Frankensteins Kinder - THE ROCKY HORROR SHOW

  • Um mal wieder etwas Leben in dieses leicht vor sich hin dämmernde Forum zu bringen, habe ich diesen Artikel aus dem Lösungsthread von Ein Olympisches Rätsel auskopiert und aktualisiert.


    Es würde mich freuen, wenn das dazu führen könnte, dass dieses Erfolgswerk hier ein weiteres Echo findet.


    Die meisten werden dieses 1973 im Londoner West End herausgebrachte Musical von Richard O'Brien aus der kongenialen Filmversion THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW von Jim Sharman mit Tim Curry, Susan Sarandon und Barry Bostwick kennen, die bekanntlich ein ganz besonders kultisches Eigenleben entwickelt hat. Nach anfänglich zögernden Reaktionen mündete es in eine Art interaktivem Kinoerlebnis, bei dem das Publikum die Leinwandcharaktere mit ihren wohlbekannten Dialogen konfrontierte, Reis, Popcorn und andere Dinge durch's Kino warf und allgemein Party feierte. Dieser höchst ungewöhnliche Erfolg hat übrigens meinen damaligen Coproduzenten und mich dazu gebracht, Barry Bostwick und Tim Curry in den beiden ersten Teilen unserer ebenfalls sehr schrägen Science Fiction TV-Serie LEXX-THE DARK ZONE zu besetzen.


    Vorbild dieses schrägen Werkes war natürlich das klassische Monster Frankensteins, der genialen Schöpfung Mary Shelley, die nachhaltiger als je zuvor oder danach die Hybris des Menschen thematisierte, der sich zum Schöpfer des Lebens, also eines selbst hergestellten Abbild Gottes aufwirft, dem er gleichkommen will. Es gibt auch ein weitaus geradlinigeres FRANKENSTEIN-Musical von Reinhardt Friese, das aber letztlich der Hybris des Themas nicht gerecht wird und sich auf eine ziemlich oberflächliche, wenn auch kaum weniger plakative Vertonung des Stoffes beschränkt.


    Diese sehr schräge Variante des Mythos lässt ihren Frankenstein, der hier Frank'n'furter' genannt wird, vor allem das erotische Potenzial seiner Schöpfung ausloten. Sein Geschöpf "Rpcky Horror" soll also vor allem besonders attraktiv wirken, und zwar auf Frauen wie auf Männer, denn Frank'n'furter ist ein bisexueller Transvestit. Das funktioniert auch, unter anderem bei der Heldin des Stückes, deren Name Janet Weiss in der englischen Originalfassung nicht von ungefähr an "vice", das englische Wort für Laster, erinnert. Überhaupt wimmeln Libretto und Songtexte von englischen Wortspielen, die in der deutschen Fassung zwangsläufig verkrampft wirken. Wer also irgend kann, sollte sich den Film in der Originalfassung ansehen. Bei einer Theateraufführung bei uns ist das ja leider nicht möglich.


    Die restliche Inhaltsangabe ist leicht im Net nachzuschlagen, und viele werden das Stück auch kennen, also verzichte ich hier darauf. Die etwas platte und wenig variable Rockmusik des Stückes ist nicht so sehr mein Fall, aber allein seines verwegenen Buches und der hysterischen Komik seiner Umsetzung wegen würde ich jedem, der es noch nicht kennt, diese Originalfassung des Films empfehlen, bei der man bei Bedarf deutsche Untertitel zuschalten kann:



    Es gibt den Film auch in einer preiswerteren Fassung auf einer DVD, aber die Extras über die Produktion und den Kult, den der Film ausgelöst hat, sind den zusätzlichen Aufwand allemal wert.


