Lukas Foss, komponierender Dirigent


  • Lukas Foss, geboren am 15. August 1922 als Lukas Fuchs in Berlin, gestorben am 1. Februar 2009 in New York City, war ein US-amerikanischer Dirigent und Komponist deutscher Herkunft.


    Schon früh wurde er als Wunderkind wahrgenommen. 1933 musste Foss (damals noch Fuchs) mit seiner Familie aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus Deutschland emigrieren. Eine erste musikalische Ausbildung erfolgte in Paris, bevor er in den USA zwischen 1937 und 1940 am Curtis Institute of Music in Philadelphia und am Boston University Tanglewood Institute unter Sergei Kussewitzi sowie an der Yale University unter Paul Hindemith studierte. Seit 1944 fungierte er als Pianist des Boston Symphony Orchestra. Von 1950 bis 1952 vollendete er seine Studien in Rom.


    In den Jahren 1952 bis 1962 amtierte er als Professor und Orchesterleiter an der University of California in Los Angeles. Anschließend nahm er verschiedene Chefdirigentenpositionen ein:


    Buffalo Philharmonic Orchestra (1963—1971)
    Brooklyn Philharmonic Orchestra (1971—1990)
    Milwaukee Symphony Orchestra (1981—1986)



    Lukas Foss (r.) und Leonard Bernstein


    Zudem war er 1972/73 Composer in Residence an der Manhattan School of Music in New York, wirkte 1989/90 am Tanglewood Music Center und wurde 1991 zum Professor an der School of the Arts der Boston University berufen.


    1963 wurde Lukas Foss Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.


    Er machte sich zudem als Komponist einen Namen. Unter seinen Werken befinden sich drei Opern, drei Ballette, vier Symphonien, zwei Klavierkonzerte, jeweils ein Konzert für Oboe, Cello und Klarinette, kammermusikalische Werke, Kantaten und Lieder.



    Lukas Foss und Leonard Bernstein


    Foss war ein enger Freund von Leonard Bernstein, mit dem er lebenslang verbunden blieb. Bernstein beschrieb Foss als ein "authentisches Genie" und dirigierte zahlreiche seiner Werke. Seit 1951 war Foss mit Cornelia Brendel, einer deutschen Künstlerin aus Berlin, verheiratet. Seine Frau hatte zwischen 1968 und 1972 eine von ihm gedulete Affäre mit dem Pianisten Glenn Gould, welche sie "eine perfekte Dreierbeziehung" nannte. Er hinterließ zwei Kinder.


    Lukas Foss litt in seinen späten Jahren unter den Folgen von Parkinson und starb am 1. Februar 2009 in seiner Wohnung in Manhattan im Alter von 86 Jahren.




    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lukas Foss muss ein ganz aussergewöhnlicher Dirigent gewesen sein, der die Werke, die er dirigiert lebt und sehr tief in die Materie eindringt ...


    Die 2. von Josef abgebildete CD AMERICANA mit Werken von Bernstein, Gould, Copland und Siegmeister, sowei die abbildete CD mit Werken von Bernstein, Barber, Copland und Schuman machen dies einmal mehr deutlich. Das ist ungleich besser und grösser empfunden, als ich das in allen anderen Aufnahmen dieser Werke je gehört habe. Er macht die Werke für den Hörer zu einem Erlebnis.
    Sein Freund und Lehrmeister Leonard Bernstein hat deutlich die positivsten Einflüsse gehabt !


    -->
    PRO ARTE, MCMLXXXIV, DDD


    :angel: Barbers Adagio habe ich selbst mit Bernstein oder Ormandy nicht so eindringlich gehört, wie hier unter Lukas Foss :hail:


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    Die andere Seite ist Lukas Foss als Komponist .... ?(
    Ich hatte, ja hatte die Bernstein-CD mit einigen Kurzwerken von Foss (SONY):



    SONY; ADD


    :( Kurz: Damit konnte ich gar nichts anfangen - selten so etwas "uneingängiges" gehört, wie das ! Hat mir total missfallen ! Dann auch noch teils mit Gesang, da war bei mir sowieso der Ofen aus :thumbdown:


    In die Sinfonien würde ich aber dennoch mal reinhören wollen ... könnte ja was anderes sein, als diese Sony-CD.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die dritte Seite des Lukas Foss, wäre die als Pianist.


