Judith Hellwig wurde am 19.8.1906 in Neusohl in Österreich/Ungarn, heute Banska Bystrica in der Slowakei geboren.
Hier möchte ich ihr ein besonderes Denkmal setzen: nämlich einer Künstlerin, deren Liebe zum Genre Oper durch drei Jahrzehnte unserem Haus verbunden war - und nicht nur in großen, sondern vielmehr auch in mittleren und kleinen Partien.
Bis zu ihrem Ableben lebte sie am Stadtrand von Wien, im 19. Bezirk, zum Schluss zurückgezogen in einer versteckten, aber ungemein persönlichen Villa.
Im Gespräch mit ihr ist mir ein Satz ganz besonders in Erinnerung geblieben, der wohl für jeden Menschen, der sich, ich welcher Form auch immer, mit der Kunst beschäftigt, zielführend sein:
"Ich kann mir ein Leben ohne Musik und eben ohne Oper nicht vorstellen!"
Und bei wenigen Sängerinnen ihres Faches hat man während der ganzen Karriere immer das Gefühl gehabt, dass dieses Leitmotiv in jeder ihrer unzähligen Partien zutiefst verwurzelt war.
Nachdem sie an der Wiener Akademie studiert hatte und im Ausland (Zürich, Buenos Aires) ihre ersten Erfolge errang, wurde sie 1946 vom damaligen Volksoperndirektor Juch engagiert - ihre Antrittsrolle war eine der berührendsten Puccinigestalten: Madame Butterfly.
Und so wurde sie nach dem 2. Weltkrieg zunächst eine der vielen Alternativbesetzungen für große und größte Rollen Pamina und Erste Dame in der "Zauberflöte", Senta im "Holländer", Evchen in den "Meistersingern" und die Elsa im "Lohengrin" sollten da an erster Stelle genannt werden.
Es war, und das kann man heute mit Abstand zur Historie ruhig feststellen, eine der vielen "stillen" Karrieren - ohne Skandale, ohne Krisen und ohne Allüren, stets getragen von einer pflichtgetreuen, ja man möchte sagen, inneren Demut, diesem Haus in seinem Ensemble anzugehören.
Und so wurde die Hellwig für uns zu einem liebenswerten "Inventar", das auch in späteren Jahren, wo ihre Charakterisierungskunst in den kleineren Partien zum Ausdruck brachte, zu einem Symbol der unverwechselbaren Treue - und deshalb kann ich im Namen von vielen Opernfans sagen, dass sie uns in noch so kleinen Rollen ans Herz gewachsen ist.
Eine dieser Partien wurde für sei auch international ein fast unglaublicher Traumerfolg: die Jungfer Marianne Leitmetzerin im "Rosenkavalier". Diese stimmlich äüßerst anspruchsvolle und undankbare Partei sang Judith Hellwig auch unter Karajan bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele und in dessen Filmproduktion;
Jungfer Marianne Leitmetzerin.
und bis zum heutigen Tag kann man sowohl die stimmliche Exaktheit, aber vor allem das altjungferlich betuliche Spiel - sei es im Verein mit dem neu geadelten Herrn von Fanninal, sei es mit dem erbschleicherisch protzenden Ochs, sei es als Anstandsdame zur aufblühenden Sophie - nicht vergessen.
Ich glaube, es gibt im ganzen Hausensemlbe jeine zweites Beispiel, dass man aus so einer "2. Partie" einen solchen Erfolg haben kann. Und so war es auch nicht verwunderlcih, dass ihre Karriere in Wien 1976 mit der Leitmetzerin zu Ende ging.
Auch hier schon: Jungfer Leitzmetzerin.
Man kann wohl sagen, dass sie zu einer der diszipliniertesten, liebenswerten, aber vor allem treuesten Sängerinnen unser Opernvergangenheit mit der ich beisammen war.
Es gehört unheimlich viel Idealismus dazu, nach einer großen Karriere jahrelang diese Opferbereitschaft in Chargenrollen heineinzutragen; dass sie es getan hat - das ist der Dank, die Anerkennung, die Verehrung und die Bewunderung den ich hier ausdrucken wollte.
Kammersängerin Judith Hellwig starb am 25.1.1993 in Wien.