Ich bin es leid, diese in dieser und anderen Thielemann-Diskussionen immer wieder auftauchende Gleichung "man spielt gerne Wagner und Brucker, also ist man ein Rechter" zu lesen und speise sie daher mit einem kurzen Satz ab: Das hat niemals niemand behauptet, und es wird auch in Zukunft nicht geschehen. Niemand hier hat Thielemann in erster Linie wegen seiner Repertoirewahl angegriffen.
Thielemann steht auf Grund seiner Äußerungen und seines Aufretens in der Öffentlichkeit da, wo er hingehört: rechtsaußen. Reden wir nicht drumherum: Wer in Deutschland aus seiner Liebe zum Badenweiler Marsch keinen Hehl macht und in einem Interview mit dem Spiegel gar fragt "Warum ist der eigentlich auf dem Index", macht das mit Kalkül und nicht aus Blauäugigkeit. Mit einer vermeintlichen Abneigung gegen Political Correctness (die sich viele Rechte immer wieder gerne auf die Fahnen schreiben - als Vorwand für ihre inakzeptablen Äußerungen) hat das nichts zu tun. Dieselben Rechten (u.a. die "Junge Freiheit", die Thielemann natürlich unterstützt) sollen endlich aufhören, Leute wie Thielemann als Kämpfer gegen Political Correctness zu instrumentalisieren - es ist unendlich peinlich.
Thielemann hat sich gegenüber Barenboim antisemitisch geäußert, und zwar dergestalt, daß Erinnerungen an die Sprechchöre der randalierenden SA-Männer wach wurden ("Deutsche macht euch frei von der Judentyrannei" - Thielemann sprach von "Juderei"). Nach dieser Episode war Thielemann in Berlin nicht mehr tragbar. Thielemann dementierte, auch vor Gericht, und verlor.
Thielemanns Auftreten, sein zur Schau gestellter Seitenscheitel, seine deutschtümelnde Ausdrucksweise und dann erst auch seine Repertoirewahl bedienen ganz klar ein bestimmtes Klientel. Und dabei geht es nicht um Brahms oder Beethoven. Es geht um Thielemanns Schlagseite bei Komponisten, die mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht haben, Pfitzner, Strauss, von Schillings.
Natürlich darf man all diese Komponisten spielen, und natürlich macht man sich nicht politisch nicht verdächtig, wenn man es tut (also bitte nicht die alte Leier wiederholen). Aber: wenn man alles das, was Thielemann sonst noch tut, macht und sagt, hinzunimmt, dann ist die Repertoirewahl zumindest äußerst ungeschickt. Und da ich die Kategorie ungeschickt bei einem intelligenten Menschen wie Thielemann eigentlich nicht gelten lassen will, nenne ich die Wahl lieber so: unverschämt.
Oben drauf kommt die Art und Weise, wie Thielemann Wagner, Bruckner und die oben genannten Nazi-Komponisten zelebriert. Nämlich so, daß so einer wie Joachim Kaiser befriedigt feststellte, Thielemann habe die Meistersinger nicht "feige entgermanisiert". Da haben wir es schon: Der mit der Nazi-Terminologie hantierende Thielemann findet Jünger, die sich ebensolcher Terminologie bedienen. Thielemanns Musizieren ist altmodisch - es klingt nach irgendwo zwischen 1940 und 1945, bombastisch, schwülstig, spätromantisch, pompös, militärisch. Die Berliner Zeitung schrieb, sein Dirigat erinnere "einmal mehr an das Klischee deutsch-nationalistischer Kriegsführung: Immer druff und viel hilft viel."
Thielemann ist ein Mensch, der ohne Frage ein Rechter ist und daraus keinen Hehl macht. Das ist sein gutes Recht. Geschmacklos wird es dann, wenn Thielemann Symbole der Nazi-Diktatur hervorkramt und dann so tut, als wäre nichts dabei. Untragbar ist er dann, wenn er seinen Hitler-Hokuspokus in zahlreichen Interviews rechtfertigt und als gesunden deutschen Patriotismus verkauft.
Ich halte mich selber für patriotisch, liebe Wagner und Bruckner - aber bei so etwas wird mir schlecht. Wenn ich sehe, aus welcher Ecke Thielemann dann noch Beifall bekommt, wenn ich höre, daß es doch an der Zeit sei, daß zu Sylvester wieder mal "etwas Nationales" gespielt werden muß, wundere ich mich gar nicht mehr. Ich stelle Thielemann gar nicht in die rechte Ecke, merke ich - das kann ich nicht, er steht schon da, und alle, die auch da sind, applaudieren fleißig.
Diese elenden Quervergleiche (à la "Warum schreit keiner, wenn ein italienischer Dirigent nur italienisches Repertoire spielt") gehen allesamt ins Leere. Man zeige mir den italienischen Dirigenten, der sagt, er wisse gar nicht, warum die Giovinezza auf dem Index stünde - dann, aber nur dann können wir darüber reden. Solche Leute gibt es aber in Italien nicht - jedenfalls nicht auf Chefpositionen. Ach ja, in der Politik gibt es die schon - und wer sind die? Die Neofaschisten von rechtsaußen.
Deutsche Musik höre ich mir gerne an - aber nicht, wenn sie von einem wie Thielemann besudelt wird.