    In Bernsteins Sinfonie Nr.2 "The Age of Anxiety" für Klavier und Orchester übernimmt Lukas Foss in zwei massstabsetzenden Aufnahmen aus 1956 und 08/1977 auf SONY und DG den Klavierpart:



    SONY, 1956, ADD



    DG, 1977, ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Da ich z.Zt. einen Streaming Zugang beim Werbepartner austeste, kann ich die Symphonien von Lukas Foss probehören. Leider finde ich keine Angaben zur Entstehungszeit der 1. Symphonie, die 2. entstand Mitte der 1950er Jahre, also dürfte die erste davor entstanden sein. Ich würde das gut halbstündige Werk als amerikanische Pastoralsymphonie bezeichnen, viel amerikanischer kann ein Werk jedenfalls kaum klingen. Stilistisch bewegt es sich in dem Bereich, den auch Copland, Piston und Schuman Mitte des letzten Jahrhunderts herum abgesteckt haben. Also in keinster Weise experimentell. Es zeigt, dass Foss zum einen die symphonische Tradition seines Landes komplett internalisiert hat, aber durchaus eigene attraktive Akzente zu setzen weiss, vor allem rhythmischer Art. Dieses Werk zumindest wäre sicher repertoiretauglich. Das BMOP wird von Gil Rose geleitet, an Interpretation und Klangqualität gibt es nichts auszusetzen. Wirklich schade, dass man Lukas Foss nie die Gelegenheit oder die Motivation gegeben hat, seine Symphonien selbst einzuspielen.

  • Die 2. Symphonie entstand wie erwähnt Mitte der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, die Tonsprache von Lukas Foss hat sich deutlich "weiterentwickelt". (Ich setze den Begriff in Zukunft in Ausrufezeichen, da ich bei der Hinwendung zu Atonalität etc eigentlich nicht mehr von einer Weiterentwicklung sprechen mag, eher von einer Fehlentwicklung :untertauch: ).
    Zurück zur 2. Symphonie, das Werk steht von der Modernität vielleicht auf vergleichbarer Höhe wie Lutoslawskis gleichzeitig entstandenes Konzert für Orchester. Die eröffnende rhythmisch extrem vertrackte (Stravinsky lässt grüssen) Toccata ist jedenfalls fürs Orchester ein Parforceritt. Ein amerikanischer Rezensent kritisiert das langsame Tempo, das Gil Rose hier einschlägt. Verglichen mit der auf youtube eingestellten Aufnahme unter dem Komponisten mit dem BSO, die LEIDER noch monophon ist, ist das tatsächlich ganz offenkundig. Schade, da hätte man sich doch an die Vorgaben des Komponisten halten sollen, das hätte diesen sehr hörenswerten Satz noch "more exciting" gemacht. Der zweite langsame Satz kommt mysterioso herüber. Das Scherzo Allegretto tranquillo finde ich ein wenig lahm und studiert, aber vielleicht bräuchte auch das ein fixeres Tempo. Der letzte Satz geht dann wieder stravinskynah in die Vollen, aber auch mit gezügeltem Tempo, schade. Das ginge alles viel brillianter und schwungvoller. Vielleicht hätte man hier doch das andere Bostoner Orchester gebraucht. Oder einen anderen Dirigenten.
    Insgesamt sicher ein Fortschritt in der Entwicklung des Komponisten und eine der interessantesten Symphonien, die um diese Zeit in Amerika entstanden. Vielleicht traut sich ja Naxos mit JoAnn Falletta noch einmal an dieses Werk in Kombination mit der ersten Symphonie heran.


  • Also, seien wir ehrlich, Foss war vor allem einmal Komponist, nicht Dirigent. Ein Professor von mir bezeichnete ihn als "Bernstein Nr.25" - ich fragte: "Wer ist Bernstein 2-24?" - "Bernstein 1 ist selbstverständlich Bernstein selbst. Dann kommt lange niemand bis Bernstein Nr. 24. Und dann kommt Bernstein Nr. 25. Das ist Lukas Foss. Vielleicht auch Nr.26..."


    Foss, der seinen Namen Fuchs änderte, um nicht in amerikanischer Aussprache wie ein Schimpfwort zu heißen, war, wie Bernstein, ein dreifacher Musiker: Komponist, Pianist, Dirigent. Aber - jetzt kommt's... Als Dirigent... Irgendwann gastierte er in Wien mit einem seiner Orchester, ich glaube, es war Brooklyn, aber sicher bin ich mir nicht mehr, und führte Brahms' Zweite Symphonie auf. Und das in einer dermaßen extremen Lautstärke, daß wir uns im Publikum nur noch verwundert anblickten. Den Schluß-Paukenwirbel ließ er von zwei Musikern spielen. Die Tempi waren völlig willkürlich. Es war grotesk.
    Bernstein übertrug ihm ihm den Klavierpart seiner Zweiten Symphonie, ich denke, es war ein Akt der Freundschaft. Das ist sauber gespielt, aber auch nicht mehr.
    Foss als Komponist? Es gibt zwei recht hübsche Opern von ihm: "The Jumping Frog of Calaveras County" (1949) und "Griffelkin" (1955), beide in Foss' tonaler Periode geschrieben, leicht amerikanisierter Hindemith, aber insgesamt flott und nicht übel. Seine dritte Oper, "Introductions and Good-Byes" (mit einem Text von Gian-Carlo Menotti) kann man hier in einer Aufführung unter Bernstein hören.


