Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 61 D-Dur

  • Joseph Haydn: Symphonie D-dur Hob. I:61, Huss 69


    Komponiert wurde diese Symphonie im Jahre 1776 in der Besetzung Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, Streicher und Pauken. Die Satzbezeichnungen lauten:
    1. Vivace
    2. Adagio
    3. Menuetto. Allegretto
    4. Prestissimo


    Der erste Satz beginnt mit einem Paukenschlag, auf den dann leise in den Streichern das Hauptthema folgt. Nach einem weiteren Paukenschlag wird das Thema nochmals leise vorgestellt (um einige Bläser erweitert), um dann nach einem dritten Paukenschlag tutti und forte zu erklingen. Nach dem prächtigen Hauptthema kommt bei 1:09 (Zeiten: Fischer) eine überraschend andersartiges zweites Thema, das holzbläserdominiert eine ruhevolle, frohe Stimmung verbreitet. Nach einer ausführlichen, klangprächtigen Schlußgruppe setzt die Durchführung mit einer solistischen Flötenpassage ein. Danach gerät der musikalische Fluß zunächst immer mehr Stocken (bei parallelem decrescendo), bis plötzlich fortissimo das Thema in Moll erklingt. Nach einer Überleitungspassage setzt bei 3:39 die Reprise ein, und zwar nicht leise und zögerlich, wie die Exposition begonnen hatte, sondern sofort im ganzen Orchester. Der Satz endet mit einer kurzen, knalligen Coda.
    Interessanterweise läßt Adam Fischer (Österreichisch-Ungarische Haydnphilharmonie; Brilliant Classics) keine Wiederholung spielen, nicht mal in der Exposition. Diese wird bei Antal Dorati (Philharmonia Hungarica; Decca) wiederholt, wie es wahrscheinlich auch von Haydn vorgesehen ist. Beide Interpretationen gefallen mir gut, wobei Dorati mit dem etwas flotteren Tempo eher im Sinne der Vivace-Tempoangabe dirigiert.


    Die Struktur des Adagio wurde mir leider nicht wirklich klar. Aufgrund des durchführungsartigen Mittelteils (3:04 bis 4:24) tippe ich aber auf eine Art Sonatenform. Oder ist es doch nur Liedform oder eine freie Form? Der Satz ist meist schlicht und leise. Vor dem Streicherteppich bieten die Bläser einige klanglich schöne Passagen. Durch einige Zäsuren und die relative Kontrastarmut wirkt der Satz getragen.
    Fischer und Dorati wählen das gleiche Tempo, allerdings klingt der Satz bei Dorati etwas lieblicher als bei Fischer. Die Bläser kommen bei Fischer mehr zur Geltung und verschwinden bei Dorati zu sehr hinter den Streichern.


    Das Menuett bietet durchaus großen Orchesterklang mit pompösen Tutti-Passagen, aber auch reizvollen Details wie z.B. der Oboen-Phrase, auf die von den Hörnern geantwortet wird. Das schlichte Trio wird von der Melodie der Oboe getragen.
    Fischer weiß die klanglichen Effekte besser herauszustreichen und sowohl Ausdruck als auch Tempo besser zu treffen. Dorati verschleppt das Tempo arg, und der Satz gerät so an die Langeweile-Grenze. Ob das Absicht ist, um einen großen Kontrasteffekt zum Finale zu erzielen, sei dahingestellt. Das rechtfertigt solche Behäbigkeit IMO nicht.


    Das abschließende Prestissimo ist ein munteres Rondo, dessen Hauptthema von kecken Einwürfen der Oboe einen humoristischen Anstrich erhält. Das erste Couplet ist vehement-dramatisch, auch das zweite ist gewichtig und erinnert mich an Finalthemen späterer Symphonien (der Pariser z.B.), ohne daß ich ein explizit ähnliches Symphonie-Finale ausmachen konnte. Eine kurze, energische Coda beschließt das Werk nach dem dritten A-Teil. Insgesamt erinnert das Finale auch an Haydns „Jagd“-Rondos.
    Der Prestissimo-Charakter geht Fischer allerdings ab. Dorati ist da wesentlich schneller unterwegs (3:17 vs. 3:51) und scheint an die Grenzen des Spielbaren vorzustoßen. Der Satz hat so einen mehr vorüberhuschenden Charakter, aber der Eindruck eines echten Prestissimo ist ein großes Plus für Dorati.


    Pius

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Diese Sinfonie Nr 61 ist rgendwie ein weiteres Stiefkind in Haydns symphonischem Schaffen.

    Es ist ja aschon bezeichnend, daß sich über 13 Jahre niemand nach dem Eröffnungsbeitrag zu Wort gemeldet hat.

    Obwohl ich meine gar nicht so kleine Haydn Symmlung um gut 15 CDs aufgestockt habe, befindet sich nur eine einzige Version dieser Sinfonie in meiner Sammlung, nämlich jene unter Dennis Russell Davies (Wieder mal) . Generell gibt es diese Sinfonie derzeit scheinbar nur in der Naxos Version und der Gesamtaufnahme unter Adam Fischer (Österreichisch- ungarische -Haydnphilharmonie) Selbst die Version unter Thomas Fey ist derzeit gestrichen - und das bei einem noch nicht mal fertiggestellten Projekt !!!