    Da ich das Stück nie auf der Bühne gesehen habe, wäre es interessant, einmal etwas davon zu hören, wie es in deutscher Sprache bei uns ankommt.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Als ich den Film letztens nach über 25 Jahren wieder einmal im Fernsehen sah, konnte ich die Euphorie, die auch mich damals ergriffen hatte, nicht mehr so ganz nachvollziehen.
    War ich anfangs des Films ganz begeistert über die bekannten Songs und insbesondere das Auftreten von Tim Curry, so verflachte sich meine Stimmung ca. ab der Hälfte des Films. Ich habe ihn dann nur anstandshalber zu Ende geschaut. Die Handlung (eh schon dubios) kam meines Erachtens nicht mehr richtig voran und an das Ende kann ich mich im Moment gar nicht mehr erinnern. :(.


    Dennoch: Tim Curry in einer Paraderolle, auch musikalisch sehr gut dabei. Ein schöner Auftritt von Meat Loaf, der versprach, was er danach auf der Bühne in seinen eigenem Konzerten einlöste, und diverse Songs mit Ohrwurmcharakter.


    Resumee für mich: ja, ja, damals wars..... und nun tempi passati



    Grüsse


    Achim :hello:

  • Mir ging es ein bisschen ähnlich: 37 mal hatte ich es gesehen und dann fast 15 oder 20 jahre nicht mehr. Keine Frage Die RHPS hat ziemliche Längen und manches ist absurt überflüssig.... aber trotzdem ist es auch ein Kleinod an Zitaten die fein oder mit brachialer Gewalt gezeigt werden.


    Und es gibt Wortschnipsel, ich möchte sie nicht Zitate nenne, die meinen Sprachschatz nach wie vor bereichern:


    "You are wet" "It´s raining" "I think you better both come inside"
    "I don´like to many muscles" "I didn´t make him for you"
    "You did right - sociaty must be protected"
    "Nobody likes me"


    Wichtig ist der Stil der Ausstattung. Heute ist das nicht mehr nachzuvollziehen, aber damals war es schon etwas außergewöhnliches.


    Manches ist aber ganz außerordentlich: Der Time Warp, dessen Funktion ich in der Laborszene nach wie vor nicht begreife. Und in der tat finde ich Meat Loaf auch beeindruckend, auch wenn das Lied eher blöd ist. Aber das ganze lebt von Tim Curry. Er spielt und singt einfach toll. Jetzt wirken die Songs eher naiv, aber damals war es anders. Es war bizarr es war anders es war ein fach klasse. Als Stück aber insgesamt eher dürftig. Es ist insgesamt tatsächlich eher eine Travestie und ein Zitatenfeuerwerk.


    Aber Frank´n´Furters großes Schluss-Solo ist großartig und für mich der Höhepunkt des Films.


    Auf deutscher Bühne habe ich es übrigens auch einmal gesehen und es war mau.

  • Wer hat Kids im passenden Alter? Ist das immer noch so, dass der Film so gut ankommt und darum einiges Brimborium gemacht wird? Wenn ja, wie wäre das zu erklären? Würde mich wirklich interessieren.


    Als ich von meinen Schulfreunden in den Film geschleppt wurde, fand ich ihn furchtbar langweilig, auch musikalisch, und bin schließlich früher rausgegangen, ein Bierchen trinken, weil ich stimmungsmäßig kein Spielverderber sein wollte.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Ist das immer noch so, dass der Film so gut ankommt und darum einiges Brimborium gemacht wird? Wenn ja, wie wäre das zu erklären? Würde mich wirklich interessieren.


    Mich auch! Rocky Horror ist vermutlich deshalb schwer massenkompatibel (gewesen), eben weil da alles und nichts gesagt wird.


    Da heutzutage die sexuelle Orientierungsphase gerne mal bis in die eigenen "Sechziger Jahre" ausgedehnt wird, dürften nach wie vor die Eltern mit vor dem Fernseher sitzen und Toasts im Wohnzimmer rumschmeißen.


    "Großmutter, warum hast Du so ein kurzes Röckchen an...?"