    Foss hatte sich da schon der Zwölftontechnik zugewandt, die er mit aller Sprödigkeit handhabte. Das ist im Grunde sehr amerikanisch: Es gibt die Richtung eines publikumsfreundlichen Stils und die einer experimentellen Haltung, welche Technik dabei angewendet wird, ist gleichgültig, den Unterschied machte, anders als in Zentraleuropa, nicht das Kompositionssystem, sondern wie es klingt. So erklären sich etwa auch Bernsteins und Coplands Ausflüge in die Zwölftontechnik.
    Foss, um zu ihm zurückzukommen, schreibt also einige zwölftönige Sprödigkeiten, ehe er dann ins aleatorische Fahrwasser John Cages umnavigiert, ein bisschen was in Richtung Happening / Performance macht, dann wieder kontrollierter arbeitet. Fast immer ist das Ergebnis aber Krampf: Man vergleiche etwa die Bach-Variationen von Paul Dessau mit den Baroque Variations von Foss: Beide Werke versuchen, aus einer modernen Haltung vor dem Hintergrund der Zwölftontechnik heraus mit barocken Motiven zu spielen. Bei Dessau ist das Ergebnis ein brillantes Spiel mit Zitaten, Collagen, Fragmentierungen und aufgeplusterten Übertreibungen, Foss sieht sich die Partikel wie unter dem Mikroskop an, seziert sie, aber es entsteht dadurch weder etwas Neues, noch etwas Anregendes. Die behandelten Komponisten triumphieren über ihren Bearbeiter an allen Stellen, an denen er sie zu Wort kommen lässt.
    "Geod" ist dann eine Klangtapisserie, die wie schwacher Morton Feldman klingt und abermals Improvisation miteinbezieht.
    Die späten Werke sind dann polystilistisch, allerdings nicht in der Art Schnittkes, bei dem die Stilebenen einander beleuchten und kommentieren (und eigentlich es unmöglich machen, die Position des Komponisten zu erkennen, der eher verharrt wie ein allwissender Erzähler in der Literatur), sondern es öffnen sich in einer eindeutig modernen Umgebung quasi Fenster in die Vergangenheit - so, wie das auch George Rochberg machte.
    Fällt was auf? - Ja, tatsächlich: Man kann bei Foss stets die Vorbilder nennen, denen er folgt. Das ist jetzt nichts gar so Schlechtes, bloß eine eigene Sprache findet er nicht, er spricht mehr oder minder gut die Sprachen anderer. Nichts desto weniger ist er ein fabelhafter Techniker, der genau um den spezifischen Klang eines Instruments bzw. einer Instrumentalkombination weiß. Ein Könner ohne Genie, wenn man's boshaft formulieren will. Andererseits: Wer ist schon ein Genie...?

    ...


  • Diese CD vereinigt beide Seiten von Lukas Foss: um es mit Teleton zu sagen, die genießbare und die ungenießbare.


    Sehr genießbar ist das 20-minütige Renaissance Concerto für Flöte und Orchester, das Lukas Foss 1986 für Carol Wincenc komponiert hat, die es hier auch spielt. Ein Stück im Stile der neoklassizistischen Werke von Stravinsky, das nicht moderner wird als Hindemiths Weber-Variationen. Alle vier Sätze gefallen mir gut (und ich bin keine großer Fan der Flöte als Soloinstrument) und im letzten Satz höre ich sogar Anklänge an das Spiel von Ian Anderson, den Frontmann von Jethro Tull.
    Unproblematisch auch die Salomon Rossi Suite, die Musik des Komponisten aus Mantua (1570-1630) für moderne Instrumente transponiert. Eingängig und nett.
    Dann ist aber Schluß mit lustig, schon drei Takte des Doppelviolinkonzertes "Orpheus und Euridice" genügen, um klar zu machen, dass wir hier in einer völlig anderen Welt angekommen sind. Und auch das Spiel von Yehudi Menuhin hat nicht verhindern können, dass ich nach der Hälfte der 21:31 den Player gestoppt habe.