu fast alle Berlioz-Ouvertüren) - eine beachtliche Anzahl für den Zeitraum von 1924 bis 1935. Als Pianist nahm er acht Platten auf, als Komponist ist es bis 1980 mit 23 Aufnahmen vertreten.Wer sein Werk näher kennenlernen möchte kann dies mit folgender - nicht gerade günstigen - Aufnahme machen.



    In dieser Box enthalten sind alle wichtigen Orchesterwerke, das Klavier- und Violinkonzert sowie die Bearbeitung der Londonerry Air enthalten und in einer guten Interpretation mit Bryden Thomson enthalten. Mein persönliches Lieblingsstück ist die Ode an eine Nachtigall für Sopran und Orchester, welche die menschliche Stimme wirklich hervorrangend in Szene setzt. Auf youtube kann man in das Werk reinhören.
    Die Naxos-Aufnahmen der Harty-Werke kenne ich noch nicht - haben aber beste Bewertungen und werden wahrscheinlich schon aufgrund der Tonqualität besser sein. Ich werde mich mit den Aufnahmen erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland beschäftigen.


    An Werken von Berlioz hat er folgendes aufgenommen: Ouvertüre Beatrice et Benedict, Carneval romain, Ouvertüre Le Corsair, Ungarischer Marsch und Tanz der Sylphen, König Lear Ouvertüre, Trauermarsch aus Hamlet, Romeo et Julia Part II, Les Troyens ( GA? ), Königliche Jagd und Sturm. Inwiefern dies auf der CD enthalten ist, kann ich nicht sagen. Bezüglich Harty's Wirken als Dirigent stehe ich noch ziemlich am Anfang.


    Beste Grüße
    Christian

  • Ich hatte mir vor einigen Monaten ziemlich günstig die linke CD zugelegt und war von der Musik sehr angetan. Ich wollte auch drüber schreiben, habe ich aber wohl vergessen. Kann ich nur empfehlen, wie auch die Symphonie, die schon lange in meiner Sammlung ist. Die 3 CD-Box gibt es übrigens am Marktplatz günstiger.



  • Liebe Taminos,


    eines der wohl populärsten Stücke ist Hamilton Harty's sinfonische Dichtung With the Wild Geese aus dem Jahr 1910. Das Werk ist für ein großes spätromantisches Orchester geschrieben und fordert neben drei Posaunen und Tuba auch die Harfe, die in der irischen Musik fast nicht fehlen darf. Die Uraufführung des Werks, welches Nora O'Connor gewidmet ist, fand beim Cardiff Festival 1910 unter seiner eigenen Stabführung statt.
    Als "Wilden Gänse" (=Wild Geese) bezeichnen die Iren die Vertriebenen, die ihre Schwerter, vor und nach dem Kampf von Aughrim und schließlich dem Vertrag vom Limerick, für die Franzosen erhoben. Beim Kampf von Fontenoy 1745 trugen die Iren mit den Franzosen einen glänzenden Sieg davon und segelten anschließend in ihr geliebtes Heimatland zurück. Das Werk Harty's entstand nach einigen Gedichten aus Emily Lawless' gleichnamiger Gedichtssammlung und gliedert sich in zwei Teile: Vor dem Kampf - Nacht, sowie Nach dem Kampf - frühe Dämmerung - die Küste von Clare.


    Musikalisch schuf Harty ein großartiges Tongemälde, welches seine irische Herkunft mehr als offenbart! Zu Beginn erklinge mächtige Hörnerrufe, bevor das Hauptthema rasch vorgestellt wird - ein stark rhythmisiertes, doch militärisch anmutendes Thema mit irischem Charakter. Harty steigert die Musik immer weiter, man hört förmlich, wie die Soldaten für den bevorstehenden Kampf üben! Nach einem mächtigen Paukensolo beginnt ein ruhiger Mittelteil, die Nacht vor dem Kampf, der mit Harfenklängen doch ein wenig an das berühmte Greensleaves - obgleich in Dur - erinnert. Dann wird jedoch in der Ferne zum Appell geblasen und der Kampf beginnt. Unverkennbar wird die Stimmung jedoch immer positiver bis eine Trompetenfanfare den Sieg verkündet. Es klingt wieder ab und wellenartige Streicherbewegungen in den erstaunlichsten Harmonien steigen sich bis zu einem triumphalen Ausbruch - die Küste des geliebten Heimatlandes ist in Sichtweite!