    Es ist halt leider so, dass vorzugsweise immer wieder die selben Sinfonien augenommen werden, nämlich jene, die auch Krethi und Plethi kennen - und die hohe Verkaufszahlen versprechen,

    Über das Werk selbst hat Johannes Roehl bereits geschrieben was zu schreiben war.

    Vielleicht noch die Einordnung in der Russell Davies Box. Dort wird sie den "Sinfonien zur Unterhaltung" zugeordnet. Kein Wunder, daß sie negiert wird, denn heute muß alles mit Problemen oder Häßlichkeitin Verbindung stehen um akzeptiert zu werden.

    Genug davon: Üblicherweise ist es bei vielen Haydn Sinfonien der Finalsatz, der aus meiner Sicht die Krönung darstellt, die Öffnung zum Schönen, gewissermaßen.

    Hier war es aber bereits der 3. Satz, das Menuetto, welches mich begeistert hat. Dem folgt dann das Prestissiomo, das ihm an Wirkung kaum, bzw nicht, nachsteht...

    Was will man mehr ?

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich dachte, ich hätte zu diesem Werk schon mal etwas geschrieben. Vermutlich tat ich das, aber nicht in diesem speziellen Thread. Die Symphonie Nr. 61 gehört zu den interessanteren von Haydn. Ihr Problem ist vermutlich, dass sie von noch etwas brillanteren späteren Werken überstrahlt wird. Es gibt relativ wenige Einzelaufnahmen außerhalb (begonnener) Gesamtzyklen. Eine Ausnahme ist die Einspielung von Kurt Masur mit Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, eine Eterna-Produktion von 1967 aus der DDR. Eine großsymphonische Interpretation, wie sie heutzutage kein Mensch mehr aufführen würde. Genau das ist aber das große Plus für mich, rückt sie diese 61ste doch bereits in die Nähe der Pariser Symphonien, die etwa ein Jahrzehnt später entstanden sind. Trotz der fehlenden Trompeten strahlt sie eine Festlichkeit aus (Pauken) und etwas Jagdcharakter (Hörner).



    Die Original-LP sah übrigens so aus:


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Man fragt sich, wie man darauf gekommen ist, 61 ausgerechnet mit der frühen #5 zu koppeln? War da eine GA oder eine größeres Projekt bei Eterna geplant, aus dem dann nichts wurde, oder eine persönliche Vorliebe Masurs?


    Hogwood hat 61 in Folge 9 (leider nicht günstig gebraucht)




    Eine weitere Einzel-Aufnahme gibt es aus den späten 60ern oder frühen 70ern mit Guschlbauer


    und erstaunlicherweise noch eine mit 103 und dem 2. Cellokonzert


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Diese Sinfonie ist meiner Meinung nach ein Meisterwerk der Orchestrierung. Haydn verwendet hier einen für die Zeit relativ großen Klangkörper (1 Flöte, 2 Oboen, 2 Hörner, 2 unabhängig notierte Fagotte, Pauken und Streicher) und setzt die Instrumente in diesem Werk sehr überzeugend ein.


    Allein im ersten Satz wird das Hauptthema in sich immer ändernden Instrumentierungen präsentiert, so dass man das Thema (wenn man alle Wiederholungen auslässt) nie gleich orchestriert hört. Auch das zweite Thema wird zuerst von Flöte und begleitenden Bläsern (mit Pizzicato Tupfern der Streicher) vorgetragen, beim zweiten mal übernehmen dann die Streicher. Das alles trägt zur einer Klangfarbe bei, die für diese Zeit wahrscheinlich eher ungewöhnlich war.


    Auch im zweiten Satz spielen die Bläser (jedoch nicht die Pauke, sie schweigt in diesem Satz) eine tragende Rolle. Das passiert gleich nach Beginn des Satzes. Nachdem das Hauptthema von den Celli und Violinen in einer Art Frage und Antwort Spiel präsentiert wurde, übernehmen die Blasinstrumente allein in einer wunderschönen Passage die Führung, bis die Violinen die Musik dann weiterführen. Auch wird das etwas schwermütige zweite Thema von den Bläsern unterstrichen, was zur elegischen Stimmung des Satzes beiträgt.


    Das Menuett hat einen rustikal-pompösen Charakter, was in den oben schon erwähnten Passagen mit Oboen, Hörnern und Pauken nochmals hervorgehoben wird.


    Im Finale sind die Bläser nicht ganz so präsent wie in den drei vorigen Sätzen, sind aber noch immer „dabei“ und tragen in manchen Details zur heiteren Stimmung bei. Die kecken Einwürfe der Oboen wurden oben schon erwähnt und auch Flöte, Hörner, Fagotte und Pauken musizieren hier munter mit.


    Diese Sinfonie und Werke wie die Sinfonien 54, 56, 67, 68, 70 & 80 haben alle das Pech in der „Zwischengruppe“ (zwischen Sturm & Drang und Parisersinfonien) zu sein, die selbst von bekennenden Haydnliebhabern eher abwertend gesehen wird.

    Auch haben diese Sinfonien nicht das Glück niedliche Spitznamen wie „Schulmeister“ oder „Roxolane“ zu haben, was mit ein Grund für ihre relative Unbekanntheit sein mag. Dabei sind sie großartige und tolle Werke, die keinen Vergleich zu andern Sinfonien scheuen müssen. Reinhören lohnt sich hier auf jeden Fall.:)


    LG aus Wien:hello:

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