    Die Mucke ist T. Rex mit n´paar echten Weibern dabei, der Plot die ihrerseits wieder reaktionäre Parodie auf Gruselfilme mit Christopher Lee.


    Zitat

    Manches ist aber ganz außerordentlich: Der Time Warp, dessen Funktion ich in der Laborszene nach wie vor nicht begreife.


    :hahahaha:


    Entscheidend scheint darauf geachtet worden zu sein, daß nichts außerhalb des Kontextes für sich Bestand haben kann, und innerhalb desselben erst recht nicht. Solches Nummern-Konzept-Theater hat zu allen Zeiten seine Reize ausgeübt, die Antike hatte es in Form von politischen Komödien, das Mittelalter spielte Interludien und Stegreifparodien, über Commedia dell´arte und französisches Improvisationstheater sind selbst im zugeknöpften Deutschland des 18. Jahrhunderts Trivialformen der Bühnenkultur immer hoch im Kurs gewesen.


    Wie erwähnt, das, was das Ganze zusammenhält, ist meiner Meinung nach der fehlende Zusammenhang. Und fehlende "Botschaften" werden von der Jugend (der jeweils eigentlichen wie der lebenslänglich selbsternannten) immer dankbar angenommen...


    Womit ich nicht sagen will, daß ich nicht auchmal zu "Time warp" über die Tanzfläche gehüppt bin...



    Alex.

  • Die Rocky Horror Picture Show sehe ich immer wieder gern. Ich habe sie immer nur auf Video gesehen, und das Brimborium (Reis werfen etc.), das einem im Kino wohl immer noch begegnen kann, ist nichts für mich.
    Nicht zuletzt auch das von diesem überdimensionalen Mund gesungene Eingangslied gefällt mir sehr - sowohl von der Melodie wie auch vom Text her, der lapidar Meilensteine des B-Movie-Genres herbei zitiert.


    Bislang ist dieser Film das einzige Musical, das ich uneingeschränkt genießen kann. Aber die Bühnen-Version reizt mich nicht. Sicher auch, weil wahrscheinlich wer Schwächeres als Tim Curry den Frank'n'Furter darstellen wird.


    Viele Grüße


    :hello:

  • So ist es. Bei aller Häme die ich hier über das Stück lese, es ist doch unbestreitbar, dass Tim Cury einfach klasse spielt und singt. Klar ist es ein bischen oberflächlich und genügt sich mit dem zitieren ohne es zu kommentierten oder zu persiflierten , aber was solls?


    Mir hat es Spaß gemacht auch wenn ich - wie schon erwähnt - manches nicht verstehe. Das kann daran liegen, dass ich es nicht begreife oder es nichts zu begreifen gibt. Beides ist doch durchaus möglich und schmälert meinen Genuß nicht. Ich muß doch nicht überall die Lupe draufhalten. Übrigens ist das Genre Musical nicht unbedingt der Hort der sozialkritischen Relevanz. Klar ist die West Side Story eine Variation der unsterblichsten Geschichte aller Zeiten, Klar ist My fair Lady ein Sittengemälde und klar ist "Fiedler on the roof" ein Stück das bei aller Wärme auch beklommen macht, aber es gibt auch anderes.


    Als ob Oklahoma; Annie get your gun oder Mame auch nur einen Funken mehr gesellschaftliche Relevanz hätten als die RHPS. Oklahoma ist ein "Stückchen", Annie get your gun ist Frauenfendlich und Mame auch nicht mehr als eine Nummernrevue. Warum sollten sie auch mehr sein? Viele Musicals sind doch die Weichspüler unter den Stücken des Musiktheaters. Na und? Thats Entertainment. Und wenn wir etwas von "drüben" lernen können, dass ist es doch, dass gut ist was Erfolg hat, oder?


    Anmerkung: Ich habe dabei nichts gegen die Musik gesagt. Die finde ich nämlich bei meinen Beispielen toll. Oklahoma konnte ich sogar mal auswendig.