    Soviel zur Musik - drei Aufnahmen dieses Werkes liegen mir vor, einige weitere kommen wohl demnächst dazu.
    1. Hamilton Harty - Hallé Orchestra - 15.34
    2. Prionnsías O'Duinn - National Symphony Orchestra of Ireland - 18.09
    3. Bryden Thomson - Ulster Orchestra - 20.12


    Gerade heute kam die Aufnahme mit Hamilton Harty und seinem berühmten Hallé Orchestra, welches er zu dem wohl besten Orchester seiner Zeit machte, an. Am 26. März 1926 eingespielt, überrascht die arg verrauschte Veröffentlichung auf CD doch durch ein bereits sehr gut eingefangenes orchestrales Klangbild, welches jede Stimme - sogar das Schlagwerk - gut eingefangen hat. Auch hört man die fantastische Qualität des Hallé Orchesters heraus - fehlerfreies strahlendes Blech, tolle Holzbläser Soli und eine hervorragende Technik! Die brauch das Orchester auch, denn Harty wählt wahrlich schnelle Tempi für sein eigenes Werk und drängt an einigen Stellen voran, an denen es die anderen beiden Dirigenten nicht machen. Dennoch wirkt kein Teil übereilt - er weiß auch an den richtigen Stellen (beispielsweise beim letzten triumphalen Höhepunkt bei der Landerkennung) das Tempo zurückzunehmen und der Musik ihren Fluss zu überlassen. Für mich eine sehr interessante Erfahrung, zumal Harty mit dem Orchester rhythmisch so homogen ist, wie man es selten hört.


    Die neueste Aufnahme der Wilden Gänse entstand im April 1996 mit Prionnsías O'Duinn und dem National Symphony Orchestra of Ireland. Neben einer hervorragenden Tonqualität, ist auch die Interpretation hervorragend. Zwar wählt er nicht überall die schnellen Tempi von Harty und nimmt gerade den Mittelteil sowie den Anfang einiges breiter, so gelingen ihm sehr passenden Tempi und ein gut geführter Spannungsbogen. Besonders hervorzuheben ist der letzte Teil der Dichtung, bei der man hier die tiefen des Meeres förmlich vor sich sieht bevor er eine wirklich hervorragende Klimax zum Höhepunkt schafft. Leider ist der finale Orchesterakkord missraten - sehr schade für diese ansonsten mustergültige Aufnahme.


    Auch die Aufnahme von Bryden Thomseon und dem Ulster Orchestra ist gut, allerdings ist die Tonqualität nicht so hervorragend wie bei der Naxos-Aufnahme. Thomson nimmt das ganze Werk sehr breit und benötigt fast fünf Minuten mehr als der Komponist. Während dies im idyllischen Mittelteil sehr gut passt, ist doch der Kampf etwas lahm geworden und der Spannungsbogen hängt, obgleich das Gesamtklangbild mächtiger bzw. schwerer wirkt als bei den vorherigen. Meine Empfehlung ist die Nr. 2!


    Beste Grüße
    Christian


  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Hamilton Harty's Violinkonzert entstand 1908 und ist dem Geiger Joseph Szigeti gewidmet, der zu dem Zeitpunkt 16 (!) Jahre alt war und den eine wohl lebenslange Freundschaft mit Harty verband. Von beiden gibt es eine Einspielung des Brahms' Konzert von 1928. Eine Einspielung beider des Harty Konzerts scheint es nicht zu geben. Während in der Orchestermusik von Harty der irische Einfluss oft nicht zu überhören ist, liegt das Violinkonzert ganz auf der deutsch-östereichischen Linie mit Bruch, Brahms und Dvorak als "Ziehväter". "A lush romantic concerto" würde der amerikanische Kritiker das bezeichnen. Die übliche Satzaufteilung mit einem hinreissenden zweiten Satz, der einen wundern lässt, wieso das Konzert noch kein Geiger für sich entdeckt hat. Außer der vorliegenden von Ralph Holmes finde ich nämlich keine Einspielung. Dem Werk fehlt es vielleicht ein wenig an Tiefgang, aber dafür verzaubert es mit klanglichem Schmelz. Müsste eigentlich ein Crowdpleaser sein. Meine Aufnahme befindet sich auf einer Chandos LP von 1979, das war das Gründungsjahr des Labels und die Aufnahme wurde noch analog auf einer Studer Tonbandmaschine gemacht. Lang ist's her.


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  • Heute habe mit ein kürzeres Stück aus der hier abgebildeten CD ausgersucht, nämlich die rhapsodische Fantasie "In Ireland", ein IMO durchwegs eingängiges Werk von etwa 8 Minuten Spieldauer. Es wurde 1918 komponiert, und zwar für Flöte und Klavier. Es sollten zwei spielende Wandermusikanten dargestellt werden, die in einer Staße in Dublin in der Dämmerung aufspielten. Das Werk wurde 1935 von Harty revidiert, es wurde eine Harfe und ein Orchester hinzugefügt-


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !