Faust in der Musik

  • Zitat

    Original von Caesar73
    Lieber Pius,


    ich hoffe Du nimmst mir das nicht übel, aber ich wollte Schumanns "Szenen" nochmal ein wenig ausführlicher im Rahmen dieses Threads besprechen, wäre doch schade, wenn er hier fehlen würde, ist also nur als Ergänzung zu Deiner Besprechung zu verstehen.


    Ich finde, die "Szenen" stehen zu Unrecht im Schatten von Berlioz und Liszt Faust Bearbeitungen. Es hätte mehr Aufmerksamkeit verdient! :yes:


    Hallo, Christian!
    Ich nehme das natürlich nicht übel und kann mich Deiner Schlußbemerkung nur anschließen; daher ist es nur sinnvoll, daß auf das Werk gleich in zwei threads aufmerksam gemacht wird! :)


    Mir fiel auf, daß Deiner Frage, warum so viele Komponisten von Faust inspiriert wurden, hier noch nicht sehr nachgegangen wurde. Es ist ja nicht nur ein Phänomen, daß bei Komponisten auftritt, sondern allgemein bei kulturbewußten Menschen.
    Der Faust-Stoff ist ein richtiger Mythos (ähnlich wie die Sagen der alten Griechen, später Parzival etc.), der sich im ausklingenden Mittelalter in unser kulturelles Erbe verankert hat. Daß es wohl auch einen historischen Doktor Faustus gab, darf nicht vernachlässigt werden, reicht aber nicht aus, um die Wirkungskraft dieser Figur zu erklären, die durchaus etwas archetypisches hat.
    Der Kern des Faust-Mythos ist der Gelehrte, dem das herkömmliche (sprich: im mittelalterlichen Christentum verhaftete) Weltbild nicht mehr ausreicht, um sein Leben und seinen Wissensdrang zu befriedigen und der, um neue Erkenntnis zu erlangen, keinen anderen Weg sieht als sich zu "versündigen" und einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Das führte in den ersten Faust-Werken, die am Schluß recht moralisch-belehrend waren (z.B. Marlowe), zur Verdammnis. Bei Goethe hingegen hat der Mythos eine neue Stufe erreicht. Nicht nur, daß die Gretchen- und Helena-Tragödie hinzukamen, der Teufel (bzw. Mephisto) stand bei ihm nicht mehr als "Sieger" fest, und die Verdammung Fausts für seine Taten war keine automatische Konsequenz mehr. Mit diesem durch allerlei Irrtum nach Erkenntnis strebenden Faust, der auch für ein aufgeklärtes, pantheistisches Gottesbild steht, hat sich Goethe wohl stark identifiziert. Und die Wirkung dieser archetypischen Figur auf andere Künstler und Gelehrte, sicher auch auf "einfache" Leute, in den letzten fünf Jahrhunderten war sicher nicht gering. Jüngstes Beispiel ist der Film "American Beauty", in dem viele Aspekte der Faust-Tragödie in neuem Gewand vorkommen.
    Auch auf mich hat die Lektüre des Faust-Stoffes sehr prägenden Einfluß gehabt, und in Schumanns Werk (um endlich die Brücke zur Musik zu schlagen) höre ich den Text in einer Weise vertont, wie es auch meinem Bezug zu dem Werk entspricht.
    Ich hoffe, das war jetzt nicht zu seltsam. Beim Thema Faust kann ich es einfach nicht lassen... :stumm:
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    Ich hoffe, das war jetzt nicht zu seltsam. Beim Thema Faust kann ich es einfach nicht lassen... :stumm:
    Viele Grüße,
    Pius.


    Überhaupt nicht. Geht mir im übrigen bei Faust genauso. Eine gute Idee von Dir die Ausgangsfrage wieder aufzugreifen. Du hast recht: Der Faust-Mythos berührt einige der Kernfragen unseres Seins (Klingt ziemlich metaphysisch, ich weiß) Die "Szenen" waren für mich auch ein Augenöffner 8) 8) Berlioz und Liszt kannte ich vorher schon und war insbesondere von Liszt sehr beeindruckt. Von Schumann längere Zeit abgehalten hatte mich das Verdikt mancher Kritiker über das Spätwerk Schumanns, und insbesondere die Vokalwerke. Dann stolperte ich über die Rezension von Herreweghes Aufnahme und die weckte meine Neugierde (ich belegte damals gerade ein Hauptseminar über Faust-Dichtungen) Als ich die dritte Abteilung das erste Mal hörte, hat es mich regelrecht vom Hocker gehauen, besonders "Gerettet ist das edle Glied"- da soll doch noch einer über Schumanns Chorwerke lästern! den Mut sich an diesen Teil der Faustdichtung zu wagen muß man erstmal haben, es hatte schon seinen Grund, dass erst Mahler dieses Projekt wieder in Angriff genommen hat. Allein dafür gebührt Schumann Respekt und für die Umsetzung erst recht! :jubel: :jubel:


    Herzliche Grüße, :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Salut,


    das "Problem" des Faust ist, dass zuviel an Wahrheiten darin steckt, die niemand hören will... genau deswegen mag ich "ihn" [das Stück] sehr. Hinzu kommt, dass das Theaterstück als solches kaum aufführbar ist, weil es Tage dauern würde. Das war Goethe sicherlich bewusst und trotzdem hat er ihn aus ideellen Gründen verfasst.


    bien cordialement,
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo, Ulli.


    Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    das "Problem" des Faust ist, dass zuviel an Wahrheiten darin steckt, die niemand hören will... genau deswegen mag ich "ihn" [das Stück] sehr. Hinzu kommt, dass das Theaterstück als solches kaum aufführbar ist, weil es Tage dauern würde. Das war Goethe sicherlich bewusst und trotzdem hat er ihn aus ideellen Gründen verfasst.


    bien cordialement,
    Ulli


    Das sehe ich anders. Aber eine Diskussion über dieses Thema paßt wohl nicht hierher.
    Was haltet Ihr von der Idee, auch einen Faust-thread im Literatur-Forum zu eröffnen?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Hallo, Ulli.
    Das sehe ich anders. Aber eine Diskussion über dieses Thema paßt wohl nicht hierher.
    Was haltet Ihr von der Idee, auch einen Faust-thread im Literatur-Forum zu eröffnen?


    Viele Grüße,
    Pius.


    Gute Idee, sollten wir unbedingt machen! Mach doch einen Anfang!


    Grüße,


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Pius
    Das sehe ich anders. Aber eine Diskussion über dieses Thema paßt wohl nicht hierher.


    Salut,


    deswegen haben wir sie hierher verlegt.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hab heute ein bisschen in der Bibliothek gestöbert und bin auf eine Paritur einer Faust-Oper von Louis Spohr gestossen. Hatte nicht die Zeit mich etwas genauer mit dem Werk zu beschäftigen, habs nur kurz durchgeblättert und es sah auf den ersten Blick nicht uninteressant aus, kennt jemand dieses Werk??

  • Liebe Forianer,


    eigentlich würde die Faust-Symphonie von Franz Liszt auch sehr gut in die Rubrik "Sinfonische Dichtungen" passen, aber da der Gegenstand des Stücks Faust ist, einige Zeilen dazu an dieser Stelle. Liszt komponierte seine Faust-Symphonie im Jahr 1855 in Weimar. Uraufgeführt wurde die Komposition anlässlich der Enthüllung des Goethe-Schiller-Denkmals 1857. Für diesen Zweck ersetzte Liszt den ursprünglich orchestralen Schluss des dritten Satzes durch einen Schlussteil für Männerchor und Solo-Tenor, einer Vertonung des "Chorus-Mysticus" aus dem II. Teil der Tragödie. Das Werk ist dreisätzig. Jeder der drei Sätze ist einer der drei Hauptfiguren der Tragödie gewidmet: Faust, Gretchen und Mephisto. Liszt geht es nicht darum die Handlung nachzuzeichnen sondern Charakerzeichnungen der Figuren. Liszt hat der Polarität zwischen den drei Hauptcharakteren in seiner Musik plastischen Ausdruck verliehen, so spiegelt der erste Satz der Faust gewidmet ist mit seinen vier Themen die innere Zerissenheit von Faust deutlich wieder, während der eher lyrische zweite Satz Gretchens entsagungsvolle Liebe zum Ausdruck bringt.


    Bei den Zeitgenossen war das Werk umstritten. Liszt als einer der Exponenten der "Neudeutschen" wurde von Eduard Hanslick scharf angegriffen, während Komponisten-Kollegen wie Anton Bruckner oder Richard Strauss sich voll Anerkennung über das Werk äußerten.


    Unter den sinfonischen Dichtungen Liszts kommt der "Faust-Symphonie" sicher eine besondere Stellung zu.


    Sicher nach wie vor eine der herausragensten Einspielungen des Werkes von Leonard Bernstein mit dem Boston-Symphony-Orchestra:



    oder auch Daniel Barenboim:



    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von Michael_Flaschberger
    Hab heute ein bisschen in der Bibliothek gestöbert und bin auf eine Paritur einer Faust-Oper von Louis Spohr gestossen. Hatte nicht die Zeit mich etwas genauer mit dem Werk zu beschäftigen, habs nur kurz durchgeblättert und es sah auf den ersten Blick nicht uninteressant aus, kennt jemand dieses Werk??


    Späte Antwort: Ja, kenne die Oper. Basiert nicht auf Goethes Drama, sondern auf den Faust-Puppenspielskripten, die wiederum auf dem Volksbuch fußen. Musikalisch ganz ansprechend, manchmal ein wenig in Richtung Singspiel. Es existieren zwei Fassungen, eine zweiaktige Erstfassung (da gibts eine Einspielung bei Capriccio) und eine spätere dreiaktige Neufassung (gibts bei CPO). Hab mal beide besessen, aber die CPO-CDs wieder abgestoßen, ergo: ich fand Spohrs initiale Idee überzeugender und das ganze nicht so überzeugend, daß ich es zweimal haben mußte.
    Hab die Oper auch schon lang nicht mehr gehört, werde sie heute aber vielleicht mal wieder hervorholen.


    Grüße,
    Klawirr